Das Parlament sollte nicht als Bremse auftreten!
Zur Sondersitzung des EU-Regionalausschusses zu Griechenland von Konstanze Kriese
Vielleicht sind die Erfahrungen mit dem möglichen Sonderprogramm für Griechenland sinnvoll für die Erkenntnis, dass es bei der unsinnigen Kürzungspolitik längst nicht nur um Griechenland geht.
Genau dazu hat sich Martina Michels gestern deutlich und kritisch geäußert – einer Würdigung der Anstrengungen der Kommission inklusive, die eigentlich erst fünf nach zwölf auf den Weg gebracht werden. Jetzt besteht die Chance, dass die Kommissionsvorschläge in der ersten Oktoberwoche im Plenum verabschiedet werden, damit die Umsetzung endlich beginnen kann.
Auf Antrag des Regionalausschusses (REGI) wird es ein beschleunigtes Verfahren geben. Das heißt, sofern sich die Konservativen nicht erneut quer legen, kann damit eine wirklich interessante Verordnung der Europäischen Kommission in Kraft treten. Es ist geplant, das lokale Investitionsklima in Griechenland nachhaltig zu verbessern. 2 Mrd. Euro sollen aus der laufenden Förderprogrammperiode 2014 – 2020 als vorgezogene Anschubfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Erhöhung von üblichen 1 % auf 3,5%. Überdies sollen die Kofinanzierungen der regionalen Projekte tatsächlich auf 0 zurückgefahren werden. Nach diesem Sonderverfahren werden auch Schlusszahlungen aus der vergangenen Förderperiode 2007 – 2013 sofort auszahlungsfähig – gesetzt den Fall, der Parlamentspräsident verkündet eine verkürzte Verfahrensweise für die Entscheidung zu diesem Vorschlag in der nächsten Plenarwoche in Straßburg.
Etwas absurd mutete die Debatte im Sonderausschuss dann aber doch an: Vertreter und Vertreterinnen der Konservativen sprachen sich auf einmal, die Rechte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwörend, gegen das verkürzte Verfahren aus: „Wir wollen viele schriftliche Anfragen und Änderungsanträge stellen und nicht in unseren parlamentarischen Rechten beschnitten werden …“ jammerte beispielsweise Lambert van Nistelrooij von den niederländischen Christdemokraten. Abgesehen davon, dass ihnen das alles unbenommen ist, fragt man sich doch verwundert, wann derartige Hymnen auf die nackte Verfahrensdemokratie denn je bei TTIP oder anderen vergleichbaren und eher „parlamentsfernen“ europapolitischen Aktionen vom Rat und der Kommission angestimmt wurden? Nea Demokratika, die griechische „Sektion“ der Europäischen Volkspartei, setzte in dieser Eierei offenbar wahlkampfbedingt noch eines drauf: Auch wenn sie irgendwie für schnelle Hilfen seien, müsste doch nun geprüft werden, wie alles bei den Begünstigten ankommt. Alles richtig, alles wahr, nur aus manchen Mündern hört es sich wirklich komisch an.
Das Parlament hat nun noch immer einige Hausaufgaben zu machen und, das muss man so klar sagen: Diese Regelungen werden die Mainstream-Politik nicht aushebeln, die mit dem dritten „Hilfspaket“ von 86 Mrd. Euro nur weiterhin Banken bedient und eher wenig zur Realinvestition und zur Anhebung der öffentlichen Dienste beitragen wird. Sie sind ein „Tropfen auf einen völlig fehlgeleiteten Lavastrom“, wie ein Freund auf Facebook zurecht kommentierte. Doch wenn dieses Sonderprogramm aus dem Struktur- und Sozialfonds, punktuell stabilisiert und funktionieren würde, könnte es – in winzig kleinen Dosen sicherlich – in Richtung einer alternativen Wirtschaftspolitik weisen. Dabei müsste allerdings auf Dauer die sogenannte „makroökonomische Konditionierung“ endlich abgeschafft werden. Sie verhindert nämlich, im Schlepptau der eher ideologisch begründeten Förderprogramme, viele neue Wege.
Wir haben unsere griechischen Genossen und Genossinnen, die sich ebenso deutlich für das beschleunigte Verfahren ausgesprochen und eingesetzt haben, sowie unseren Vizepräsidenten Dimitrios Papadimoulis, der selbst Mitglied im Regionalausschuss ist, gern unterstützt und hoffen sehr, dass die gestrige Entscheidung auch eine Ermutigung im Wahlkampf für SYRIZA und die schwierigen politischen Entscheidungen ist, die die Linke in Griechenland und in Europa in Angriff nehmen muss.