Griechenlands Arbeitsminister warb in Brüssel für seine Politik und wandte sich gegen eine weitere Bevormundung durch die EU-Institutionen. Ein Gesetzentwurf zur Rentenreform in Griechenland soll bereits in drei Wochen im griechischen Parlament eingebracht werden. Arbeitsminister Georges Katrougalos mahnte bei einer von Thomas Händel (DIE LINKE.) organisierten Pressekonferenz am Donnerstag in Brüssel Tempo an. Bei den anstehenden „harten Verhandlungen“ mit den EU-Institutionen setzt der Minister auf Unterstützung durch das Europäische Parlament.

 

Minister Katrougalos hatte am Mittwoch an der Sitzung der Monitoring Group des Beschäftigungs- und Sozialausschusses EMPL teilgenommen. Die vorigen Oktober zwischen Katrougalos und EMPL-Vorsitzendem Thomas Händel ins Leben gerufene Monitoring Group berät die griechische Regierung bei der Neufassung der Sozialgesetzgebung.

Die Rentenreform der griechischen Regierung sieht die Einführung einer Basisrente in Höhe von 384 Euro vor. Diesen monatlichen Sockelbetrag soll erhalten, wer a) 15 Jahre lang ins Rentensystem einbezahlt hat und mit 67 in Rente geht oder b) 40 Jahre lang einbezahlt hat und mit 62 in Rente geht. Arbeitsminister Katrougalos warb in Brüssel für dieses Modell. Ein Sozialsystem, wie es etwa Deutschland kenne, sei in Griechenland praktisch nicht vorhanden. Das soziale Netz in Griechenland sei die Familie.

Das griechische Rentensystem war bislang ein kompliziertes Geflecht von etwa 300 unterschiedlichen berufsbezogenen Rentenkassen mit insgesamt 930 Kalkulationsmodellen zur Berechnung des jeweiligen Rentenbetrags. Ziel der Regierung ist es, das System in einer zentralen Rentenkasse zu vereinheitlichen. Dies stößt auch in Griechenland auf Vorbehalte. Durch die Entflechtung dürften erheblich Kosten gesenkt werden, doch die Änderungen haben für manche Berufsgruppen Einbußen zur Folge.

Die Reform, so der Arbeitsminister, schaffe erstmals gleiche Regeln für alle. „Wir wollen Gleichbehandlung und soziale Gerechtigkeit“, sagte Katrougalos. „Unser Ziel ist der Schutz der Schwächsten.“

Einwände gibt es bereits vom Kreis der von den EU-Institutionen eingesetzten unabhängigen Sachverständigen. Diese bemängeln, dass auch Besserverdienende den Sockelbetrag erhalten sollen. Katrougalos reagierte am Mittwoch auf diesen Vorbehalt gereizt. „Unsere Gesprächspartner haben nicht die Kompetenz, unser System zu ändern.“ Weitere Einschnitte werde die Regierung nicht tolerieren. Die Durchschnittsrenten seien bereits um 40 Prozent gekürzt worden, heute betrage die durchschnittliche Bruttorente bereits weniger als 800 Euro.

Unterstützung erhielt der Minister von der liberalen Abgeordnete Marian Harkin. Als Irin, gesättigt mit Krisen-Erfahrungen und Sparverdikten der einstigen Troika, pflichtete sie Katrougalos bei. Selbstverständlich müssten einer Regierung bei Reformvorhaben Spielräume eingeräumt werden. „Wozu braucht man sonst noch eine Regierung?“

Indes vermeldet die von Thomas Händel geführte Monitoring Group einen ersten Erfolg. Beim Besuch Anfang Dezember in Athen rannte Händel bei Arbeitgebern wie Arbeitnehmern offene Türen ein, als er für die Wiederherstellung des früheren Tarifsystems aus Flächentarifverträgen warb. Sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, so Händel, wollten schnellstmöglich zurück zu früheren Standards. 2011 hatte die damalige Troika Flächentarifverträge abgeschafft. Lohnabschlüsse wurden seither Betrieb für Betrieb ausgehandelt. Von 1100 Tarifverträgen, die zwischen 2011 und 2014 abgeschlossen wurden, sahen 98,5 Prozent Lohnstopps und Lohnsenkungen vor. Thomas Händel: „Seither gibt es in Griechenland keinen Wettbewerb mehr um das beste Produkt, sondern einen desaströser Wettbewerb um den niedrigsten Lohn. Denn es findet sich immer einer, der es noch billiger macht. Das schadet aber nicht nur den Beschäftigten, sondern genauso der Volkswirtschaft.“ Oder wie es Minister Georges Katrougalos ausdrückte: „Zur Zeit haben wir hier einen Dschungel.“

Dimitros Papadimoulis, Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und SYRIZA-Chef, rief die EU-Institutionen zur Unterstützung der Rentenreform auf; die Kommission sei mit einer Antwort seit einem Monat in Verzug: „Wir wollen Dialog statt Drohungen. Wir brauchen Sacharbeit anstatt Schuldzuweisungen. Die griechische Regierung wird ihr bestmögliches tun. Aber die griechische Regierung wird dabei souverän agieren.“

Am Mittwoch hatte die EU-Kommission für einen Eklat gesorgt. Verhandlungsführer Declan Costello hatte seine Teilnahme an der Sitzung der Monitoring Group abgesagt und schriftlich mitgeteilt, er werde mit dem Wirtschaftsausschuss ECON kooperieren, nicht jedoch mit dem EMPL. Thomas Händel sprach von einem Skandal. Er kündigte Gespräche mit Parlamentspräsident Martin Schulz an. Minister Katrougalos wunderte sich: „Es ist absurd, wenn ausschließlich Finanzexperten die Rentenreform bewerten wollen.“ Kein anderer Ausschuss als der für Beschäftigung und Soziales sei für die Beurteilung von sozialen Fragen besser geeignet.

Grundsätzlich wandte sich Thomas Händel gegen den Versuch, Griechenland erneut zum „bösen Buben“ zu stilisieren, etwa in der aktuellen Flüchtlingsdebatte: „Der politische Dilettantismus bei der solidarischen Lösung der Flüchtlingsfragen darf nicht auf dem Rücken Griechenlands ausgetragen werden. Wer kein Interesse hat, den Griechen zu helfen, soll den Mund halten.“ Händel spielte auf Äußerungen des EVP/CSU-Abgeordneten Manfred Weber an, der einen Ausschluss Griechenlands aus dem Schengen-Abkommen gefordert hatte.