Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit für Roma und Sinti jetzt, sofort, überall.
Plenardebatten
Donnerstag, 6. April 2017 – Straßburg
Internationaler Roma-Tag (Aussprache)
Cornelia Ernst, Verfasserin . – „Frau Präsidentin! Der serbische Rom Rajko Đurić schrieb in einem seiner Bücher sinngemäß: Eines Tages beschloss Gott, den Menschen zu erschaffen. Er nahm Lehm, formte daraus eine Figur und tat sie in ein Gefäß, um sie zu Ton zu brennen. Dann ging er spazieren, und als er zurückkam, war der Mensch vollkommen schwarz. Er wurde der Urahn der Schwarzen. Gott versuchte erneut, einen Menschen zu erschaffen, und formte wieder eine Figur und tat sie in ein Gefäß, um sie zu Ton zu brennen. Dann öffnete er das Gefäß ein bisschen früh und dieser Mensch war ganz weiß und der Urahn der Weißen. Schließlich beschloss er, einen dritten Menschen zu schaffen, und dieser hatte die Farbe der beiden. Er wurde Urahn der Roma. Dieser Mythos, dass die Menschen zwar verschieden, aber letztlich doch von einem Gott sind, hat es nicht in die Wiegenlieder der Kinder Europas geschafft.
Irgendwie zwischen dem Großen und Ganzen, Schwarz und Weiß sind Roma und Sinti scheinbar verloren gegangen, als seien sie eine vernachlässigenswerte Nebensache. Sie sind verschwunden hinter Brexit und Flüchtlingsströmen, Haushaltszahlen und Prognosen, als wären sie überzählig. Es ist mancherorts vergessen worden, dass auch sie zu den Verschlungenen aller Rassismen gehören. Porajmos mit 500 000 Menschen aus ihrer Gemeinschaft, die das Jahr 1945 nicht überlebten. Wenn wir heute hier anlässlich des Roma—Tags sprechen, dann weil fast alle Versprechen gegenüber Roma und Sinti nicht eingelöst sind, weil wir es ihnen schuldig sind, mit ihnen gemeinsam endlich Gerechtigkeit herzustellen – Gerechtigkeit gegenüber einer der ältesten Minderheiten Europas. Freiheit und Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – die Schwesterlichkeit inbegriffen – muss auch für Roma und Sinti gelten. Nicht irgendwann, sondern jetzt, sofort, überall. Roma und Sinti sind keine Bittsteller. Sie haben sich für ihre Forderungen nicht zu rechtfertigen. Wir haben zu viele Generationen der Roma und Sinti im Stich gelassen. Fangen wir endlich an, unsere Schuld ihnen gegenüber abzuarbeiten.“