REGI NEWs Oktober 2021
Woche der Städte und Regionen – Regionalförderung für Städte, Digitalisierung, Gesundheit – Energiepreise – Eurobarometer und Regionenbarometer
Woche der Städte und Regionen
Die Europäische Woche der Städte und Regionen ist die größte jährliche Veranstaltung zur Kohäsionspolitik in Brüssel. Als Kommunikations- und Vernetzungsplattform bringt sie Regionen und Städte aus ganz Europa zusammen und will zur Förderung des politischen Lernens und des Austauschs bewährter Verfahren beitragen. Trotz der COVID-19-Pandemie fand sie – nun schon zum zweiten Mal – in digitaler Form statt und stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Themen: · Grüner Wandel · Zusammenhalt · Digitaler Wandel · Bürgerengagement.
Unmöglich, einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Workshops zu geben, die von Vertreter*innen aus Städten, Regionen, Kommunen, ihren europäischen Dachverbänden, Wissenschaftseinrichtungen und EU-Politiker*innen aus allen EU-Ländern und den Nachbarländern gemeinsam organisiert wurden. Ein gemeinsames Element jedoch war stets, wie globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Inklusion, digitale Entwicklung vor Ort angegangen werden können und wie die durchaus vorhandenen Programme, Strategien, Fördertöpfe auf EU-Ebene dazu genutzt werden können.
Einen festen Platz in der Woche der Regionen und Städte hat das Jahrestreffen der Regionalpolitischen Arbeitsgremien des Europaparlaments (EP) und des Ausschuß‘ der Regionen (AdR).
Mit 392 Mrd. EUR für den Zeitraum 2021-2027 bleibt die Kohäsionspolitik die wichtigste EU-Investitionspolitik, um die Unterschiede zwischen den EU-Regionen zu verringern und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in der Union zu stärken. Mehr denn je richten sich die Erwartungen vor Ort auf Unterstützung durch die EU, um den Wiederaufbau nach der Corona-Krise und nach Naturkatastrophen zu fördern, alle EU-Regionen auf neue Herausforderungen und Strukturwandel vorzubereiten und vor allem zu verhindern, daß die ärmsten Regionen vollends abgehängt werden.
Mit dem Ziel, mindestens 30 % der EU-Mittel auf den Kampf gegen den Klimawandel zu konzentrieren, wurde die neue Generation von Kohäsionsfonds auch zu einem der wichtigsten Investitionsinstrumente des Grünen Deals. Auch das Ziel, die EU digital inklusiver zu gestalten gehört zu den Prioritäten der EU-Kohäsionspolitik.
Die Dach-Verordnung über die Fonds 2021-27 ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Doch bisher wurde nur ein einziges Partnerschaftsabkommen (mit Griechenland) von der Kommission angenommen. Nicht nur hatten die politische Aushandlung und Inkrafttreten des EU-Haushalts und damit auch der neuen Kohäsionspolitik erneut mehr Zeit benötigt als vorgesehen. Auch die Covid19-Pandemie erschwert die Arbeit daran und die Ausarbeitung an den Anträgen der Mitgliedstaaten an die Wiederaufbau- und Resilienz-Fazilität (RRF) scheint vielerorts Priorität zu haben. Mit REACT-EU, dem Just Transition Fonds und der Brexit-Reserve sind in den vergangenen zwei Jahren neue, zeitlich begrenzte Fonds geschaffen worden, um zusätzliche EU-Hilfen in besonderen Situationen anbieten zu können.
Die REGI-Mitglieder des EP und des AdR diskutieren mit der Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira, wie wichtig die umfassende Beteiligung der Regionen, Städte und Kommunen bei der Planung und Umsetzung der Notfallhilfen aus dem zeitlich befristeten Wiederaufbauprogramm RRF und den langfristigen Förderprogrammen der Kohäsionspolitik ist. Alle EU-Politiken und Förderwege müßten am gleichen Strang ziehen: für sozial ausgewogene, klimagerechte und digital moderne Wege aus der Corona-Krise aber auch aus anderen anhaltenden Herausforderungen wie Energiearmut, Wohn- und Mietenpreisspirale, Brexit-Folgen, Kohleausstieg, Folgen der Klimaveränderungen, demographischem Wandel, Stadt-Land-Unterschieden oder Migration. Einerseits stand seitens der EU selten so viel Geld zur Verfügung. Die Erwartungen besonders junger Menschen an die EU sind groß. Das politische Instrumentarium ist ein Teilen vorhanden, in Teilen im Aufbau. Doch nun müssen all diese Möglichkeiten nicht nur genutzt, sondern auch sinnvoll zusammenpassend eingesetzt werden. Die Verantwortung dafür liegt bei allen Ebenen von der EU-Kommission, dem Europaparlament, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und Regionen bis hin zu den Kommunalvertretungen und -verwaltungen. Ohne die Sachkenntnisse aller Ebenen, deren Netzwerke in die Gesellschaft und die gegenseitige Unterstützung kann Europa nicht funktionieren und wird Europa nicht vor Ort ankommen.
Aktuell im REGI-Ausschuß
Neben der Jahrestreffen mit dem AdR (siehe oben), fanden in dieser Woche im REGI Aussprachen zu zwei Initiativberichten statt, die sich einigen der genannten Herausforderungen widmen: „Die Rolle der Kohäsionspolitik bei der Förderung eines innovativen und intelligenten Wandels und der regionalen IKT-Konnektivität“ und „Die Kohäsionspolitik als Instrument zur Verringerung von Unterschieden bei der Gesundheitsversorgung und zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich“. Bereits im September wurde der Entwurf eines Berichts über „Herausforderungen für städtische Gebiete in der Zeit nach der Covid-19-Krise“ vorgestellt.
Energiepreise: Schwache Antwort auf Energiearmut
In der vergangenen Woche standen die aktuelle drastisch steigenden Energiepreise im Plenum des Europaparlaments zur Debatte. Eine Woche später schlägt nun die EU-Kommission einen Werkzeugkasten vor, um Verbraucher und Unternehmen zu entlasten. Schon vor einem Jahr ging sie selbst davon aus, daß es sich fast 34 Millionen Europäerinnen und Europäer können nicht leisten können, ihre Wohnung zu heizen. Die jetzt vorgestellten Sofortmaßnahmen sind jedoch eher vorsichtige Empfehlungen an die Mitgliedstaaten. Diese erhalten den Hinweis, was unter geltendem EU-Recht möglich ist. Einkommensunterstützung im Notfall für von Energiearmut betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher, z. B. durch Gutscheine oder teilweise Begleichung von Energierechnungen, Genehmigung von Zahlungsaufschüben für Energierechnungen, nationale Vorkehrungen zum Schutz vor Stromabschaltungen, Einführung vorübergehender, gezielter Senkungen der Steuersätze für schutzbedürftige Haushalte, Hilfen für Unternehmen oder Industriezweige – alles Bitteschön im Einklang mit dem Beihilferecht und auf eigene Kosten. Es stimmt, der Europäische Green Deal ist mit einigen Gesetzesvorschlägen auf den Weg gebracht. Auch wurde kürzlich ein Vorschlag für einen unzureichend ausgestatteten „Klimasozialfonds“ auf den Tisch gelegt, der auch noch aus einem Anteil des Emissionshandels für Gebäude und Verkehr finanziert werden soll. Ein wirkliches Umdenken beim Energiebinnenmarkt hin zu Energie als öffentlichem Gut ist ebensowenig zu erkennen wie beispielsweise ein europäischer Strompreisdeckel oder ein EU-weites Verbot von Stromsperren für private Haushalte. Statt angesichts steigender Gaspreise nun auf verstärktes gemeinsames Handeln für den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen, auf rasche Investitionen in energiesparende Infrastruktur rufen einige Mitgliedstaaten nun gar nach einer Rückkehr zur Ausbau von Atomkraftwerken und fordern, Kernkraft in den Katalog nachhaltiger Energien aufzunehmen – und damit dauerhaft förderfähig aus EU-Mitteln.
Eurobarometer: Mehr EU-Bürger*innen wissen und schätzen EU-Förderpolitik
Bereits in der vergangenen Woche wurde eine Eurobarometer-Umfrage veröffentlicht, aus der hervorgeht, daß fast 70 % der Befragten einen der kohäsionspolitischen Fonds (EFRE, ESF, Interreg oder Just Transition Fund – JTF) kennen. Damit wäre die Kohäsionspolitik nach dem Austauschprogramm Erasmus die zweitbekannteste Politik unter den europäischen Bürgern. 69 Prozent der Befragten sind sich der kohäsionspolitischen Initiativen im Zuge der Corona-Pandemie bewußt, in Deutschland, wo allein dank REACT-EU rund 1,9 Mrd. Euro zusätzlich zur Verfügung stehen, sind es immerhin 63 Prozent. Die Umfrage zeigt außerdem, daß das Bewußtsein für EU-geförderte Projekte auch insgesamt zunimmt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 41 Prozent – um 7 Prozent höher als noch vor zehn Jahren. Von den Befragten, die EU-Förderprojekte kennen, sehen 80 Prozent positive Auswirkungen für die Region.
Wichtigste Bereichen für Investitionen aus den Fördertöpfen der EU-Regionalpolitik sind für die Befragten Bildung, Gesundheit oder soziale Infrastruktur 92 %), gefolgt von Umwelt (91 %) und erneuerbarer und sauberer Energie (87 %). Den Befragten sollten Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit (69%), benachteiligte städtische Gebieten (55 %) sowie abgelegene ländlichen Gebiete oder Berggebieten (54 %) höchste Priorität bei der EU-Regionalpolitik erhalten.
Regionen-Barometer: Regionen und Kommunen unter starkem finanziellen Druck
Die Covid-19-Pandemie belastet regionale und lokale Gebietskörperschaften massiv: Bis 2020 wäre entstanden Finanzierungslöcher von 130 Milliarden Euro für die regionale und mittlere Ebene und 50 Milliarden Euro für die kommunale Ebene. Verursacht wird diese Situation durch die Kombination zweier Phänomene: Mehrausgaben für Corona-Maßnahmen und Mindereinnahmen aufgrund verringerter Wirtschaftstätigkeit, Steuer-, Zoll- und Gebühreneinnahmen. Diese Erkenntnisse sind vor Ort sicher nicht unbekannt, doch seit dem 12. Oktober liegen sie sozusagen EU-amtlich vor: Nämlich in der zweiten Ausgabe des Regionen- und Städtebarometers, das am Dienstag vom Europäischen Ausschuß der Regionen veröffentlicht wurde.
Im Jahr 2020 ging das Bruttoinlandprodukt im EU-Durchschnitt im Vergleich zu 2019 um 6 % zurück. Doch dahinter verbergen sich aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituationen, aber auch aufgrund der bereitgestellten Gesundheitsmaßnahmen, starke regionale Unterschiede. Somit liegen die am stärksten betroffenen Regionen hauptsächlich im Süden Europas, den griechischen (ca. -9%), spanischen (ca. -10 %) und kroatischen (ca. -9 %) Regionen. Dagegen verzeichneten die Regionen Luxemburg (rund +1%) und Irland (rund +3%) im gleichen Zeitraum ein BIP-Wachstum.
Das Regionale Barometer enthält auch Daten zu den Folgen des Brexit für Regionen und Kommunen. Trotz Verweis darauf, daß die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht 100% von denen der Corona-Krise zu trennen sind, ist doch klar, daß die Handelsbeziehungen leiden und ebenso deutlich die grenzüberschreitende Mobilität der Menschen, die Forschungszusammenarbeit und der Studierendenaustausch.