US-Wahlen: Neuer Präsident, altbekannte Herausforderungen

Mit dem Sieg Joe Bidens im Bundesstaat Pennsylvania erreicht der demokratische Präsidentschaftskandidat die erforderliche Mehrheit von über 270 Wahlmännern. Zum Ausgang der US-Wahlen erklärt Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) des Europaparlaments:

„Das Wahlergebnis ist denkbar knapp. Es handelt sich in erster Linie um eine Wahl gegen Donald Trump, weniger um eine Wahl für Joe Biden, wie Umfragen deutlich machen. Mit der Abwahl Trumps endet die Hetze aus dem Oval Office gegen Minderheiten und Andersdenkende und das ist eine gute Nachricht! Herzlichen Glückwunsch an die US-Amerikaner*innen, die die anti-demokratischen Tendenzen von Trump vor und während der Auszählung nicht durchgehen ließen. Es bleibt zu hoffen, dass Trump das Ergebnis auch akzeptiert wird, statt weiter Spannungen zu erzeugen.“

„Mit dem designierten US-Präsidenten Joe Biden kehrt nun rhetorische Entspannung in die Innen- und Außenpolitik der USA zurück. Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Die Polarisierungen und Widersprüche der US-Innen- und Außenpolitik lösen sich nicht auf. Der Kampf um Einflusssphären, Rohstoffe und Absatzmärkte wird weiterhin robust geführt werden – zum Teil auch militärisch. Insbesondere in Hinblick auf China deuten Aussagen aus Bidens Beratungs-Team darauf hin, dass hier für Entspannung wenig Hoffnung bleibt. Demnach will Biden die NATO enger zusammenführen, um sich stärker gegen China aufzustellen. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang, dass Biden im Wahlkampf eine Erhöhung des US-Rüstungsetats in Aussicht stellte. Biden selbst machte also deutlich, dass er, ebenso wenig wie Trump, für eine echte Abrüstungs- und Entspannungspolitik eintreten wird. In Anbetracht der Handelskriege sowie der offen ausgetragenen militärischen Konflikte wäre dies aber notwendig.“

„Die in diesem Zusammenhang mit der US-Wahl stehenden Apelle nach einer eigenständigeren, europäischen Außenpolitik sind irreführend. Denn mit den Battlegroups, PESCO und dem Europäischen Verteidigungsfonds sind in der EU längst die Weichen gestellt. Mit dem Schlagwort ’strategische Autonomie‘ unterfüttert die EU eigene geostrategische und ökonomische Kapitalinteressen mit militärischen Fähigkeiten. Selbstverständlich wäre es zu begrüßen, wenn die EU stärker auf Abstand zu den Interventionskriegen der USA gingen. Aber es wäre nichts gewonnen, wenn an deren Stelle eigenes Großmachtstreben der EU rückt. Die Menschen in den USA und in Europa sehnen sich nach einer tatsächlichen Entspannungs- und nachhaltigen Friedenspolitik. Dies kann aber nicht mit den in der EU bereits eingeleiteten Aufrüstungsmechanismen und Initiativen erreicht werden, sondern durch ein Forcieren nachhaltiger Abrüstungsinitiativen. Das ist eine Lehre aus der europäischen Geschichte selbst. Trump schoss gegen Abrüstungsinitiativen, Biden wird sie auch nicht voranbringen. Das kann also nur – so viel ist jetzt schon klar – mit weiterem Druck aus der Bevölkerung in der EU, in den USA und weltweit erreicht werden.“