Fabio De Masi im TAZ-Interview

Sowohl EU-Kommissionspräsident Juncker als auch EZB-Chef Draghi sind in Interessenkonflikte verwickelt, kritisiert der deutsch-italienische Europa-Parlamentarier Fabio De Masi. Er fordert Konsequenzen. Das Interview erschien am 02.02.2017 auf Seite 9 im Wirtschaftsteil der taz und kann online kostenfrei abgerufen werden. Aus urheberrechtlichen Gründen dokumentieren wir das Interview in Auszügen.

 

taz: Herr De Masi, Europa will Steuerdumping und Steuervermeidung bekämpfen. Die EU-Kommission hat dazu Vorschläge gemacht. Trotzdem fordern Sie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf zurückzutreten. Warum?

Fabio De Masi: Ich habe Juncker nie gewählt. Er war der Architekt der Steueroase Luxemburg. Wegen solcher Steuertricks verlieren die EU-Länder jährlich Hunderte von Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Das heißt, Juncker und Co haben den Europäern direkt ins Portemonnaie gegriffen. Als wir die LuxLeaks-Affäre im Parlament aufklären wollten, hat er sich feige hinter seinen Beamten versteckt. Dabei geht es mir gar nicht um seine Person. Es geht darum, dass eine Europäische Union der Banken und Konzerne der europäischen Idee schadet.

Anfang Januar ist bekannt geworden, dass Juncker auch in der sogenannten Code of Conduct Group zur Unternehmensbesteuerung gemauschelt haben soll. Können Sie uns das erklären?

Die Gruppe wurde von den EUStaaten ins Leben gerufen, um gemeinsam die schmutzigsten Steuertricks von Konzernen einzudämmen. Doch in der Praxis trinkt man da lieber Kaffee, und die üblichen Verdächtigen blockieren.

Was ist das Problem?

Die EU hat keine Kompetenzen bei der Unternehmensbesteuerung. Das Europäische Parlament kriegt nicht einmal alle Protokolle dieser Gruppe von der EU Kommission. Wir können nur versuchen, ein wenig schmutzige Wäsche zu lüften. Ich habe deshalb vor dem EU-Gericht Klage gegen die Kommission eingereicht. Sie ist Teil der Experten-Gruppe, mauert aber. Es gibt offensichtlich etwas zu verbergen!

Das Europaparlament hat die Kommission jetzt auch wegen der geplanten Schwarzen Liste zu Geldwäsche gerügt. Wieso?

Richtig, die Liste wurde auf Antrag der Linksfraktion vom Parlament abgelehnt. Der Grund ist, dass die EU-Kommission sich bei ihrer Liste einfach auf Angaben der OECD [der Industrie­länderorganisation – die Red.] stützt. Deshalb fehlten etwa Länder wie die Bahamas oder Panama. Die Kommission ist laut Geldwäsche-Richtlinie aber zu eigenen Analysen verpflichtet. Länder, die Terrorfinanzierung oder Geldwäsche fördern, dürfen nicht von Brüssel geschützt werden. Deshalb zeigt das Europaparlament jetzt endlich Zähne.

[…]

Allerdings wird gegen Draghi nun ermittelt, weil er in der Finanzlobby-Gruppe namens G-30 mitmischt. Sogar die Ombudsfrau der EU hat sich eingeschaltet.

Zu Recht. Wie auch die lobbykritische NGO CEO habe ich mich bei der Ombudsfrau beschwert: Die EZB ist seit der Finanzkrise mit der Aufsicht über die größten Banken befasst. Es ist deshalb höchst problematisch, wenn Draghi Mitglied in der Group of 30 ist, also einem Club mit den Vorsitzenden der Banken, die er eigentlich beaufsichtigen soll. Dort diskutiert er womöglich die Geldpolitik mit privaten Finanziers – das ist ein Interessenkonflikt, denn die Investoren könnten so einen Informationsvorsprung gewinnen. In den USA gibt es viel striktere Regeln.

[…]

Mit Martin Schulz soll ja nun alles anders werden. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem SPD-Kanzlerkandidaten aus der gemeinsamen Zeit im Europaparlament?

In Brüssel war Schulz der Türsteher der Großen Koalition. In der LuxLeaks-Affäre zu Steuerdeals mit Konzernen hat er Juncker geschützt, beim Konzernschutzabkommen Ceta hat er Debatten verhindert und die Kürzungspolitik in Griechenland unterstützt. Entscheidend ist daher nicht, was die SPD vor der Wahl verspricht, sondern ob die SPD noch vor der Wahl liefert und die Mehrheiten im Bundestag nutzt. Sie könnte etwa mit der Linken und den Grünen die Abgeltungsteuer des früheren SPD-Finanzministers Eichel wieder abschaffen. Einkommen aus Arbeit wird höher besteuert als Leute, die Geld und somit andere arbeiten lassen. Die SPD will zudem keine Vermögensteuer für Millionäre. Das riecht doch sehr ­danach, dass sich Schulz als Vizekanzler unter Merkel bewirbt.

Das vollständige Interview kann online bei der taz abgerufen werden.