Finanzpolitik

Wir fordern ein Ende der gescheiterten Euro-Politik. Wir brauchen höhere Löhne und Renten. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, fordern wir ein EU-weites öffentliches Investitionsprogramm von 500 Mrd. Euro pro Jahr: Die EZB sollte besser öffentliche Investitionen direkt finanzieren als Geld in Banken zu pumpen, wenn diese das Geld nicht an die Realwirtschaft verleihen.

Themen – kurz und knapp

Falsche Diagnose, falsche Behandlung

DIE LINKE im Europäischen Parlament fordert einen solidarischen Umgang der EU-Länder miteinander und eine gemeinsame Strategie für die Lösung der so genannten Euro-Krise, die nicht, wie zur Zeit, von den krisengeschüttelten Ländern drakonische Sparmaßnahmen verlangt und die wesentlichen Ursachen der Krise außer acht löst.

Es ist zwar richtig, dass durch die internationale Finanzkrise die Außenhandelsdefizite einiger Euro-Länder und die an einigen Stellen enorm hohe öffentliche Verschuldung stärker in den Blick gerückt wurden. Dabei wird jedoch übersehen, dass Länder wie Spanien und Irland enorme Summen in die Stabilisierung maroder Banken gesteckt haben, um einen Zusammenbruch des Zahlungssystems zu verhindern. Die eigentliche Ursache für die Ungleichgewichte, die als Begründung für die brutalen Sparprogramme im südlichen Europa herangeführt werden, liegen allerdings tiefer. Durch die Krise ist nur besonders krass zutage getreten, wovor zahlreiche Ökonomen schon vor Einführung der gemeinsamen Währung gewarnt haben: eine einheitliche Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik kann nicht funktionieren. Dennoch einigten sich die Euro-Länder auf lediglich zwei Punkte: Inflation knapp unter zwei Prozent, Verschuldungsgrenze 60 Prozent des BIP. Punkte, die auch Deutschland, dessen Regierung seit Beginn der Euro-Krise regelmäßig in oberlehrerhafter Pose auftritt, nicht durchgehend eingehalten hat.

In Deutschland herrschte über Jahre eine starke Lohnzurückhaltung vor, dadurch sind die Lohnstückkosten (also etwa der Lohn, der in einem Stück Nagel steckt) deutlich langsamer als bei den Nachbarn.

Die Folge: Die Preise deutscher Produkte wurden im Vergleich zu den Produkten aus anderen Euro-Ländern billiger, die Exporte in die Euro-Zone stiegen massiv an. Jetzt noch machen die Ausfuhren Deutschlands rund 36 Prozent der deutschen Exporte aus, vor der Krise waren es mehr als 40 Prozent. Damit häuft Deutschland ebenso wie zum Beispiel die Niederlande und Österreich einen Exportüberschuss auf, das heißt: wir kaufen unseren Nachbarn weniger ab als wir ihnen verkaufen. Was betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint, ist volkswirtschaftlich gesehen blanker Unsinn, erst recht in einer Währungsgemeinschaft: dort kann zwangsläufig der Überschuss des einen nur das Defizit des anderen bedeuten, schließlich können nicht alle Mitglieder derselben Währungsgemeinschaft exportieren wie die Weltmeister. Die deutschen Exporte trafen in Ländern mit schwächerer Exportorientierung auf geeignete Abnehmer, die schon vorhandenen Ungleichgewichte verschärften sich und traten im Gewitter der Finanzkrise grell zutage.

Dieser Staatenkonkurrenz ist zu begegnen mit einer gemeinsamen, koordinierten Wirtschafts- und Sozialpolitik, die sich verabschiedet vom einseitigen Blick auf öffentliche Verschuldung und Handelsbilanzdefizite. Alle sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen daran überprüft werden, ob sie zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU auf einem hohen Standard beitragen. Zudem dürfen nicht mehr nur Defizite sanktioniert werden vielmehr müssen Staaten, die über längere Zeit mehr in die Euro-Zone exportieren als sie aus ihr importieren, dazu beitragen, die Situation in den importschwächeren Ländern zu verbessern indem sie entweder einen Teil der Exportüberschüsse in europäische Investitionsprogramme zugunsten der schwächeren Länder abführen oder andererseits die Binnennachfrage stärken und damit für mehr Einfuhren aus den schwächeren Ländern sorgen.

Eine solche Koordinierung kann nur auf europäischer Ebene stattfinden. Wie die exportstarken Mitgliedsstaaten bewiesen haben, arbeiten sie mit Erfolg gegen eine Sanktionierung von Exportüberschüssen: Deutschland hat zusammen mit anderen Ländern dafür gesorgt, dass Exportüberschüsse erst dann kritisch untersucht werden, wenn sie sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen bei Defiziten sind es drei Prozent. Sanktionen sind aber auch dann noch nicht vorgesehen.

Umdenken muss aber selbstverständlich auch auf europäischer Ebene stattfinden. Zwar hat das Europäische Parlament Sanktionen auch für exportstarke Länder verlangt und konnte sich damit gegen die Mitgliedsländer der EU nicht durchsetzen. Aber die Einführung eines Ausgleichsmechanismus etwa nach dem Vorbild des deutschen Länderfinanzausgleichs ist auch bei den Abgeordneten noch nicht durchgedrungen.

Immer wieder liest und hört man vom legendären Brüsseler Lobbyismus. Abertausende sollen in Brüssel unterwegs sein, die Zahlen schwanken zwischen 15.000 und 30.000 InteressenvertreterInnen, die an den Wirkungsstätten der europäische Institutionen Kommission, Rat und Parlament die Sichtweise ihrer Auftraggeber in Gesetzgebungsprozesse einbringen sollen.

Als Lobbyisten gelten sowohl Unternehmens- und Verbandsvertreter von Industrie und Gewerbe, von Finanzinstitutionen und digitalen Weltkonzernen. Bei Konservativen und Liberalen gelten aber auch die Gewerkschaften aller 28 Mitgliedstaaten plus europäische Dachverbände sowie hunderte kleine NGOs, die die unterschiedlichsten Interessen vertreten, vom Umweltverein bis zur Interessenvertretung der iranischen Exil-Opposition als «Lobbyisten». Diese sind allerdings den Wirtschafts- und Finanzlobbyisten nicht nur zahlenmäßig weit unterlegen. Gegen deren finanzielle Möglichkeiten zu Kampagnen, der Finanzierung von Studien bis hin zu «Zuwendungen» haben dann bessere Argumente oft keine Chance.

Nun ist die Vertretung von Interessen grundsätzlich legitim. Schließlich können weder Abgeordnete noch Beamte der Kommission oder gar die Kommissare selbst immer bei Gesetzesvorschlägen jeden Aspekt angemessen berücksichtigen. Meist ist nicht immer transparent, was diese Lobbygruppen in Brüssel so treiben. Zwar hat das Europäische Parlament mittlerweile ein verpflichtendes Lobby-Register, schon bei der Kommission ist die Eintragung in selbiges aber nur noch freiwillig. Auch werden längst nicht alle Lobbyisten erfasst, Anwälte und ihre Kanzleien zum Beispiel vertreten oft die Interessen wirtschaftlich mächtiger Unternehmen, brauchen sich aber nicht registrieren zu lassen. Auch wird bei der Registrierung nur der Name der Organisation oder des Lobbyisten erfasst, nicht jedoch was er in der Institution tut.

Die Aktivitäten vor allem der wirtschaftlichen Lobbygruppen nehmen in Brüssel und Strasbourg oft seltsame Züge an. So werden im Vorfeld von Haushaltberatungen schonmal riesige Freiflächen im Europäischen Parlament (EP) an EADS zur Selbstdarstellung vergeben, natürlich ohne darauf hinzuweisen, dass dies einer der grössten Rüstungskonzerne Europas ist. Oder es werden am Rande einer “Informationsveranstaltung” eines Energiekonzern zu den Vor- und Nachteilen von Kernenergie in Zusammenarbeit mit einem Abgeordneten ordentlich Champus und Häppchen aufgefahren, um die Teilnehmenden Entscheider aus der Politik die eigenen Wünsche zur Politikgestaltung am Stehtisch zu soufflieren.

Hoch problematisch ist jener Lobbyismus, den man nicht auf den ersten Blick sieht oder als solchen erkennt. Da wären zum einen die unzähligen Expertengruppen, die die Kommission bei Gesetzgebungsvorschlägen beraten sollen. Dort beruft die Komission, oder besser die jeweilige zuständige General-Direktion, also das Ministerium, Fachleute aus Wirtschaft, Gewerkschaften und NGOs. Selten jedoch ausgeglichen: Viel öfter sitzen acht Wirtschaftsvertretern ein Gewerkschafter, ein Vertreter eines Umweltverbandes oder einer Verbraucherschutz-Organisation gegenüber. Wie das Beratungsergebnis gegenüber der Kommission dann aussieht kann sich jeder lebhaft vorstellen.

Noch wichtiger ist jener verdeckte Lobbyismus, der entsteht, wenn VertreterInnen aus der Wirtschaft oder mächtiger Lobbygruppen plötzlich einen Direktoren-Posten in einem der Ministerien erhalten, ehemalige hohe Beamte der Kommission Berater Vorstände großer Konzerne mit dem Aufgabenbereich “Politik und Gesellschaft” werden.

Deshalb streitet DIE LINKE. im EP gegen diesen «Drehtüreffekt» und für ein umfassendes verpflichtendes Lobby-Register mit Angabe von Ort, Zeit und Grund eines Treffens in allen Institutionen, transparente und ausgeglichen besetzte Expertengruppen und angemessene Karenzzeiten bei Wechseln von Wirtschaftsvertretern in den europäischen öffentlichen Dienst und umgekehrt.

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