EU-Hilfen für Kommunen? – Studie der LINKEN zeigt Stärken und Verbesserungsbedarf
Forschungsdaten zur Verwendung von Regionalfonds durch Kommunen während der Pandemie im Europaparlament vorgestellt
Die Kommunen überall in der EU kämpfen an vorderster Front, um die Folgen der COVID-19-Pandemie zu bezwingen. Bei der Aufrechterhaltung öffentlicher Dienstleistungen sind viele auch auf Mittel aus den Kohäsionsfonds der EU angewiesen, so eine neue Studie, die von uns LINKEN im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde.
Verfasst von drei Experten des „European Policies Research Centre“ in Delft und Glasgow, untersuchte die Studie „EU-Hilfen für Kommunen? – Nutzung der EU-Kohäsionsfonds auf kommunaler Ebene als Reaktion auf COVID-19: aktuelle Erfahrungen und Erkenntnisse für die Zukunft“ im Detail, wie regionale Gebietskörperschaften die EU-Regionalförderfonds nutzten, um Lücken bei den öffentlichen Finanzen und Dienstleistungen zu schließen. Denn in der die krisenbedingten Schieflage ist es durchaus nicht so, dass die Unterstützung der nationalen Regierungen ausreicht, um steigende Ausgaben bei sinkenden Steuereinnahmen auszugleichen.
Die Autoren untersuchten sechs spezifische Fallstudien – Lanarca in Zypern, Bastia auf Korsika, Rotterdam, Slowenien und die deutsch-polnischen Grenzregion Frankfurt an der Oder / Słubice und werteten bereits vorhandene Berichte aus. Gefragt wurde, ob und wie Gelder in den Kommunen ankamen und was man aus guten und weniger guten Erfahrungen bei der Organisation und Verteilung der Kohäsionsfonds in den verschiedenen Krisenhilfepaketen der EU lernen kann.
Am Mittwoch dieser Woche wurde diese Studie nun im Online-Gespräch öffentlich vorgestellt.
Die Studie identifiziert fünf zentrale Bereiche, in denen Verbesserungen sinnvoll wären:
- die Rolle der Kohäsionspolitik bei kurz- und mittelfristigen Krisenreaktionen und bei der Unterstützung der Erholung: Die Autoren argumentieren, dass die bereits bestehenden Unterschiede zwischen Regionen und Kommunen durch die Pandemie verschärft wurden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise waren für bestimmte Branchen wie Einzelhandel, Tourismus und Gastgewerbe besonders hart. Die Unterstützung durch die Europäische Union, insbesondere durch die Strukturfonds und weitere EU-Hilfspakete*, spielt eine wichtige Rolle bei der Überwindung dieser Problemlagen.
- die Notwendigkeit einer vertikalen und horizontalen Koordinierung: Sowohl die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Regierungsebenen als auch die Kooperation zwischen den Kommunen selbst und zwischen öffentlichen und privaten Akteuren ist zentral für den gemeinsamen Erfolg vor Ort. Die Krise hat auch die entscheidende Rolle der Verkehrsverbindungen für die Fortsetzung der Wirtschaftstätigkeit deutlich gemacht.
- die territoriale Dimension der Kohäsionspolitik und die Einbettung der lokalen Ebene als aktiver Teilnehmer: Die Instrumente, die bereits vorhanden sind, um die direkte Steuerung der kohäsionspolitischen Investitionen durch die Kommunen zu erleichtern (wie ITI oder CLLD/LEADER), sollten gestärkt werden. Ebenso ist es bei den neuen EU-Wiederaufbaupaketen React-EU und Wiederaufbaufonds RRF wichtig, die Regionen und Kommunen von Anfang an in die Planung und Umsetzung politischer Maßnahmen einzubeziehen.
- Kapazitätsaufbau auf lokaler Ebene und interkommunale Zusammenarbeit: Die Lage der Kommunen bleibt weiterhin ernst angesichts der großen Betroffenheit, der Krisendauer und der finanziellen Situation. Neben hinreichenden finanziellen Unterstützungsangeboten ist es sowohl wichtig als auch erwiesenermaßen erfolgversprechend, die Kommunen beim Aufbau personeller Kapazitäten, beim Erfahrungsaustausch und bei der Netzwerkentwicklung zu unterstützen.
- die Rolle der Institutionen auf EU-Ebene bei der Mobilisierung der lokalen Ebene: Neben der Aufgabe der – stets verbesserungsfähigen – EU-Gesetzgebung an sich haben die EU-Institutionen auch eine Mitverantwortung, zusammen mit den kommunalen Akteuren das gemeinsame europäische Engagement bei der Überwindung der Krise ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu rücken.
Das EPRC stellt die Schaubilder zur Studienpräsentation freundlicherweise auf seinen Internetseiten zur Verfügung.
Martina Michels, (DIE LINKE/ Deutschland, Koordinatoring der Linken im Ausschuss für regionale Entwicklung) kommentierte:
„All diese Ergebnisse müssen wir umfassend nutzen.
In der COVID-19-Pandemie, von der wir seit dem vergangenen Jahr auf allen Ebenen heimgesucht werden, standen und stehen Gemeinden in der gesamten EU an vorderster Front, wenn es darum geht, den Menschen vor Ort direkte Unterstützung anzubieten.
Mit ihnen gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass diese Krise nicht zu noch größeren Unterschieden zwischen Arm und Reich führt.
Die Schließung dieser Lücke und die Gewährleistung menschenwürdiger und gleichwertiger Lebensbedingungen für alle bleiben ein entscheidendes Ziel für uns. Die langjährige neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik wird in der Krise sachte infrage gestellt. Wir sollten sie endlich beenden.
Diese Krise bietet durchaus neue Möglichkeiten, aber nur, wenn wir die starke Solidarität, die in den ersten Monaten der Krise deutlich geworden ist, aufrechterhalten und verstärken. In unserer Studie werden solche Beispiele in der EU vorgestellt.“
Tatsächlich bestätigte Dr. Martin Ferry, dass bei den Forschungsarbeiten die Überzeugung entstand, dass bei Arbeit und Zusammenarbeit der Kommunen „Corona-Nationalismus“ keine Rolle spielte. Im Gegenteil habe die gemeinsame Betroffenheit zu mehr Solidarität über kommunale und nationale Grenzen hinweg geführt.
Der Vorsitzende des REGI-Ausschusses, Younous Omarjee (La France Insoumise, Frankreich), fügte hinzu:
„COVID-19 hat die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vor enorme Herausforderungen gestellt.
In dieser Hinsicht steht die Kohäsionspolitik an vorderster Front, wenn es darum geht, sie bei der Bewältigung dieser beispiellosen Krise zu unterstützen. Diese Studie beleuchtet die Erfahrungen der Regionen und Städte, ihren Beitrag zur Umsetzung der Kohäsionspolitik und die Bereiche, in denen Verbesserungen möglich sind.
Die Wirtschaftsgovernance muss endlich auf Zusammenhalt, soziale und Klimaschutzziele aufbauen, statt auf bloßem Wettbewerb und Sparzwängen.“
Zugeschaltet aus Griechenland betonte Dimitris Papadimoulis (Syriza, Koordinator der Linken im EP-Haushaltsausschuss) die Bedeutung der Kohäsionspolitik, „insbesondere in einer Zeit, in der sich die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede in unseren Regionen enorm vergrößert haben. Ein Bottom-up-Ansatz mit Kommunen und Regionen, die an der Politikgestaltung beteiligt sind, ist absolut entscheidend, auch in Bezug auf den Wiederaufbaufonds“.
* EU-Fonds & Unterstützungspakete, darunter REACT-EU, die Aufbau- und Resilienzfazilität (RFF) sowie die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise (CRII) und die Investitionsinitiative Plus zur Bewältigung der Coronavirus-Krise (CRII +).
Die Studie kann in vier Sprachen (EN, DE, FR, EL) auf der Website der Fraktion THE LEFT im Europaparlament abgerufen werden (siehe dort im unteren Teil der Seite).
Das EU-Nachrichtenportal www.euractiv.de hat über die Veranstaltung berichtet: Studie der EU-Linken: Lokalpolitik braucht Koordination gegen COVID – EURACTIV.de
Study: Coordination key to getting EU aid into regions during pandemic – EURACTIV.com (10/03/2021)
Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube angeschaut werden: Municipalities’ use of EU cohesion funds in response to Covid-19 – YouTube .