Regionalpolitisches zwischen Brüssel, Strasbourg, Athen und Bratislava
EFSI, makroökonomische Konditionalitäten, Kohäsionspolitik in Zukunft, Rede zur Lage der Union, Haushalt und die Frage, wann kostenloses WiFi endlich normal sein wird
Auch regionalpolitisch standen in den vergangenen 10 Tagen die Räder nicht still: Im Plenum des Europaparlaments erinnerte Martina Michels daran, dass auch die besten Absichten in der EU-Förderpolitik durch Sparideologie und Haushaltskürzungen ad absurdum geführt werden können. „Eine neue „Soziale Säule“ à la Juncker klingt gut, aber das einzige vorhandene Instrument, mit dem die EU solidarische Politik betreibt – die Kohäsionspolitik – dürfen wir doch nicht im gleichen Atemzuge beschneiden!“, ergänzte Martina. Auch unsere europäischen Genossen betonten in der Debatte, dass die Kohäsionsbemühungen gerade jetzt gestärkt, nicht geschwächt werden müssen. Konkret abgestimmt wurde nach dieser Debatte über drei Initiativ-Berichte des Ausschusses für Regionale Entwicklung zur Umsetzung der Kohäsionspolitik:
Bericht über Kohäsionspolitik und Forschungs- und Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung (RIS3); Bericht über die Umsetzung des thematischen Ziels „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU“; Bericht über die Europäische territoriale Zusammenarbeit – bewährte Verfahren und innovative Maßnahmen .
In der vorangegangen Woche hatte Martina Michels im REGI zum wiederholten Male daran erinnert „Die zunehmende Unterordnung der Kohäsionspolitik unter die economic governance und das Europäische Semester ist falsch. Es ist eine Illusion, den Ausgleich sozialer und ökonomischer Ungleichheiten über Sparzwang in öffentlichen Haushalten und einseitigen Fokus auf private Investitionen erreichen zu können.“ Entsprechend stimmten die GUE/NGL-Abgeordneten auch gegen eine Stellungnahme ab, die nicht nur diese Verknüpfung mit dem Europäischen Semester lobt, sondern aus der auch noch der Textvorschlag gestrichen wurde, mit dem die erstmalige Anwendung der so gennannten makroökonomischen Konditionalitäten betreffs Portugal und Spanien hätte abgelehnt werden können. Bereits im Juli hatte Martina sich dazu geäußert: „Dieser Sanktionsmechanismus, die so genannte makroökonomische Konditionalität, bestraft nicht nur Regionen für die Politik der Nationalstaaten. Die Spirale aus Sparauflagen für die Mitgliedstaaten, daraus folgender Rückgang öffentlicher Investitionen auf allen Ebenen und damit Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage wird durch Zurückhalten von EU-Mitteln noch weiter verstärkt. Das ist politisch wie ökonomisch unsinnig.“
Am 15. September erfolgte nun immerhin der formale Beschluss über einen Strukturierten Dialog zwischen Europaparlament und Kommission über die Frage des möglichen Einfrierens von Strukturfondsmitteln in Spanien und Portugal. Ende September und Anfang Oktober wird es Anhörungen geben, in denen hauptsächlich Mitglieder der REGI und ECON-Ausschüsse des Parlaments mit der EU-Kommission darüber beraten, wie der Art. 23 der Gemeinsamen Verordnung über die Strukturfonds in diesem konkreten ersten möglichen Anwendungsfalls auszulegen ist. Auch wenn das erst einmal trocken klingt, am Ende geht es für die Regionen in den beiden Ländern darum, ob sie ihre regionalen Entwicklungsprogramme durchführen können oder nicht. Eine Liste findet sich hier.
Auf der REGI-Tagesordnung stand außerdem eine Zwischenbewertung zum „EFSI“, dem Europäischen Fonds für Strategische Investitionen. Wie Kommissionspräsident Juncker nun auch offiziell in seiner Rede zur Lage der Union ankündigte, sollen Laufzeit und Umfang dieses Finanzinstruments verdoppelt werden. Kaum zu hoffen, dass es sich um frisches Geld handelt natürlich. Zugleich ist die Sinnhaftigkeit dieses Instruments noch immer fragwürdig: „Die vorliegenden Daten lassen es meines Erachtens derzeit nicht zu, die enthusiastische Zwischenbilanz der Kommission zum EFSI zu teilen“, meinte Martina diplomatisch. Sie fordert unter anderem: „Zunächst muss es eine umfassende Analyse der geförderten und potentiell möglichen Projekte geben, einschließlich der KMU-Säule: Sind Zusätzliche, Nachhaltigkeit, Europäischer Mehrwert gegeben und kommt die Förderung in den Regionen an, in denen der größte Investitionsstau besteht?“. Darüber hinaus dürften müssten die zusätzlichen Gelder eben zusätzlich in den EUI-Haushalt eingestellt werden, nicht zulasten von Zuschüssen und anderen Förderprogrammen gehen.
À propos Rede zur Lage der Union: „Die Solidarität ist der Kitt, der unsere Union zusammenhält“, hatte Juncker darin gesagt. Doch von der Stärkung der Kohäsionspolitik war dann leider nicht weiter die Rede. Es schlug vor, bis 2020 die wichtigsten öffentlichen Orten jedes europäischen Dorfes und jeder europäischen Stadt mit kostenlosem WLAN-Internetzugang auszustatten. Konkret legt die Kommission dann einen Vorschlag auf den Tisch, über den die Telekomanbieter lachten und die Städte und Dörfer weinen dürften: Die 120mio. , die aus der Connecting Europe Facility (CEF) dafür vorgesehen sind, werden vielleicht 6-8000 von ihnen unterstützen können. Zu den Kürzungen im Haushaltsentwurf hatten wir bereits im Juli einigermaßen fassungslos berichtet. Nun hat die Kommission ihre Vorstellungen zur Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens vorgestellt. Dazu ist sicher eine genauere Analyse nötig. Doch wie es aussieht, soll es keineswegs darum gehen, die engen Haushaltsgrenzen dem Bedarf entsprechen zu lockern und die Mitgliedstaaten wenigstens aufzufordern, endlich ausreichend Geld für die zunehmend größeren und schwierigeren Aufgaben der EU bereitzustellen. Zwar könnte zum Beispiel die Programme Erasmus+, CEF, COSME, Horizon2020 und die Jugendgarantie in den kommenden vier Jahren ein bisschen besser ausgestattet werden, doch weder im eigentlich erforderlichen Maße, noch durch frisches Geld. Dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber den nationalen Regierungen angesichts deren Vorhabens, nun auch noch mehr in militärische Zusammenarbeit zu investieren, ist schon ein starkes Stück. Unsere Fraktionsvorsitzende Gabi Zimmer antwortete auf die Rede des Kommissionspräsidenten denn auch mit einer Rückfrage: „Wir müssen uns entscheiden: wollen wir den Status quo beibehalten und die Missstände und Fehlkonstruktionen der EU bloß verwalten, um damit am Ende zu scheitern? Oder wagen wir eine neue, demokratische und soziale Union?“.
In der kommenden Woche sind gleich zwei Auswärtstermine angesagt: Eine Reise nach Griechenland, um sich vor Ort die wirtschaftliche und soziale Situation im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kohäsionspolitik anzusehen. Dabei wird es auch darum gehen zu bewerten, ob die zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen für Griechenland gut funktionieren und verbessert werden können. Auf Martinas Programm in Thessaloniki und Athen stehen Treffen mit Ministern und Beamten, die für die Verwaltung der EU-Programme verantwortlich sind, mit Projektträgern und Projektteilnehmern.
Fast zeitgleich reist die GUE/NGL-Fraktion zu ihren Studientagen in der Slowakei, das Land, das aktuell die Ratspräsidentschaft der EU innehat. Auch dort wird es um die konkreten Auswirkungen von EU-Politik vor Ort gehen. Besonderer Fokus liegt auf den Themen Energiesicherheit sowie Landwirtschaft und Verbraucherschutz.