Regional- und Förderpolitik aktuell
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Im Plenum abgestimmt
EP bestätigt Aufstellung des Programms „InvestEU“ – zulasten der Strukturfonds
Das Europaparlament bestätigte in dieser Woche die Weiterführung des Juncker-Investitionsfonds „EFSI“ unter dem neuen Namen „InvestEU“ als fester Bestandteil des EU-Haushalts. Zwar fügt das EP dem Programm zusätzliche Ziele wie die Steigerung der Beschäftigungszahlen in der EU, die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und den wirtschaftlichen, territorialen und sozialen Zusammenhalt hinzu. Gerade zum Klimaschutz soll es mit mindestens 40% seiner Mittel beitragen. Auch soll ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Politik und Bankerfahrung bei der Durchführung des Programms gewährleistet werden, unter anderem dadurch, dass ein vom Europäischen Parlament ernannter Vertreter im Lenkungsausschuss sitzen soll. Verbessert werden soll die Rechenschaftspflicht gegenüber den europäischen Bürgern, indem Kommission und Lenkungsausschuss das Parlament und den Rat jährlich über die Fortschritte, Auswirkungen und Maßnahmen des InvestEU-Programms Bericht unterrichten.
Doch der größte Pferdefuß bleibt, meint Martina Michels: „Der Kommissionsvorschlag, den Strukturfonds für die Regionalpolitik zusätzlich mindestens 5 Prozent der Gelder zu entziehen, um sie dem Finanzinstrumentenkasten InvestEU über die sogenannte Mitgliedstaaten-Komponente zuzuschlagen, ist schon aus finanziellen Gründen kontraproduktiv und hätte gestrichen werden müssen. Hier werden Anreize für die Mitgliedstaaten geschaffen, Mittel aus der Kohäsionspolitik umzuwidmen, um so gemeinsam vereinbarten konkreten politische Zielstellungen der Förderpolitik für die Regionen und damit verbundene Vorgaben zu umgehen. Auch ist der bisherige Nutzen des Juncker-Investitionsfonds EFSI (dem Vorgänger des InvestEU) für die strukturschwächsten und Übergangsregionen wenig überzeugend.“
INTERREG – grenzübergreifende Zusammenarbeit in der EU soll gestärkt werden
Stärker als im Entwurf der EU-Kommission für die kommende Förderperiode ab 2021 wird die Rolle der direkten grenzübergreifenden Zusammenarbeit betont und die maritime Zusammenarbeit auch künftig als Bestandteil des Programms festgelegt. Die vorgesehenen Mittelkürzungen will das Europaparlament ebenso wenig hinnehmen wie eine Absenkung der Ko-Finanzierung (also des Anteils, den die EU fördert) von 85 auf 75 Prozent. Die Einführung eines neuen Programmbestandteils ‚Innovationsinvestitionen‘ solle nicht zulasten der bewährten Bestandteile erfolgen, sondern durch zusätzliche Mittel gespeist werden. Auch will das EP, dass Interreg-Projekte von Verboten staatlicher Beihilfe ausgenommen werden, da sie kaum Auswirkungen auf den EU-Binnenmarktwettbewerb haben und so aufwendige Kontrollen vermieden werden können. Die ab 2021 expliziter vorgesehene Förderung für Klein- und Bürgerprojekte will das EP stärken, unter anderem durch höhere finanzielle Zuweisungen.
Martina Michels kommentiert: „Ich freue mich über das deutliche Votum im Plenum. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit in der EU muss gestärkt werden. Die Europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ) hat mit dem Programm INTERREG in den vergangenen Jahrzehnten viel zu gelebten, guten Nachbarschaftsbeziehungen in der Europäischen Union beigetragen, indem mithilfe dieses Programm gemeinsame Herausforderungen auf lokaler und regionaler Ebene über nationale Grenzen hinweg gemeinsam angepackt werden können. Auch das PEACE-Programm für Irland wird über INTERREG finanziert. Mit einem immer näher rückenden Brexit wird es umso wichtiger, es zu erhalten.“
EP gibt nur eingeschränkt grünes Licht für ein neues Instrument zum Schutz des EU-Haushalts und zur Achtung der EU-Werte .
Ein neues Gesetz soll es der Kommission ermöglichen, bei Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in einem Mitgliedstaat Maßnahmen zur Behebung dieser Mängel einzufordern. Sichergestellt werden sollen
- die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden des Mitgliedstaats, die den Haushaltsplan der Union ausführen;
- die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden, welche die Finanzkontrolle durchführen;
- die ordnungsgemäße Verfolgung von Betrugsdelikten, einschließlich Steuerbetrug, Korruptionsdelikten und anderen Verstößen gegen Unionsrecht im Zusammenhang mit der Ausführung des Haushaltsplans der Union;
- die wirksame gerichtliche Kontrolle behördlicher Handlungen durch unabhängige Gerichte;
- die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Beträge;
- die Verhütung und Ahndung von Steuerhinterziehung und Steuerwettbewerb;
- die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und, unter gegebenen Umständen, mit der Europäischen Staatsanwaltschaft.
Verschiedene Maßnahmen gegen die Regierung eines EU-Landes können ergriffen werden, um diese Anforderungen durchzusetzen, darunter das Aussetzen von Zusagen bzw. Zahlungen oder die Verringerung von Vorfinanzierungen.
Das Europaparlament ändert den Gesetzesentwurf nun dahingehend, dass zum einen solche Maßnahmen erst nach der Annahme durch das Parlament und den Rat umgesetzt werden können. Zum anderen legt es fest, dass die Regierung das von der Maßnahme betroffene Programm oder den von der Maßnahme betroffenen Fonds selbst ausführen und insbesondere Zahlungen an Endempfänger oder Begünstigte tätigen muss. Die Kommission muss sicherstellen, dass alle geschuldeten Beträge auch tatsächlich an die Endbegünstigten ausgezahlt werden.
Die LINKE. im EP steht der Idee, Rechtsstaatlichkeit durch die Drohung von Fördergeldkürzungen zu erzwingen skeptisch gegenüber: „Rechtsstaatlichkeit stellt sich nicht her, indem man Regionen doppelt bestraft – Mittelkürzungen bei notwendigen regionalen Investitionen oder gar Projekten zur Förderung des demokratischen Zusammenlebens wären wirklich das unsinnigste Instrument und würden Regionen, Kommunen und Bürgerinitiativen für das Versagen ihrer nationalen Regierungen bestrafen. Zugleich muss natürlich gelten, dass EU-geförderte Projekte selbst demokratischen und inklusiven Kriterien folgen. Zudem muss für das Europaparlament Mitspracherecht bei solch einem Verfahren vorgesehen sein.“, sagte Martina Michels bereits nach Vorlage des Entwurfes.
Der vollständige Titel lautet „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten“. Sie ist Teil des Gesetzespakets für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2021-2027.
Europäischer Sozialfonds + oder doch minus?
Abgestimmt wurde in dieser Woche auch über den künftigen Europäischen Sozialfonds. Der ESF+ ist der soziale Haushalt der EU. 113 Millionen arme Menschen leben in der EU. Auch dank des Einsatzes der LINKEN. im EP stimmte die Parlamentsmehrheit dafür, dass mehr Geld des ESF+ für arme Bürger*innen und insbesondere Kinder genutzt werden soll. Doch die Regierungen wollen Geld für den ESF+ wie auch für die anderen Struktur-und Regionalfonds kürzen und unter anderem mehr in die Aufrüstung stecken. Der Kampf geht also weiter.
Globalisierungsfonds – besser, aber noch nicht gut
Bei der Abstimmung über den Fonds zur Anpassung an die Globalisierung (EGF) votierte das EP dafür, dass entlassenen Arbeitnehmer*innen in Zukunft wirksamer geholfen werden soll, indem die neuen Vorschriften unter anderem ein breiteres Spektrum an Kündigungsgründen wie etwa Automatisierung, Digitalisierung sowie umweltbedingte Veränderungen, eine niedrigere Zulässigkeitsschwelle – 250 entlassene Arbeitnehmer*innen anstatt 500 wie bisher – vorgesehen ist. (Diese Schwelle liegt allerdings noch zu hoch, als dass einer Mehrheit der von Entlassung betroffenen geholfen werden kann.) Auch sind ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren für die Abrufung des Fonds sowie die Anpassung der Ko-Finanzierungssätze vorgesehen. Der derzeit bei 60% liegende Ko-Finanzierungssatz wird an die für den betreffenden Mitgliedstaat geltenden höchsten Ko-Finanzierungssätze des ESF+ angepasst. Das bedeutet, dass die EU in mehreren Fällen einen höheren Anteil der Gesamtkosten finanziert. Für den Zeitraum 2021-2027 soll der nun “European Transition Fund‘ (ETF) genannte Fonds mit 1,6 Milliarden Euro ausgestattet werden.
Laufende Arbeiten im REGI-Ausschuss
Auf Ausschussebene laufen die Verhandlungen um eine Reihe der regionalpolitischen Instrumente auf Hochtouren.
Allen voran natürlich über die Dachverordnung über alle Strukturfonds. Die Abstimmung über den Bericht im Ausschuss steht bereits für den 22. Januar auf der Tagesordnung des REGI.
Nach der im britischen Parlament gescheiterten Abstimmung über ein Abkommen, dass den Brexit regeln könnte, wird der Regionalausschuss am Dienstag einen Eilantrag zum PEACE IV-Programm einbringen. Damit soll sichergestellt werden, dass die für den Friedensprozess so entscheidende grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen dem nördlichen und südlichen Teil Irlands weitergeführt wird. Ähnliches soll für die zwischen Irland, Westschottland und UK bestehende grenzüberschreitende Zusammenarbeit unter Interreg gelten.
Auf dem Plan für die Beratung am 22. Januar steht außerdem eine Aussprache mit der EU-Kommissarin für Regionalpolitik Corina Cretu. Neben der Debatte um die laufenden Verhandlungen um die Strukturfonds ab 2021 haben die MdEP dabei Gelegenheit, sich eingehender nach allen Aspekten des Beitrags und der Bedeutung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds), für die politische Strategie der Kommission bis 2030 zu erkundigen.
Während der Sitzung am 22/1 wird außerdem die Rumänische Ratspräsidentschaft, die zum 1. Januar von Österreich übernommen hat, ihre kohäsionspolitischen Vorhaben vorstellen. Doch obgleich Rumänien seine Ratspräsidentschaft unter das Motto „Kohäsion, ein gemeinsamer europäischer Wert“ gestellt hat, scheint diese Ratspräsidentschaft die Verhandlungen im Rat nicht gerade stark voranzutreiben.
Ebenfalls heiß diskutiert wird aktuell zwischen den politischen Fraktionen der Gesetzesvorschlag über den Fonds für Regionale Entwicklung und den Kohäsionsfonds (EFRE und KF). Hierzu wird sich der Ausschuss voraussichtlich Ende Februar verhalten.
Auch zur künftigen Agrarpolitik, speziell natürlich zu deren Beitrag zur ländlichen Entwicklung, wird sich der REGI in einer Stellungnahme an den federführenden AGRI äußern, voraussichtlich ebenfalls noch im Februar.