Seit Sommer 2013 laufen Verhandlungen zur Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Ziel ist die umfassende Liberalisierung des internationalen Handels und ein entscheidender Schritt zur weltweit größten Freihandelszone mit rund 800 Millionen Einwohnern. TTIP ist die Antwort der Wirtschaft in EU und USA auf neue starke Wettbewerber, die alte Vormachtstellungen gefährden und auch die Legitimität heutiger neoliberaler Wirtschafts- und Handelspolitik in Frage stellen.

Die Herausnahme der Wasserversorgung aus der europäischen Konzessionsrichtlinie war wohl nur ein Etappensieg. Durch die laufenden Verhandlungen über eine EU/US-Handels- und Investitionspartnerschaft und anderen bilateralen Freihandelsabkommen wird der Erfolg des ersten erfolgreichen Europäische Bürgerbegehrens „Right2water“, der Gewerkschaften und der Linken im EP in Frage gestellt. Es droht eine neue, diesmal internationale Öffnung der Vergabe öffentlicher Daseinsvorsorge und damit ein neuer Anlauf der Privatisierung.

Nichts ist explizit aus den Verhandlungen ausgeschlossen, auch nicht Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie soziale Dienste, Bildung, Gesundheit und Abfallentsorgung, Energie, und Verkehr und die Wasserversorgung. Die kommunale Handlungsfreiheit werde zwar nicht ausdrücklich negiert aber derartige international bindende Verträge brechen kommunale, regionale oder auch nationale Regelungen. Eine neue Runde der Ausschreibung z.B. der öffentlichen Wasserversorgung zu „marktgerechten Regeln“ kommt damit wieder und zwar international auf die Tagesordnung. Künftig könnte unser Wasser dann auch von Coca-Cola kommen.

Die Gefahren drohen aber nicht nur bei der öffentlichen Daseinsvorsorge und im Handel mit gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln. Es droht eine massive Schwächung der Arbeitnehmerrechte sowie eine massive Entwertung der wichtigsten Standards der Internationalen Arbeitsorganisation. Die USA haben im Unterschied zur EU nur zwei der ILO Kernarbeitsnormen unterzeichnet. Nicht unterzeichnet sind die Konventionen zur Gewerkschaftsfreiheit, zur Kollektiververtragsfreiheit, zur Zwangsarbeit (Nr. 29), zu gleicher Entlohnung, zu Mindestalter für Beschäftigung und über die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.

Aktuell werden in immer mehr Bundesstaaten sog. „Right-to-work“ Gesetze betrieben, die auf die letztlich auf die faktische Zerstörung der Gewerkschaften zielen. Innerhalb eines solchen transatlantischen Abkommens paart sich das dann genial mit europäischen Unternehmensinteressen, die immer stärker auf geringere Lohnkosten zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit drängen. Schließlich sind in 18 von 27 Mitgliedstaaten der EU bereits jetzt massive Einschränkungen individueller und kollektiver Arbeitsrechte zu verzeichnen.

Im TTIP-Abkommen soll auch ein sog. Streitbeilegungsverfahren vereinbart werden, das bereits 9 EU-Mitgliedstaaten mit den USA in ihren bilateralen Investitionsabkommen verankert haben. Ein Schiedsgericht soll künftig privaten Investoren ermöglichen, ihre Interessen gegen Staaten durchzusetzen. Eine dreiköpfige Kammer außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit und unter Aufsicht von Weltbank und UNO kann Staaten zu Entschädigungszahlungen verpflichten, wenn die Maßnahmen einer Regierung z. B in der Arbeitsgesetzgebung, bei Gesundheits- oder Finanz- oder Umwelt-Politik Investorenrechte beeinträchtigt oder die erwarteten künftigen Profite eines Unternehmens verringert. Der EU-Rat hat das einstimmig in das Verhandlungsmandat aufgenommen. Auch eine Mehrheit im Europäischen Parlament wie in vielen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten teilt solche Position. Damit werden die Rechte von Unternehmen künftig über die Souveränität von Staaten gestellt.

Andere Staaten wären künftig gezwungen, sich im Handel mit der USA und der EU nach deren Regeln zu richten. Das steuert auf ein System zu, das die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt zementiert und juristisch absichert, eine Wirtschafts-NATO mit unheimlicher Machtfülle und grenzenlosen Befugnissen.

Die Verhandlungen sollen bis Ende 2014 abgeschlossen sein. Mit einer Ratifizierung der Ergebnisse durch das EU-Parlament und den Rat werden die Regeln dann für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich.

Eine öffentliche Debatte über die Ergebnisse ist nicht vorgesehen. Derzeit finden die Verhandlungen mit dem ausdrücklichen Stempel „Geheim“ in den Hauptstädten statt. Seit NSA weiß vermutlich die US-Seite über die EU-Verhandlungsziele mehr als die Bürgerinnen und Bürger in der EU.

Angesichts der Dimension dieses transatlantischen Wirtschaftsraumes  fordern wir eine breite öffentliche Debatte und eine umfassend Beteiligung des Europäischen Parlaments. Zumindest das Europäische Parlament hat diesen Auftrag verstanden und drückt in Richtung Kommission und Verhandlungen auf die Einbeziehung der gesellschaftlichen Akteure. Nicht nur „Business Europe“ darf Ratgeber mit Zugang zu den Verhandlungspapieren sein. Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen müssen gleichberechtigten Zugang zu den Beratungen haben um die gesellschaftliche Transparenz zu schaffen, die eine europäische Demokratie gegen die Herrschaft der Hinterzimmer braucht .