Pressekonferenz: Ein Jahr EU-Türkei-Deal
15. März 2017, Europäisches Parlament in Straßburg
Gemeinsame Pressekonferenz von Cornelia Ernst, migrationspolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im EP; zusammen mit Philippe Dam von Human Rights Watch; der Fraktionsvorsitzenden der Grünen/EFA-Fraktion, Ska Keller; der Sozialdemokratin Birgit Sippel; sowie mit der liberalen Angelika Mlinar aus Österreich: Erster Jahrestag des EU-Türkei-Deals (Beschluss: 18. März 2016, Inkrafttreten: 20. März 2016).
Im Folgenden geben wir außerdem einen Rückblick auf unsere bisherige Arbeit gegen dieses historisch schmutzige und unwürdige Abkommen zur Migrationsabwehr.
Transkript der Pressekonferenz, Cornelia Ernst: „Vielen Dank. Zum Türkei-Deal will ich nur sagen, dass wir als Fraktion in den letzten Jahren sehr viel unterwegs gewesen sind: Wir waren auf der Balkanroute und wir haben uns in Griechenland und in der Türkei die Umsetzung des Türkei-Deals konkret angeschaut und faktisch live eine einzige Verletzung der Menschenrechte kennengelernt. Ärzte Ohne Grenzen – und auch wir konnten das sehen – haben dokumentiert, dass es dem Moment der Hoffnung bei vielen Flüchtlingen Verzweiflung und Angst gefolgt sind. Das erlebt man überall. Das ist eine katastrophale Situation und mit Blick auf die Türkei – was haben wir dort erlebt bei der Umsetzung des EU-Türkei-Deals?
Nicht-Syrer, die abgeschoben wurden, wurden durchweg in Knäste, also in Gefängnisse – ich kann das auch nicht anders bezeichnen – gesteckt, darunter auch Kinder. Ganze Familien, die währenddessen auch getrennt wurden. Ihre Mobiltelefone wurden beschlagnahmt. Manche saßen bereits monatelang in Haft ohne ihre Familien informieren zu können. Viele wussten noch nicht mal, wie man zu einem Anwalt kommt, wie sie überhaupt einen Antrag auf internationalen Schutz stellen können. Das hat übrigens auch der Europarat festgestellt, also nicht nur wir als Fraktion. Wir haben dort Verhältnisse kennengelernt, die mich tief erschüttert haben. Spätestens wenn man einer Trans-Frau aus dem Iran gegenüber sitzt, die in einem solchen Gefängnis sitzt, hat man doch so eine Zweifel.
Die Rückkehr der Syrer ist genauso problematisch. Der UNHCR und der Europarat haben deutlich gemacht, dass es nur einen mangehalften Zugang zu den Lagern gibt, wo die Syrer untergebracht bzw. inhaftiert sind und dass es problematische materielle Bedingungen gibt und zwar so gravierend, dass auch Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind – das ist die Sachlage!
Schauen wir nach Griechenland, müssen wir feststellen, dass trotz der Bemühungen der griechischen Behörden – und wir sind da in sehr engem Kontakt – von Teilen der lokalen Bevölkerung, NGOs und Freiwilligen – trotz allem und insbesondere die Lage auf den Inseln außerordnetlich dramatisch ist. Man kann sich das anschauen: Es ist alles überbelegt, es bewirkt auch mental schlimme Situationen für die Flüchtlinge, Depressionen, wie auch Ärzte Ohne Grenzen festgestellt haben, Krankheiten, Selbstmordgefahr. Wir stellen einen Mangel an europäischer Solidarität fest, die Zusagen an Griechenland, Unterstützung zu gewähren, logistisch und finanziell, sind nicht im vollen Maße erfolgt und das ist eine Katastrophe! Damit wird vieles nicht handhabbar und kann nicht bewältigt werden. Wir verlangen, dass diese Zusagen auch realisiert werden. Die Türkei wurde von Griechenland nicht als Sicherer Herkunftsstaat anerkannt. Der Asylantrag wird praktisch abgearbeitet und das ist auch wichtig, das unterstützen wir, führt aber dazu, dass der Druck seitens der Kommission so sehr zugenommen hat, dass man sogar verlangt, gesetzliche Schutzmaßnahmen zu verringern um eine rasche Rückkehr in die Türkei zu erzwingen. Auch bei schutzbedüftigen Personen, z.B. Kindern, ja sogar bei behinderten und älteren Menschen. Das ist eine einzige Katastrophe!
Asyl ist ein indivduelles Recht und muss auch so behandelt werden, deshalb glauben wir, kann der Deal so nicht weitergeführt werden.
…
Uns geht es wirklich darum, dass das Asylrecht als solches erhalten bleibt und dass es ein individuelles Recht bleibt. Das sehen wir jedoch unterhöhlt und das ist die größte Sorge, die wir haben: Dass man praktisch kein individuelles Recht mehr auf Asyl hat nur weil man aus dem ‚falschen‘ Land kommt. Schon Afghanistan ist falsch – absurd! – der Irak ist schon falsch – auch völlig unsinnig, weil ja dort sogar Krieg herrscht. Was noch?!
Das war die eine Sache, die andere Sache ist die Frage: Was wollenw ir denn? Das will ich in zwei Dinge unterscheiden: Das erste ist, dass wir natürlich mehr Unterstützung und Solidarität einmal für die Mitgliedstaaten und auf der anderen Seite natürlich auch für die Flüchtlinge, das verstehen wir unter Solidarität und nicht eine vermeintliche Solidarität gegen Flüchtlinge.
…
Wir müssen über das Dublin-System sprechen. Alle Mitgliedstaaten müssen sich an der Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen. Das ist ein schwieriger Weg.
…
Ich möchte, 1. dass Funds nicht zur Bestrafung da sind, also dass man bestraft wird, wenn man keine Menschen aufnimmt indem Funds entzogen werden. 2. Wenn, dann sollten Funds dazu benutzt werden, zu befördern. Und außerdem muss man über Co-Finanzierungen reden. Ich bin der Meinunbg, dass es unter Umständen auch mal keine Co-Finanzierungsmöglichkeiten bzw. diesen Zwang geben sollte. Das ist eine wichtige Debatte, die geführt wird und dann glaube ich, kann man da uach diese Situation verändern. Dazu muss man aber auch überbürokratische Hürden reden. Das ist dann zwingend erforderlich. “
16. März 2016, Gabi Zimmer, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL im Vorfeld des entscheidenden EU-Türkei-Gipfels:
Menschenrechte nicht in die Türkei auslagern: …„Wir kritisieren weiterhin diesen Ablasshandel. Menschen, die auf der Suche nach Schutz oder Asyl in der EU in Griechenland stranden, dürfen nicht einfach in die Türkei abgeschoben werden. Die EU muss ihre internationalen Verpflichtungen selbst ausüben und den Schutz- oder Asylanspruch individuell prüfen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Das individuelle Recht auf internationalen Schutz und auf Asyl haben auch Menschen aus Staaten wie Libyen, Afghanistan, Irak oder Nigeria. Wir lehnen ab, dass die Türkei die individuellen Ansprüche im EU-Auftrag prüfen soll, ein Land, das heftig von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird und aggressiv gegen seine kurdische Bevölkerung vorgeht. Menschenrechte dürfen nicht in die Türkei ausgelagert werden.“…
18. März 2016: Der Ratsgipfel zwischen der EU und der Türkei beschließt den sogenannten EU-Türkei-Deal, ein Abkommen, bei dem die Parlamente außen vor gelassen werden:
Gabi Zimmer: Überstürzte Umsetzung des EU-Türkei Abkommens zielt darauf ab, Asylbewerbende um jeden Preis zu verhindern:
„…Griechenland hat derzeit 45.000 Asylersuchende innerhalb seiner Grenzen und ist schon jetzt an seiner Belastungsgrenze. Dieses verstopfte Land ist nun gezwungen, die Verantwortung zu übernehmen und alleine das individuelle Recht auf Asyl und Schutz aller dieser Flüchtlinge zu überprüfen, einschließlich der Entscheidungen, in Berufung zu gehen. Griechenland in dieser Situation allein zu lassen, dürfte zu neuen unberechtigtigten Schuldzuweisungen an Griechenland führen, wenn dieser neue Ansatz nicht gut gehen wird…“
Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im EP
Das letzte bisschen Integrität: „… „Weder der Umgang mit Fluchtursachen war ein Thema der Beratungen, noch der Syrienkonflikt oder die Lage in der Südosttürkei. Auf solch einer Verhandlungsbasis werden die Spitzen der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten in einigen Monaten wieder über die gemeinsame Abwehr von Menschen auf der Flucht in Brüssel tagen. Dann jedoch mit Abdel Fattah el-Sisi und König Mohammed VI., den Staatschefs aus Ägypten und Marokko, bei denen man mit dem kontinuierlichen Abbau der Menschenrechte dann auch in bester Gesellschaft wäre. Das heutige Ratsergebnis ist eine historische Schande.“
12. April, Presseerklärung Martina Michels:
Türkei kein „Sicherer Drittstaat“: „Die Ergebnisse eines von der Linksfraktion im Bundestag in Auftrag gegebenen Gutachtens, strafen die Spitzen europäischer Politik weiter Lügen. Der ganze EU-Türkei-Deal ist darauf aufgebaut, dass einerseits Länder wie Griechenland ihre Gesetze so weit biegen, dass die Türkei als sicherer Drittstaat behandelt – nicht eingestuft – werden kann. Andererseits wird damit die Einstufung als Sicherer Drittstaat an keinerlei verlässliche völkerrechtliche Kriterien gebunden. Mit dem EU-Türkei-Deal im Gepäck erklärt damit auch Deutschland die Türkei unter Erdoğan auf Umwegen zum sicheren Drittstaat…“
13. April 2016, Plenardebatte in Straßburg
Gabi Zimmer Erdoğans Türkei ist kein sicherer Drittstaat: „…Angesichts der harschen internationalen Kritik am EU-Türkei-Abkommen erklären die Präsidenten von Rat und Kommission jetzt, auch sie hätten ethische und rechtliche Zweifel an diesem Deal. Aber es gebe nun mal keinen Schlüssel zum heiligen Gral und mehr habe man nicht herausschlagen können. Dieser Trick funktioniert nicht. Die Regierenden verschweigen, dass uns die fehlende europäische Solidarität in diese Situation gebracht hat. Die EU muss sich eindeutig zu ihrer Verantwortung bekennen, individuelle Flüchtlingsrechte durchzusetzen. Diese kann die EU nicht einfach in die Türkei auslagern…“
13. April 2016
Plenardebatte zu Griechenland, Rede von Martina Michels
Europa nicht die Geschichte, die Seele und die Zukunft rauben:
„…Bei aller Solidität von Griechinnen und Griechen, von AktivistInnen aus ganz Europa, ist in Urteilen des EuGH die Lebenslage von Asylsuchenden in Griechenland als Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewertet wurden.
Nach der Eurogruppe hat der EU-Türkei-Deal dies zementiert, statt einen Rahmen zu schaffen, die Genfer Flüchtlingskonvention wieder in Kraft zu setzen.
Kommission und Rat müssen dieses Politikversagens prüfen und ändern, statt Europa die Geschichte, die Seele und die Zukunft zu rauben.
Das EU-Türkei -Abkommen ist keine Lösung, sondern Teil des Problems, auch – um für Syrien und die Kurdenfrage dauerhaft friedliche Lösungen zu finden.“
16. April 2016, Plenarwoche in Straßburg, Gabi Zimmer
Key Debate im Pleum: „Mit dem EU-Türkei-Deal lagert die EU ihre Verantwortung in die Türkei aus. Die EU blieb in der Migrationsfrage so lange untätig, bis sie sich in die vollständige Abhängigkeit der türkischen Regierung manövriert hatte. Alle Bedenken bei Menschenrechten werden jetzt einfach weggewischt und man verlässt sich auf einfache Versicherungen von Erdoğan, der im eigenen Land einen Krieg gegen die Kurden führt, Menschenrechte massiv einschränkt und Oppositionelle und Journalisten wegsperrt. Damit erklärt die EU ihren moralischen Bankrott und hilft Erdoğan, die Türkei immer weiter in einen autoritären Staat zu verwandeln. Wir brauchen eine solidarische europäische Lösung und müssen Griechenland bei den Herausforderungen unterstützen. Dazu gehört eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU und legale und sichere Wege für Menschen in Not.“
21. April 2016, Cornelia Ernst kommentierte die tödlichen Schüsse, die das türkische Militär Medienberichten zufolge bereits am Sonntagabend auf eine Gruppe von Flüchtlingen an der syrischen Grenze abgefeuert hat.
Von unterlassener Hilfeleistung zum aktiven Morden:
„…Diese Handlungen des türkischen Militärs sind eine Schande. Eine Schande ist aber auch das Schweigen und Wegsehen der Europäischen Union. Der kürzlich geschlossene Deal, mit dem Flüchtlinge einfach von Griechenland in die Türkei abgeschoben werden können, erweist sich damit als noch schmutziger als angenommen. Die Türkei ist unter Erdoğan kein sicheres Land, und zwar für niemanden, der nicht irgendwie mit Erdoğan verbandelt ist.“…“
26. April 2016, Cornelia Ernst im Interview
Der Türkei-Deal ist ein Tabu-Bruch!: „Cornelia Ernst äußerte sich am 26.04.2016 im DRESDEN FERNSEHEN dazu, dass ein Konzertprojekt der Dresdner Sinfoniker zum Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren mittlerweile zum Politikum geworden ist. Die Türkei hat bei der EU-Kommission gegen das Konzert protestiert und die Einstellung der finanziellen Unterstützung gefordert. Wie die Europaabgeordnete den Vorstoß der Türkei bewertet und was sie von den Mitgliedverhandlungen zwischen Türkei und EU halt kann man sich hier im Video in voller Länge ansehen.“
4. Mai 2016, Presseerklärung Martina Michels:
Vorauseilende Kooperation der EU-Kommission
„Die Türkei hat mehrfach unmissverständlich die Visabefreiung ihrer Bürgerinnen und Bürger für die EU an den EU-Türkei-Deal geknüpft. Diese Verquickung allein ist absurd genug, zumal die Visabefreiung nach Erfüllung von 72 (rechtsstaatlichen) Forderungen ohnehin für Oktober 2016 geplant war. Nachdem der türkische Premierminister Davutoğlu seine Forderung nach sofortiger Umsetzung in den Verhandlungen im März mehrfach untermauerte, eilt jetzt die EU-Kommission voraus. Obwohl mindestens zehn der nötigen Bedingungen nicht erfüllt sind, deren Prüfung aussteht und viele praktische Fragen, wie die Passproduktion nach EU-Standards, ungeklärt sind, soll die Visabefreiung ab Juni eingeräumt werden.“
11. Mai 2016, Plenarrede von Martina Michels
Kein Ablasshandel mit der Türkei auf Kosten von Flüchtlingen!: „Wer noch immer glaubt, dass der EU-Türkei-Deal Schleppern das Handwerk legt, hat Fluchtursachen und reale Fluchtbewegungen ausgeblendet und eine gemeinsame EU Flüchtlingspolitik aufgegeben. Derzeit darf das Parlament keiner Visaliberalisierung außerhalb der Kriterien zustimmen: Es sollte jedoch zugleich den Rat und die Kommission auffordern, endlich eine gemeinsame humane EU-Flüchtlingspolitik anzupacken. Es ist unglaubwürdig, einerseits die Werte der EU in Festreden zu preisen und sie andererseits im politischen Alltag zu verzocken und zu opfern. Hören Sie auf Amnesty International und andere Organisationen, die uns täglich die bitteren Fakten liefern.“
14. Mai 2016 Martina Michels auf einer Amnesty International Konferenz in Istanbul
The EU-Turkey agreement, The EU progress report on Turkey 2015 and the safe third country concept:
„At first: the EU-Turkey Deal is a dirty Deal. For this opinion I will give some reasonal aspects.
Thank for your invitation. We need an open space to exchange information on chances to build a fair relationship between the EU and Turkey. I would like to speak about the responsibility of the European Union in current developments and to discuss two simple questions:
1. Why did 27 countries force Greece to recognise Turkey as a safe third country?
2. Why does the Commission and the Council remain silent on the situation of the Kurds, on the situation of refugees on both sides of the borders, on the situation of press freedom, of academics, of political opposition and on the ambitions of the ACP party to create a presidential system in Turkey?…“
16. Mai 2016, Martina Michels, Martinas Woche
Kein Ablasshandel mit der Türkei auf Kosten von Flüchtlingen
Die Konservativen verteidigen halbherzig den Deal, sehen allerdings selbst, dass er an eine Nachbarschafts- und Beitrittspolitik geknüpft wurde, die sie nie wollten. Linke, Grüne, Liberale und Sozialdemokrat*innen mahnen vor allem an, dass der Deal mit der Türkei, der in Form einer nicht zustimmungspflichtigen Erklärung des EU-Regierungsgipfels im März das Licht der Welt erblickte, weder eine gemeinsame EU-Flüchtlingspoltik ersetzen kann, die weiterhin aussteht, noch den Schleppern demnächst das Handwerk legen wird. Gerade am Mittwoch, dem Tag der Debatte um die Visa-Liberalisierung für die Türkei, erreichten wieder 800 Flüchtlinge die Küsten Italiens – auf längeren und gefährlicheren Wegen als über die Türkei und Griechenland. Und diese Situation wird sich an anderen Orten wiederholen.
18. Mai 2016, Reisebericht Türkei, Cornelia Ernst
Was Merkel, Tusk und Timmermans in der Türkei nicht gesehen haben: „Ziel der Reise war es, Zugang zu Abschiebeeinrichtungen zu bekommen und aus erster Hand die Situation von Flüchtlingen, die aus Griechenland abgeschoben worden waren zu untersuchen. Dazu interessierte uns auch die Situation von syrischen Flüchtlingen an der syrisch-türkischen Grenze. Neben Ortsbesuchen standen daher auch Treffen mit verschiedenen Stakeholdern auf dem Programm, wie Vertreter europäischer Regierungen, internationaler Organisation und Nichtregierungsorganisationen.
Die Treffen mit verschiedenen Organisationen fanden in Istanbul und Gaziantep statt, in Edirne und Kırklareli (nahe der bulgarischen Grenze) konnten wir zwei Abschiebeeinrichtungen besuchen und mit Behörden und Flüchtlingen sprechen. In Gaziantep kamen wir zudem mit syrischen Flüchtlingen ins Gespräch, die nicht in einem der regierungsgeführten Camps leben und in dem Ort Kilis direkt an der syrischen Grenze stand ein Besuch in einem solchen staatlichen Lager auf dem Programm….“
20. Mai 2016, Presseerklärung Gabi Zimmer
Türkisches Parlament wird Handlanger von Sultan Erdoğan / Turkish Parliament becomes sidekick of Sultan Erdoğan:
„Kanzlerin Merkel und die EU-Kommission müssen dieser türkischen Regierung schnellstens klar machen, dass es so weder die geforderte Visafreiheit für türkische Staatsbürger noch eine weitere Annäherung der Türkei an die EU geben kann. Wir fühlen uns leider darin bestätigt, den schmutzigen Deal abzulehnen und bleiben dabei: Bevor die Türkei nicht alle Kriterien erfüllt, wird es im Europaparlament keine Verhandlungen über die Visafreiheit geben.“
24. Mai 2016, Presseerklärung Martina Michels
Erdoğan zieht durch: „Jetzt dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, wer in dem EU-Türkei-Deal die Preise diktiert“, kommentierte Martina Michels, die heutigen Äußerungen des türkischen Präsidenten.
„Der Rat und die Kommission haben sich in eine babylonische Gefangenschaft begeben. Sie sind seit einem reichlichen Jahr nicht im Stande, eine menschenrechtlich orientierte gemeinsame europäische Flüchtlings-, Einwanderungs- und Integrationspolitik der EU auszudiskutieren. Die Mühe hätte es gelohnt. Schon im vergangenen Frühjahr, als die ausgebliebenen UN-Hilfen in den großen Flüchtlingscamps rund um Syrien viele Menschen Richtung Europa trieben, stand die EU deutlich vor den Folgen ihrer eigenen Politik der Abschottung und der kollektiven Verantwortungslosigkeit gegenüber der eigenen protektionistischen Handels- und Agrarpolitik…“
3. Juni 2016 Fabio De Masi
„Inside Brüssel“ auf dem österreichischen TV-Sender ORF III. Dort diskutierte er über den EU-Türkei-Deal zur Flüchtlingsfrage sowie zum Digitalen Binnenmarkt (DSM) und den Panama Papers.
8. Juni 2016, Presseerklärung Cornelia Ernst
Weitere Deals bedeuten weitere Fluchtursachen: „…In einem Jahr werden Kommission und Rat wieder behaupten, sie hätten nur die beste Absicht dabei gehabt, Folterregime und repressive Militärautokraten dafür zu bezahlen, jene Menschen von der Flucht abzuhalten, die genau vor diesen Diktatoren fliehen – und sich dann wieder aus jeglicher Verantwortung stehlen.“
„Wir brauchen dringend eine endgültige Abkehr von dieser mörderischen Abschottungspolitik. Wir müssen dringend legale Wege in die EU schaffen, und uns anstrengen, endlich ein faires System in der EU dafür zu schaffen, wie Flüchtlinge aufgenommen werden….“
17. Juni 2016, Sabine Lösing, außenpolitische Sprecherin der Delegation zum Weltflüchtlingstag 2016
Ein Armutszeugnis für die Europäische Union: „…Ein Ende ist nicht in Sicht: nach dem skandalösen Flüchtlingsdeal mit der Türkei planen die Verantwortlichen bereits neue Abkommen mit nordafrikanischen Ländern wie Libyen, in denen die Menschenrechte der Geflüchteten nicht garantiert werden können. Auch die Militarisierung der EU schreitet unter dem Deckmantel der so genannten „Flüchtlingskrise“ weiter voran. So sollen die völkerrechtswidrigen Militäreinsätze im Mittelmeer vorgeblich zur „Schlepperbekämpfung“ ausgeweitet werden. Systeme wie EUROSUR, die Grenzen mit Satelliten, Drohnen und Sensoren überwachen sollen, dienen eindeutig auch militärischen Zwecken. Diese Flüchtlingspolitik dient letztlich nur der Profitmaximierung von Schleusern und der Rüstungsindustrie…“
16. Juli 2016, Pressemitteilung zum Putschversuch in der Türkei, Martina Michels
Türkei: Putschversuche sind das Gift, das Erdoğans Demokratieabbau nur beschleunigt:“…Die verfehlte Türkeipolitik des Europäischen Rates, der Kommission und vieler Mitgliedstaaten hat ihren bitteren Beitrag zur weiteren Destabilisierung innerhalb der Türkei geleistet. Für uns alle gilt, auch vor dem Hintergrund der Gespräche zwischen den USA und Russland zur Lösung des Syrienkonflikt, Gleichgültigkeit gegenüber der Lage innerhalb der Türkei, Schweigen zu einer dringenden friedlichen Lösung der Kurdenfrage und eine kritiklose Hofierung Erdoğans als Partner bei einer falschen Lösung der Flüchtlingsfrage müssen endlich vorbei sein.“
Presseerklärung zum Putschversuch in der Türkei, Gabi Zimmer
Gegen-Putsch des türkischen Sultans
„…Wir fordern Kommissionspräsident Juncker, Ratspräsident Tusk und Kanzlerin Merkel auf, den schmutzigen EU-Türkei-Deal schnellstens für tot zu erklären und der türkischen Regierung den Geldhahn abzudrehen. Die EU darf nicht weiter in dieser unwürdigen Abhängigkeit von Sultan Erdoğan verharren und Milliarden in seinen Polizeistaat pumpen. So hat sie ihre eigenen Werte und Prinzipien beschädigt und den Entwicklungen in der Türkei, die zum Putschversuch führten, schweigend zugesehen. Die EU braucht schnellstens eine eigenständige und gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik, die Menschen in Not legale und sichere Wege in die EU öffnet. Die Regierenden in der EU müssen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort auf Eis legen, bis Erdoğan zu rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien zurückkehrt.“
25. Juli 2016, Analyse von Martina Michels
Türkei im Ausnahmezustand – Fünf Anmerkungen und sieben Forderungen zur Lage nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei: All der Demokratieabbau, die Verfolgung von Kurden und die Kriminalisierung der polotischen und gesellschaftlichen Opposition haben weder die EU, noch deren Mitgliedsstaaten daran gehindert, Erdogan als Verbündeten zu pflegen. Statt endlich eine Politik gegen Fluchtursachen und einen humanen Umgang mit Flüchtenden sowohl rund um Syrien als auch in Europa in Angriff zu nehmen, verbündeten sich die EU-Mitgliedstaaten mit Erdogan in ihrer Abschottungspolitik. Mitte März wurde der absurde EU-Türkei-Deal vom Europäischen Rat in einer Erklärung verabschiedet. Der Deal ist kein Abkommen, denn dies hätte den Einfluss des Parlaments zur Folge gehabt. Es ist ein heißgestrickter Verrat an Menschenrechten. Zusätzlich schlossen damals Österreich und Mazedonien die Grenze. Griechenland leistet die eigentliche Arbeit der Flüchtlingsaufnahme, der Asylverfahren, staatlich gestützt, zivilgesellschaftlich getragen und es kommt nach dem schleppenden Anlauf, den fehlenden EU-Beamten, der Verwandlung der Ankunftsorte in weitere Abschiebeknäste auch zu Entscheidungen, die marginal das Recht auf Asyl wieder in Kraft setzen. Kurden wurden in einem Urteil vor einem griechischen Gericht als politisch verfolgt anerkannt und konnten Asyl beantragen. Das könnte sich wiederholen und auch demnächst für türkische Asylantragstellerinnen und Antragsteller gelten. Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, weder für Flüchtlinge noch für die eigene Bevölkerung.
2. September 2016, Presseerklärung Martina Michels
Schulz & Avramopoulos in der Türkei: Zuckerbrot und Peitsche: „Die Mitgliedstaaten der EU handeln wie in einer selbstgewählten Sackgasse, wenn sie es weiterhin versäumen, eine eigenständige humane Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen. Dabei gerät das diplomatische Verhältnis zwischen der EU und Ankara langfristig immer mehr zu einem unwürdigen Drahtseilakt: Die Spitzen der EU versuchen ihr Gesicht zu wahren, indem hier der Abbruch der Beitrittsverhandlungen und dort die Anpassung der Terrorgesetzgebung gefordert wird, doch letztlich geht es einzig darum, den EU-Türkei-Deal – die Spitze der europäischen Abschottungspolitik – um offenbar jeden Preis zu erhalten. Das ist ein moralischer Ausverkauf und ein historischer Tiefpunkt für die europäische Idee und das politische Projekt der EU!“
21. Oktober 2016, Der nächste Migrations-Gipfel in Brüssel, Cornelia Ernst
Ratsbeschlüsse zur Migration: Mit Vollgas zurück!: „…„Anstatt afrikanischen Staaten einen Freibrief für die Verfolgung unliebsamer Bürger und Bürgerinnen zu geben, erwarte ich eine Evaluation der Situationen der in der in der Türkei festsitzenden Menschen. Da der Deal mit Erdoğan uns ja vermeintlich vor einer ‚Flut an Flüchtenden‘ bewahrt, wäre es endlich an der Zeit, mal danach zu fragen, wie es jenen in der Türkei Erdoğans denn überhaupt ergeht. Für den Moment will das aber niemand wissen oder erfragen, doch der Bumerang wird eher früher als später seine Richtung ändern.“…“
Gabi Zimmer zum selben Treffen der Staats- und RegierungschefInnen
EU-Gipfel verweigert echte Lösungen: „…„Der EU-Türkei-Deal ist nicht geeignet als Vorbild für Abkommen mit weiteren Staaten. So wird die EU ihren eigenen Anspruch nicht erfüllen, Menschenrechte und die eigenen Werte zu achten. Und die EU lagert ihre Verantwortung in wirtschaftlich schwächere Drittstaaten aus.“…“
15. Dezember 2016, Martina Michels, stellvertretendes Mitglied der EP-Delegation für die EU-Türkei-Beziehungen kommentiert die Beschlüsse des Dezember Gipfels
Fortgesetztes Politikversagen: Ratsgipfel versucht, sich um ehrliche Bestandaufnahme des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals zu mogeln: „…Dazu gehört allerdings auch ein Ehrlichmachen innerhalb der EU-Politik. Statt den schändlichen Flüchtlingsdeal auf Länder wie Mali, den Senegal, Niger, Nigeria und Äthiopien auszuweiten, ist endlich eine humane Asylpolitik in Europa wieder auf die Agenda zu setzen! Außerdem ist dies mit umfassender internationaler Hilfe für Flüchtlinge und einer gerechten Ausrichtung in Handelsbeziehungen und der Entwicklungspolitik zu verbinden. Dieser Ansatz muss konsequent mit einem Waffenexportverbot in Konfliktregionen, einschließlich der Türkei verbunden sein…“
Gabi Zimmer kommentierte denselben Gipfel:
Staats- und Regierungschefs höhlen Werte der EU aus: „…„Statt sich nicht länger von Erdoğan erpressen zu lassen, wird ein Abkommen gepriesen, das Menschenrechte mit Füßen tritt und das Asylrecht faktisch abschafft. Die EU darf nicht länger tatenlos zusehen, wie Erdoğan die demokratische Opposition und freie Medien ausschaltet und Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt. Er entfernt Rechtsstaat und Demokratie wie Steine, die ihm den Weg zur autoritären Alleinherrschaft blockieren. Die EU muss endlich konsequent handeln. Der schmutzige EU-Türkei-Deal muss weg.“…“