Martinas Woche 48_2020: Grundrechte, Frauenrechte & Medienfreiheit

Plenum in Brüssel – Südkaukasus – Belarus – Regionalpolitik – Medienfreiheit – Grundrechte – Abtreibungsrecht – MFR 2021–2020

Plenarwoche online, EU-Regionalpolitik für die kommenden sieben Jahre in mehreren Ausschüssen sowie Veranstaltungen kennzeichneten die vergangenen Woche. Wenn auch die Haushaltsthemen und viele außenpolitische Themen auf der Plenartagung verhandelt wurden, so waren diesmal mehrere Berichte den Grund- und Freiheitsrechten gewidmet. Frauenrechte sind ohnehin immer am 25. November weltweit im Fokus, am Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Diesmal wurde im Plenum jedoch auch die Verweigerung reproduktiver Rechte erneut zum Thema, indem das restriktive Abtreibungsrecht Polens zur Debatten stand. Seit Wochen gehen Polinnen auf die Straße, um gegen die Verschärfung des Abtreibungrechts zu demonstrieren und sie haben dabei unsere volle Unterstützung.

Grundrechte und auch Medienfreiheit standen gleichfalls auf der Tagesordnung des Plenums. Wir berichten diesmal zu diesen Schwerpunkten und zum Abraham-Abkommen, dass im Mittleren Osten ein neuer Anfang für Konfliktbeilegungen sein könnte.

Nora Schüttpelz berichtet mit Martina auch umfänglich aus den Verhandlungen zu regionalpolitischen Programmlinien, die 2021–2027 besonders die Angleichung der Lebensbedingungen und nachhaltiges regionales Wirtschaften im Blick haben. Zugleich muss die Erholung noch der Pandemie bewältigt werden und zuallererst sollten sich die Mitgliedstaaten derzeit um eine schnelle Einigung bemühen, damit das Geld überhaupt in den Regionen ankommt.

Gleich am Montag hatte Martina erneut eine Debatte zur Lage in Armenien und Aserbaidschan, die sie durch einen Kommentar im Neuen Deutschland ergänzen konnte

 

Südkaukasus nach der Waffenruhe

Noch immer steht ein Friedensplan aus, nachdem am 9./10. November eine Waffenruhe zwischen Aserbaidschan und Armenien unter russischer Vermittlung zustande kam. Darüber wurde einmal innerhalb der Internationalen Kommission bei der Partei DIE LINKE am Montagnachmittag intensiv diskutiert, nachdem Kerem Schamberger einen Reisebericht zu Armenien ausbreitete und die derzeitige Lage ähnlich wie zuvor Martina Michels im Europa-Blog kommentierte. Am gleichen Tag erschien auch Martinas Kommentar im Neuen Deutschland, in dem sie nochmals verstärkt nach der Rolle der Türkei fragte und damit zugleich die EU aufforderte, ihre diplomatische und partnerschaftliche Verantwortung im Rahmen ihrer Abkommen endlich wieder ernst zu nehmen, statt sich u. a. von der Türkei die Lage im Südkaukasus diktieren zu lassen.

 

Plenum im November I: Abraham-Abkommen

Die geopolitische Bedeutung des Abraham-Abkommens, welches hoch offiziell angetreten ist, um den Mittleren Osten zu befrieden, wurde am Dienstag in einer Debatte des Plenums genauer unter die Lupe genommen. Martina begrüßt das Abkommen: „Dass Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan nun miteinander reden, ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Diplomatie schlägt Schweigen oder Waffengewalt allemal.“ Doch sie sieht die Stoßrichtung der diplomatischen Gespräche zu wenig an den Bedürfnissen und den realen Beziehungen zwischen den Bevölkerungen orientiert. Einerseits wird ein Schritt auf drei arabische Staaten zugegangen, andererseits die Siedlungspolitik in den autonomen palästinensischen Gebieten durch Netanjahu verschärft. Insofern ist noch schwer abzuschätzen, was beim Abraham-Abkommen über Symbolpolitik hinausgeht und nachhaltig tragen wird. Eine Debatte im Plenum war in jedem Fall angesagt, um die Vermittlungsrolle der EU in Erinnerung zu bringen und anzumahnen.

 

Plenum im November II: Frauenrechte, Grundrechte und Medienfreiheit

Gleich in mehreren Berichten wurden in dieser Plenarwoche Grundrechte verhandelt und deren zum Teil ziemlich brüchige Garantien in einigen Mitgliedstaaten besprochen.  Einmal ging es um das repressive Abtreibungsrecht in Polen, zum Zweiten um den Grundrechte-Bericht der EU und zum Dritten um einen Bericht zu „Stärkung der Medienfreiheit: Der Schutz von Journalisten in Europa, Hassrede, Desinformation und die Rolle von Plattformen“, für den Martina im Kulturausschuss auch Schattenberichterstatterin war. Zum Abtreibungsrecht in Polen schreibt Cornelia Ernst: „Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das einem völligen Verbot von Abtreibung gleichkommt, ist ein Angriff auf die Gesundheit, das Leben und die Würde von Frauen. Frauen in Polen werden damit einer rückwärtsgewandten und patriarchalen Ideologie untergeordnet, die ihnen selbst das Recht am eigenen Körper rauben will. Wir unterstützen den Strajk Kobiet ohne Wenn und Aber.“ Diese Auffassung teilen wir mit vielen Abgeordneten im Parlament.

Der Grundrechtsbericht war ebenfalls im Fokus auch öffentlicher Debatten, denn es sollte einmal über einen Änderungsantrag, Nr. 44, entschieden werden, der die Lage von Julian Assange definitiv erwähnt und dessen Grundrechtsschutz als Whistleblower verteidigen sollte. Doch hier konnte sich die Mehrheit des Parlaments nicht entscheiden, diesem Änderungsantrag zu folgen: eine schwarze Stunde des politischen Umgangs mit Grundrechten, wie wir finden. Diese und weitere Entscheidungen veränderten den ursprünglichen Bericht massiv, so dass ein Großteil unserer Fraktion sich final der Stimme enthielt oder sogar gegen den Bericht stimmte und damit der linken Berichterstatterin Clare Daly folgten, die selbst nicht mehr für den Bericht ihr Einverständnis gab.

Hoffnungsvoller war dagegen die Abstimmung zum Medienfreiheits-Bericht„Es ist nicht der erste und wird nicht der letzte Bericht sein“, kommentierte Martina Michels, „in dem es um die Stärkung der Medienfreiheit geht. Diesmal steht jedoch die Rolle der Plattformen zusätzlich im Fokus, weshalb wir die Förderung von Medienkompetenz endlich um die Internetkompetenz erweitern müssen. Und auch im Netz gilt wie überall Quellenschutz bei der journalistischen Arbeit, weshalb Messenger-Dienste weiter verschlüsselt bleiben müssen. Wir müssen ebenso mehr Sorge tragen für alternative und Exilmedien, die aus Kostengründen oft ohnehin auf Plattformen und Online-Angebote angewiesen sind oder weil sie in den Herkunftsländern nicht mehr sicher arbeiten können. Hassrede und Jugendschutz wurden bereits in der Audiovisuellen-Mediendienste-Richtlinie verhandelt, doch sowohl die redaktionelle Verantwortung von Plattformen als auch Entwicklungen wie das Microtargeting in der Medienwelt verlangen neue Regulierungen, bei denen die Politik nicht länger hinterherhinken kann, wenn sie sich für Medienfreiheit einsetzen will.“

 

Plenum im November III: Lage in Belarus

Viele Debatten gab es auch innerhalb der linken Fraktion zur Lage nach den Wahlen in Belarus, bei der wir Demokratie und die ebenfalls unter Repressionen leidenden linke Kräfte stärken müssen. Daher hatte Helmut Scholz eine eigene Resolution vorgeschlagen, die dann auch in die gemeinsamen Verhandlungen hätte einfließen können. Letztlich nahm das Europaparlament eine Resolution an. Unsere Berichterstatter Helmut Scholz sprach in der Debatte und betonte: Viele der friedlich Demonstrierenden, allen voran die vielen mutigen Frauen, mögen unterschiedliche Vorstellungen über das künftige Antlitz ihrer unabhängigen, souveränen Heimat zwischen der EU und der Russischen Föderation haben. Aber sie eint die auf den Straßen gewonnene Erkenntnis, dass Belarus ohne freie Meinungsäußerung und Teilhabe aller Bürger*innen an politischen Entscheidungen keine Zukunft haben wird. Er hofft und fordert, dass Lukaschenko endlich einsieht, dass er nicht gewählt wurde, und plädiert für eine friedliche und demokratische Lösung der gegenwärtigen Krise durch freie und faire Neuwahlen sowie einen integrativen nationalen Dialog.

 

Regionalpolitik 2021–2027: Start der neuen Förderperiode in Gefahr

Nach drei interinstitutionellen Treffen (sogenannten Trilogen zwischen dem Europaparlament, dem Europäischen Rat und der EU-Kommission) hatten sich das Parlament und der Rat am 18. November 2020 bei der REACT-EU-Verordnung geeinigt. Doch ist dies die bisher einzige Einigung über einen Fördertopf der Kohäsionspolitik für die kommenden sieben Jahre. Dabei geht es hier zuerst und dringend benötigt, um den Wiederaufbaufonds „Nächste Generation Europa“ zur Bekämpfung der Folgen des Coronavirus. Doch jetzt blockieren Polen und Ungarn den gesamten EU-Haushalt und damit den Wiederaufbauplan, weil sie einen mit den Förderzuschüssen und Darlehen verbundenen Rechtsstaatsmechanismus ablehnen, also eine Bindung an die Einhaltung von Grundsätzen, die EU-Mitgliedstaaten ohnehin befolgen müssten, zu denen Pressefreiheit, Freiheit der Justizorgane, Grund- und Minderheitenrechte, um nur einige zu nennen, gehören… Zum Stand der Dinge und zum Stand der Verhandlungen über weitere EU-Programme ist hier ein ausführlicher Artikel von Martina Michels und Nora Schüttpelz.

 

Veranstaltungstipp: Förderung direkt – Berliner Zukunftsorte

Am 7. Dezember 2020 stellt Berlin seine „Zukunftsorte“ vor.

Elf EU-geförderte Projekte in Berlin, an denen die Zukunft bereits heute gedacht, an denen die Innovationskraft Berlins deutlich wird. Diese Zukunft entsteht aus dem Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und mehr. Martina wird als Europaabgeordnete und Obfrau des REGI-Ausschusses bei dieser Online-Veranstaltung dabei sein: Mehr hier.

 

Lesetipp:

Unsere neue „europaRot“ ist erschienen. Diesmal steht u. a. die Deutsche Ratspräsidentschaft im Mittelpunkt, die seit 1. Juli 2020 nicht nur die Verantwortung für die europäische Bewältigung der Corona-Krise wahrnehmen muss, sondern auch den Mehrjährigen Haushalt für die Jahre 2021–2027 auf dem Verhandlungstisch hat. Außerdem ist da noch der Brexit – ob mit oder ohne Deal – und natürlich die Umsetzung der hohen Ziele, die sich die Kommission gestellt hat, wie eine klimaneutrale EU bis 2050 und eine gerechte Digitalisierung. Zumindest sollten bis 31.12.2020 hier einige Schritte erkennbar sein… Viel Spaß beim Lesen!

Titelblatt EuropaRot, November 2020

Brüssel: Atomium
Konstanze Kriese

Original von Banksy an der Tankstelle in Bethlehem
Konstanze Kriese

Brüssel: Europaparlament mit Blick zum Ausschuss der Regionen
Konstanze Kriese

Pictogramm der Berliner Senatsverwaltung