Laut Eurostat leben in der EU 95 Millionen Menschen in Armut. Hinzu kommen 20 Millionen Menschen, die trotz Erwerbsarbeit als arm gelten. Eines von vier Kindern in Europa gilt als arm. Expert*innen weisen darauf hin, dass die offiziellen Zahlen das tatsächliche Ausmaß der Armut in Europa unterschätzen.

Die Linke im EP hat das Ziel, die Armut abzuschaffen. Der Reichtum von wenigen ist die Armut der vielen. Wir streiten für eine gerechte (Um-)Verteilung des Reichtums, einen starken Sozialstaat und eine ausgebaute öffentliche Daseinsvorsorge überall in Europa.

Gegen Armut hilft Geld! Die Sozialleistungen müssen in der gesamten EU wirksam vor Armut schützen (entsprechend den jeweiligen Armutsgrenzen in den Mitgliedstaaten). In Deutschland zum Beispiel kritisieren die Sozialverbände, dass die Sozialleistungen zu niedrig sind. Sie fordern für alleinlebende Erwachsene ein Bürgergeld von 813 Euro (statt derzeit 563 Euro). Gegenwärtig liegt die Armutsrisikogrenze in Deutschland bei 1.250 Euro.

Armut in der EU abzuschaffen, würde 135 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: die EU-Mitgliedstaaten geben 350 Milliarden Euro für Militär und Rüstung aus.  Die Linke im EP schlägt vor, zur Abschaffung der Armut Einkünfte aus einer europaweiten Vermögenssteuer einzusetzen. Oxfam schätzt, dass aus einer solchen Steuer 285 Milliarden Euro eingenommen und umverteilt werden könnten.

Was muss passieren:

Die EU muss dafür sorgen, dass in allen Staaten ein sicheres soziales Netz geschaffen wird: Sozialleistungen und gesetzliche Mindestlöhne müssen sicher vor Armut schützen. Sie müssen Mindeststandards und dem europäischen Mindesteinkommen entsprechen. Für Deutschland fordern wir: Renten und Sozialleistungen müssen ein Einkommen von mindestens 1.250 Euro gewährleisten!

Die Linke im EP setzt sich ein für gute Sozialleistungen. Wir kämpfen für gute Löhne, sichere Arbeitsverhältnisse und gute öffentliche Dienstleistungen. So sollen weniger Menschen auf Sozialleistungen angewiesen sein, weil ihre Löhne und Renten für ein gutes Leben reichen. Weil die öffentlichen Dienstleistungen gebührenfrei sind. Weil Wohnen und Energie bezahlbar sind.

Das Europäische Parlament hat im März 2023 auf unseren Antrag hin eine verbindliche Richtlinie für ein Mindesteinkommen beschlossen, das sicher gegen Armut schützt. Jetzt muss sie umgesetzt werden. Das Europäische Mindesteinkommen muss allen Menschen in der EU ein Leben in Würde garantieren.

Mindesteinkommensleistungen sind bedarfsabhängige Hilfen, die von den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung angeboten werden. In Deutschland wird in diesem Kontext von „Grundsicherung“ gesprochen.

Kommission und Rat haben dazu eine Empfehlung gegeben, die erst ab 2030 greifen soll. Aber bereits jetzt leben viele Menschen in Armut, weil die nationalen Mindestsicherungen nicht ausreichen.

Wir fordern daher, dass sich ihre Höhe an den jeweiligen Armutsgefährdungsgrenzen der Länder ausrichtet. Sie entsprechen 60% des mittleren Nettoeinkommens (Medianeinkommen) der Bevölkerung eines Landes. Da die wirtschaftliche Situation und das Einkommensniveau in den EU-Staaten sehr unterschiedlich sind, macht es keinen Sinn, für alle Staaten dieselbe absolute Zahl zu fordern. Stattdessen geht es darum, in allen EU-Ländern zu garantieren, dass niemand weniger als 60% des jeweiligen nationalen Medianeinkommens (netto) zur Verfügung hat (Erläuterung siehe unten).

Wenn diese 60% des Medianeinkommens nicht durch eigene Kraft erwirtschaftet werden können, dann sollen steuerfinanzierte staatliche Transferleistungen bis zu dieser Grenze greifen. In Deutschland fordern wir dementsprechend ein armutsfestes Mindesteinkommen von 1.250 Euro in allen Lebenslagen (z.B. Erwerbslosigkeit, Alter, Ausbildung oder Studium).

  • Verbindliche Mindeststandards in den sozialen Sicherungssystemen der EU-Länder. Die Sozialleistungen für Kinder und Erwerbslose und die Renten müssen in allen Mitgliedstaaten mindestens so hoch sein, dass sie wirksam vor Armut schützen. Soziale Standards in den EU-Ländern dürfen niemals nach unten, sondern nur nach oben angeglichen werden.
  • Eine europaweite Mindestrente, die garantiert, dass alle Menschen im Alter sicher vor Armut sind.
  • Die Europäische Kindergarantie soll sicherstellen, dass jedes Kind in Europa, das von Armut oder Ausgrenzung bedroht ist, einen Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Bildung hat. Um jedoch Kinderarmut wirksam zu bekämpfen soll, braucht es europaweit eine Kindergrundsicherung, die das soziokulturelle Existenzminimum für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in allen EU-Staaten garantiert.

In Europa sind ungefähr 700 000 Menschen obdachlos. In den vergangenen zehn Jahren ist ihre Zahl um 70% gestiegen. Das ist ein Skandal! Wir wollen Obdachlosigkeit abschaffen, indem in bezahlbaren Wohnraum investiert wird und Obdachlose sozialpädagogisch unterstützt werden. Obdachlosen Menschen müssen als erstes eine Mietwohnung vermittelt bekommen, damit sie einen Stabilitätsanker für ihr Leben haben. Danach folgen andere soziale Leistungen wie Suchthilfe, Arbeitsplatzsuche oder Qualifizierung. Dieser Ansatz wird in der Fachsprache als „Housing First“ bezeichnet. Dass er funktioniert, haben einzelne Länder, wie z.B. Finnland, erfolgreich vorgemacht.

Die Linke im EP fordert: Verbot der Zwangsräumung in allen EU-Mitgliedsstaaten. Dann kann niemand einfach auf die Straße gesetzt werden.

Die Unterschiede zwischen den reichsten und den ärmsten Regionen in der EU wachsen weiter. Das liegt an der rigiden Kürzungspolitik (Austeritätspolitik). Wenn die öffentlichen Dienste und die Sozialleistungen gekürzt werden, trifft es die Ärmsten am härtesten. Der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ verpflichtet die EU-Staaten, die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Als Folge wurden öffentliche Einrichtungen (Krankenhäuser, Wohnungsgesellschaften, Verkehrsbetriebe u.a.) verkauft, sozialstaatliche Leistungen zurückgefahren und arbeitsmarktpolitische Schutzrechte der Beschäftigten geschliffen. Das Angebot in der Daseinsvorsorge ist eine Klassenfrage. Mit einer gut ausgebauten öffentlichen Daseinsvorsorge bekämpfen wir Armut in Europa.

 

Wie wir das bezahlen

Wenn dafür Unternehmen und Reiche stärker in die Pflicht genommen werden, dann ist das überall finanzierbar.

  • Daher fordern einen europaweiten Korridor für die Besteuerung hoher Vermögen, Erbschaften und Schenkungen,
  • eine globale Mindeststeuer für Unternehmen von 25%,
  • Übergewinnsteuer von 90% auf die Krisengewinne großer Konzerne.

Die EU-Kommission verspricht seit Jahren, die Armut in Europa zu bekämpfen. Zuletzt kündigte sie im Frühjahr 2021 an, die Zahl der armen Menschen bis 2030 um mindestens 15 Millionen (davon mindestens 5 Millionen Kinder) zu verringern. Passiert ist jedoch wenig. Wenn die EU so weitermacht, dauert es noch 229 Jahre, bis Armut abgeschafft ist.

Stattdessen ist die Kluft zwischen Arm und Reich größer geworden. Mittlerweile ist in der EU mehr als jede*r Fünfte von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Zudem sind mehr als 20 Millionen Menschen trotz Erwerbsarbeit von Armut bedroht.

 

Begriffsklärungen:

Das Medianeinkommen bezeichnet die Einkommenshöhe genau zwischen der unteren Hälfte der Bevölkerung und der oberen Hälfte. Es wird verwendet, um Armut zu berechnen. Dabei wird das Risiko, in Armut zu leben, bei einem Schwellenwert von 60% des Medianeinkommens festgemacht. Dies markiert die sog. Armutsrisiko– oder Armutsgefährdungsgrenze. Menschen, die weniger als das zur Verfügung haben, gelten als armutsgefährdet. Haben sie weniger als 50% des Medianeinkommens, dann unterschreiten sie damit das sozio-kulturelle Existenzminimum und gelten als manifest arm.

Die Niedriglohnschwelle markiert einen Bruttostundenlohn, der zwei Dritteln des  Median-Bruttostundenlohns entspricht. Dieser Schwellenwert lag im April 2023 bei einem Bruttoverdienst von 13,04 Euro pro Stunde. Der Median-Bruttoverdienst lag bei 19,56 Euro pro Stunde. 16% der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten im April 2023 im Niedriglohnsektor. Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes 2015 sinkt die Zahl der Niedriglöhner*innen konstant.