Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der EP-Linksfraktion GUE/NGL in der Plenardebatte des Europäischen Parlaments in Straßburg am 22. Oktober. Thema sind die Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates (Staats- und Regierungschefs bzw. -Chefinnen) aus der vorigen Woche, der Brexit sowie die türkische Invasion in Nordsyrien.

„Vielen Dank, Herr Präsident, Die Ergebnisse des Europäischen Rates vom zurückliegenden Wochenende lassen nicht nur viele Fragen offen, sondern haben ganz offenkundig einige Probleme gar nicht lösen können und wollen und andere Diskussionen haben sogar zu einer Verschlechterung des Status Quo Ante geführt. Aber der Reihe nach: Bei der Diskussion um den Beitritt Nord-Mazedoniens und Albaniens zur EU haben Sie kurzerhand eine Staats- und Regierungskrise in Nord-Mazedonien ausgelöst.

Die Debatte um den Mehrjährigen Finanzrahmen wird ohne konkrete Zahlen geführt. Und wie die Staats- und Regierungschefs Sie ihre selbstgesteckten klimapolitischen Ziele erreichen wollen, wissen sie offenkundig selber nicht. Ich bin froh, dass der Rat die politische Einschätzung meiner Fraktion übernommen hat und mittlerweile die Position teilt, dass die militärische Intervention der Türkei in Nordsyrien und der Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden nicht durch internationales Recht gedeckt und damit völkerrechtswidrig sind. Aber wenn Rat und Kommission schon von derselben Analyse wie wir ausgehen, warum bleiben Sie dabei stehen und übernehmen nicht auch unsere politischen Forderungen.

Es könnte so einfach sein. Wir helfen Ihnen ja gern: Verhängen Sie einen sofortigen Stopp der Waffenexporte an die Türkei und – wichtiger: betreiben Sie die Anerkennung der kurdischen Selbstverwaltung. Dieser ökonomische und politische Druck würde maßgeblich zum Schutz der demokratischen Kräfte und der Kurdinnen und Kurden beitragen. Und nun zum Brexit: Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren konstruktiv ihren Beitrag geleistet, um zu einer Lösung in dieser Krise zu finden. Wir werden das auch weiterhin tun. Unsere Priorität lag dabei immer auf der Sicherung des Friedenprozesses in Nordirland und dem Schutz der sozialen Rechte der Millionen von Betroffenen. Jetzt gibt es einen neuen Deal, der ja offenkundig seine Schwierigkeiten hat, das britische Unterhaus zu passieren. Wir warten jetzt auf einen final verhandelten und ratifizierten Text aus London. Damit – falls er überhaupt kommt – werden wir uns in aller Gründlichkeit auseinandersetzen. Das kann ich Ihnen im Namen meiner Fraktion zusichern.

Falls aber kein Text kommen sollte, und das könnte ja passieren, möchte ich für die dann bald anstehende Entscheidung bezüglich einer Verlängerung den Staats- und Regierungschefs einen Rat geben: Stimmen Sie der Verlängerung zu, ermöglichen Sie so den Weg zu Neuwahlen in Großbritannien und wir werden sehen, so manches Problem löst sich manchmal von ganz allein.“