Im Amazonasgebiet in Ecuador: ein Aktivist von UDAPT, Lola Sanchez (Mitte), Helmut Scholz (rechts)
Im Amazonasgebiet in Ecuador: ein Aktivist von UDAPT, Lola Sanchez (Mitte), Helmut Scholz (rechts)

Warum wir gegen das neue Handelsabkommen zwischen Europäischer Union und den Mercosur-Staaten Widerstand leisten sollten.

von Helmut Scholz, Europaabgeordneter für Die Linke im Handelsausschuss des Europaparlaments

 

Die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker steht unmittelbar vor dem Ende ihrer Amtszeit. Auf den letzten Metern scheint der Luxemburger EVP-Politiker entschlossen, so viele Freihandelsabkommen wie möglich durchzuprügeln. Pünktlich zum G20-Gipfel wurde ein „Politisches Übereinkommen“ aus dem Hut gezaubert, mit dem die seit 20 Jahren währenden Verhandlungen mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nun zum Abschluss gebracht werden sollen.

Das ist ein fatales Signal an die Bevölkerung von Argentinien, die kurz davorsteht, ihren extrem neoliberalen Präsidenten wegen dessen völlig gescheiterter Wirtschaftspolitik in den Wahlen aus dem Amt zu jagen.

Das ein fatales Signal der Unterstützung für den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, gegen den Millionen Menschen in den letzten Wochen auf die Straße gegangen waren.

Dieser Mann repräsentiert alles, gegen das wir als Linke gekämpft haben. Gewerkschafter, Mitglieder der PT, der Kommunistischen Partei und anderer linker Oppositionsgruppen leben in Brasilien erneut in Angst. Den Arbeitnehmer*innen wurde von Bolsonaro mitgeteilt, dass sie sich entscheiden müssten, ob sie Arbeitnehmer*innenrechte oder Arbeit haben wollen.

Bolsonaro hat die großflächige Abholzung von Wäldern im Amazonas-Gebiet angekündigt um damit ein Versprechen einzulösen, das er für seine Unterstützung durch das brasilianischen Agro-business gegeben hatte. Mehr als 68 Prozent der von Ureinwohner*innen bewohnten Schutzgebiete sind dadurch bedroht.

Es ist zynisch, wenn die EU-Kommission nun behauptet, der Mann würde sich doch auf dem Papier zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichten. Der Regenwald wird gerodet, die Flächen gehen an gigantische Rinderfarmen. Lohn ist dort oft nur noch ein Dach über dem Kopf für die Familie und etwas zu Essen. Diese moderne Form der Sklaverei breitet sich in Brasilien unter Bolsonaro rasch aus. Was bedeutet bei diesen Fakten die Anerkennung einiger ILO-Standards in einem Handelsabkommen?

Mit den Werten und Grundsätzen, auf denen die EU basiert, hat dies ebenso wenig zu tun wie mit Nachhaltigkeit, Schutz der Umwelt und natürlich der umfassenden Respektierung von Menschen- und Bürgerrechten. Trotzdem sprach EU-Kommissionspräsident Juncker am vergangenen Freitag von einem „historischen Moment“ und, vom „größten Deal in der Geschichte der EU“, als er die politische Einigung auf ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur vermeldete. Nahezu wortgleich äußerte sich Bolsonaro.

Doch der Deal ist schlecht für die Menschen. Nirgends werden mehr Pestizide eingesetzt als in Brasilien und Bolsonaro hat gerade noch 250 weitere Pestizide zugelassen, von denen viele auf Verbotslisten der UNO stehen. Und das Zeug soll in nun auf unsere Teller exportiert werden? Das wird geschehen, denn unsere europäischen Bauern und Bäerinnnen können mit den extrem niedrigen Erzeugerpreisen in Brasilien und Argentinien nicht konkurrieren. Höfe werden sterben.

Umgekehrt werden die Unternehmen in Südamerika nicht in der Lage sein, nach Wegfall der Zollschranken mit der Produktivität unserer Industrien bei Autos, Maschinenbau oder Chemie zu konkurrieren. Industriearbeitsplätze im Mercosur würden durch das Abkommen stark gefährdet.

Das Mandat der Verhandlungen stammt aus dem Jahr 2000. Die sich seitdem vollziehenden Veränderungen in Industrie und Landwirtschaft und technologischen Umwälzungen in den Produktionsabläufen, die Herausforderungen aus Digitalisierung und Datenschutz sowie vor allem notwendigen Schlussfolgerungen für Umwelt- und Artenschutz, Klimaneutralität, wurden in dem veralteten Mandat noch nicht annähernd reflektiert.

Ich fordere eine Neuausrichtung unserer Handelspolitik am Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 und an der Vermeidung der Klimakatastrophe. Das Handelsabkommen EU-Mercosur trägt dazu keine Zeile einklagbarer Verpflichtungen bei.

Ich werde Kandidatin Ursula Von der Leyen vor ihrer Wahl zur Kommissionspräsidentin mit unseren Fragestellungen konfrontieren. Es sollte ihr eines bewusst werden: Das Europaparlament als Ko-Gesetzgeber entscheidet 2020 final, ob es ein Handelsabkommen geben wird.