Martinas Woche 40_2016
Straßburg, Lage der EU und mehr – Türkei – Berlin mit Widerstand und Wahlen – Athen und Regionalpolitik
Gestern hat Berlin gewählt und natürlich war Martina mit Briefwahl, dem Herzen und Stolz über das Ergebnis der Linken dabei. Trotzdem starte sie an diesem Wochenende – nach einer fetten Plenumswoche in Straßburg – schon nach Athen mit dem Ausschuss für Regionale Entwicklung, um Struktur- und Regionalpolitik (REGI) in bedrohter Praxis genauer unter die Lupe zu nehmen.
Straßburg verhandelte Regionalpolitik
Gleich am Montag sprach Martina in der Aussprache zur Regionalpolitik und kritisierte einmal mehr das seltsame Instrument der makroökonomischen Konditionalität, welches dazu dient, die Regionen unter die Ideologie der europäischen Sparpolitik zu zwingen und Förderpolitik letztlich abhängig zu machen. Dies ist nicht nur wirtschaftspolitischer Unsinn und walzt tendenziell die regionalen Potentiale platt, bevor sie überhaupt entwickelt werden können. Zum anderen steht dieser politische Hebel quer zu selbstragenden nachhaltigen Wirtschaftspraktiken, die auf langfristige Investitionen angewiesen sind. Doch die neuen Finanzinstrumente, die auch in der Regionalpolitik immer mehr Raum greifen, gehen nicht in diese Richtung. Neue Erfahrungen vor Ort wird Martina in der kommenden Woche sicherlich aus Athen mitbringen. Ein aktueller Hintergrundbericht von Martina Michels und Nora Schüttpelz zur Regionalpolitik ist hier zu finden.
Türkei: Demokratie oder Diktatur
Nach dem gescheiterten Putsch geht die Kriminalisierung der Opposition mit unverminderter Härte weiter. BürgermeisterInnen der HDP werden aus dem Amt enthoben, Verhaftungen und Enteignungen treffen immer mehr Menschen, nicht nur in den kurdichen Gebieten. Martina kommentierte am vergangenen Montag die jüngsten Entwicklungen.
Am Mittwoch ging es im Plenum um die Lage der EU
Groß erwartet, bitter enttäuscht hat die Rede des Kommissionspräsidenten Juncker vorm Parlament. Da kann man fast jeden Satz über den Sinn und den Wertekanon der europäischen Integration unterschreiben und andererseits, wenn dann die politischen Instrumente gezeigt werden, schlägt man die Hände über den Kopf zusammen und hat das Gefühl, die Kommission und der Rat haben den Schuss des Brexits nicht gehört. Da wird dann CETA wärmstens empfohlen, über den verheerende Werteverrat, wie er im EU-Türkei-Deal steckt, geschwiegen und man fragt sich, ob dieses gefährliche „Weiter So“ nur dem kurzfristig anstehenden Roulette der Führungsspitzen von Parlament und Kommission geschuldet ist oder ob die politisch Verantwortlichen ihren politischen Willen für eine demokratische, soziale, friedfertige und weltoffene EU nur in die Präambeln von Sonntagsreden schreiben. Die Dramatik hinter dieser Haltung ist ein Stillhalten der europäischen Politik gegenüber einem wachsenden Rassismus in europäischen Ländern, ein Rückzug ins Nationale und ein Ausbau einer nutzlosen und teuren Abschottungspolitik der EU. Damit werden internationale Herausforderung wie die Migration, Klimawandel, Konfliktlösung, demokratische Digitalisierung und gerechter Welthandel dem Spiel der international agierenden Konzerne überlassen. Möglichkeiten und praktische Ansätze einer gerechten Globalisierung werden auf diese Weise von einem der reichsten Kontinente der Erde verspielt.
Ansip und Oettinger schlagen u.a. Reformen zum Urheberrecht vor
Eigentlich war die Vorstellung der Vorschläge für den 21. September geplant, doch plötzlich kündigte Oettinger via twitter an, dass die Vorschläge im Windschatten der State of the Union-Debatte im Parlament am Mittwochnachmittag in Straßburg vorgestellt werden. Das war dann allerdings die einzige Überraschung, die Reforminhalte besonders zum Urheberrecht waren durch die Leaks Ende August weitgehend bekannt und die Vorstellung zementierte einzig den Grundeindruck, dass Oettinger eine digitale Rolle rückwärts vorlegt, in der die alten Player, die Verlagshäuser von Presse und Buch gegen die neuen Player wie Google, Facebook und Netflix wieder in die Vorhand kommen sollen. Was dabei tatsächlich für die UrheberInnen, die Kreativen, hängen bleibt und erst Recht für die NutzerInnen in der digitalen Welt, steht letztlich auf einem ziemlich unbeschriebenen Blatt. Entsprechende Kritik hagelte es von NetzaktivistInnen und Politikerinnen und Politikern, die sich eine andere Ankunft in einer digitalen Demokratie vorstellen können. Martina Michels kommentierte die Vorstellung und die Vorschläge im Detail.
Demonstration gegen TTIP/CETA und den „Marsch für das Leben“ in Berlin
Am Samstag zeigte Berlin ein widerständiges und vielfältiges Gesicht. 320.000 Menschen gingen bundesweit gegen TTIP und CETA demonstrieren und zeigten damit auch der EU ein weiteres Mal, dass internationaler Handel auf gerechte, soziale und ökologische Füße gestellt werden muss. Außerdem kamen in Berlin auch Menschen zusammen, die für sexuelle Selbstbestimmung und reproduktive Rechte eintraten und sich damit deutlich gegen die sogenannten LebenschützerInnen positionierten, die mit ihrem Marsch für das Leben Patriarchat, Nationalismus, Frauenunterdrückung, Homophobie und Rassismus vor sich her tragen.
Das Land Berlin hat gestern gewählt: DIE LINKE drittstärkste Kraft
Die ersten Wahlnachtsberichte von Benjamin Hoff und Alexander Fischer sind erschienen, ein interessanter Kommentar zur Wahl war in DIE ZEIT von Imran Ayata zu lesen. Wir haben uns natürlich riesig über das Ergebnis der LINKEN gefreut und dass der schwarz-rote Senat deutlich abgewählt wurde. Doch ein Thema, was uns in Europa genauso beschäftigt, der Umgang und das Zurückdrängen von rassistischen und menschenfeindlichen Einstellungen, die sich auch in der Protestwahl der AfD sammeln, wird uns auf jeden Fall weiter beschäftigen. Dies gilt im Europäischen Parlament genauso, wie vor Ort in Berlin und ebenso ist dies ein Thema für die Wahlstrategien zu kommenden Bundestagswahl 2017.