Gabi Zimmer in der Debatte „Future of Europe“ mit Griechenlands Premierminister Tsipras

Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.– Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ja, das dritte Memorandum ist vor wenigen Tagen zu Ende gegangen. Das ist sein großer Erfolg, aber – und hier widerspreche ich ausdrücklich Herrn González Pons – es ist eben kein Akt der Solidarität gewesen, sondern es ist eine ungeheure Last gewesen, die den Menschen in Griechenland auferlegt worden ist. Und es kann nicht als das Musterbeispiel dafür gelten, wie künftig mit Krisen in der Europäischen Union umgegangen wird. Das muss klar gesagt werden. Das, was hier geschehen ist, war eine humanitäre Katastrophe, und die haben die Institutionen und insbesondere auch die Rechten mit verursacht, weil sie nämlich meinten, eine linke Regierung in die Schranken weisen zu müssen und sagen zu müssen: Alternativen dürfen gar nicht erst gedacht werden. Das ist ihr Herangehen gewesen!

Allerdings, und auch darüber sind wir uns einig: Euphorie ist heute nicht angebracht. Es ist wirklich noch nicht alles vorbei: Die Schulden existieren ja noch. Sie sind mit dem Ende der Memoranden nicht verschwunden. Die Forderung nach dem Erwirtschaften von Haushaltsüberschüssen bleibt bestehen. Das Land bleibt unter einer gewissen Art von Kontrolle, und die Sicherung einer humanitären Versorgung der Flüchtlinge erfordert viel Engagement seitens der gesamten Europäischen Union. Jetzt müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Griechenland wirklich auch agieren kann. Was ist aus der Schuldenkonferenz geworden? Nicht nur für Griechenland, sondern für alle anderen Staaten, die ebenfalls unter einer Schuldenlast stehen? Es ist doch völlig klar: Bei einem Land wie Italien beispielsweise kann man nicht so agieren, wie man es mit Griechenland getan hat. Wir wissen alle, dass wir vor einer kommenden Finanzkrise stehen. Soll das Ganze wieder wie ein Kartenhaus zusammenbrechen? Wir brauchen Nachhaltigkeit, wir brauchen Stabilität, wir brauchen mehr Demokratie, wir müssen den Menschen in Griechenland, in anderen Mitgliedstaaten endlich ein Zeichen der Hoffnung und der Gemeinsamkeit, der Solidarität geben. 

Was zum Beispiel nicht geht, und das müssen wir nachträglich auch für einander klären: Es geht nicht, dass ein Mitglied der Europäischen Union aus dem europäischen Recht herausgenommen wird, dass seitens der EU, auch seitens der Kommission die Verletzung von Grundrechten billigend in Kauf genommen wird. Dass wir von Grundrechtecharta, Europacharta, Sozialrechtscharta nicht mehr sprechen – das geht alles nicht! Hier erwarten wir ein Umdenken! Nur dann können wir auch den Menschen in der Europäischen Union das Signal geben, was es ausmacht, in einer gemeinsamen Union zu sein. 

Und im Übrigen, wer repräsentiert denn die Zukunft der EU? Das sind für mich vor allem jene Menschen, jene Griechinnen und Griechen gewesen, die mit großem Mut und hohem Engagement soziale Netzwerke der Solidarität aufgebaut haben, sei es als Nachbarschaftshilfe, medizinische Versorgung, vieles andere mehr. Sie haben die Botschaft übermittelt, dass es die Solidarität zwischen den Menschen, die Solidarität auch zwischen den Völkern in der Europäischen Union ist, die uns zusammenhält. Es muss auch ein Europa der der Menschen geben und nicht einfach darum gehen, höchstmögliche Profite oder Rückzahlungen für die Banken herauszubekommen. 

Griechenland hat, wie Ministerpräsident Tsipras feststellte, seine moderne Odyssee durchgestanden und Ithaka erreicht. Das ist aber nur der erste Schritt. Das ist nur der erste Schritt, das ist eine Zwischenstation. Wir müssen jetzt gemeinsam dafür kämpfen, dass die Zukunft der EU gemeinsam mit Griechenland, gemeinsam mit den anderen bedrohten Staaten gesichert werden kann. In dem Sinne: Für mehr Solidarität, für eine Kohäsion, für soziale Gerechtigkeit zwischen den Mitgliedstaaten, für den Abbau von Ungleichgewichten – das ist die Zukunft der Europäischen Union. Und da hat uns Griechenland große Lehren mit auf den Weg gegeben.