Der Europaabgeordnete Helmut Scholz (DIE LINKE., EP-Linksfraktion GUE/NGL) am 13. Dezember 2016 in der Plenardebatte zum Handelsübereinkommen EU/Kolumbien und Peru (Beitritt Ecuadors), in Straßburg.

„Das Handelsabkommen der EU mit Ecuador ist nun von uns zu ratifizieren.

Als ständiger Berichterstatter des INTA für Ecuador habe ich den langen Prozess der Ausgestaltung der Handelsbeziehungen zwischen EU-Kommission und der Regierung Ecuadors intensiv begleiten können.

Das schließt das nun vorliegende Abkommen mit Ecuador und den damit sonderverhandelten Beitritt des Andenregion-Landes zum regionalen Abkommen mit Kolumbien und Peru ein.

Und auch den gerade beendeten Trilog zur damit verbundenen sogenannten Schutzklausel Regelung und Stabilisierungsmechanismus für den Bananenhandel und deren Produktion in der EU respektive mit weiteren Partnerländern.  

Ich hatte Verständnis für den Rückzug von Ecuador aus den Verhandlungen und begrüßte den alternativen Vorschlag des Landes für ein Kooperationsabkommen. Ecuador bestand darauf, zuerst den Kampf gegen Armut, für die verfassungsrechtliche Verankerung von Menschen-, Sozial- und Umwelt-Standards und eine eigenständige, nachholende und zugleich nachhaltigere Wirtschaftspolitik und -Entwicklung auf den Weg zu bringen. Dies in Anbetracht der Herausforderung, dass Ecuador bis heute den US-Dollar als Währung hat und somit auch nur bedingt über währungs- und finanzpolitische Steuerungsmöglichkeiten zu sich verändernden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfügt.

Dennoch sind erste Voraussetzungen geschaffen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf neue Grundlagen zu stellen, einschließlich interessanter Projekte  mit anderen lateinamerikanischen Staaten. 2010 haben wir als Europäisches Parlament z.B. mit großer Mehrheit die faszinierende Logik des Yasuni ITT-Projekts begrüßt. Da bewegt schon die Frage: was tun wir hier, um solch neuen wirtschafts- und zugleich wachstumskritischen Ideen realwirtschaftliche Untersetzung und dauerhafte Perspektiven in unser aller Interesse zu eröffnen?!

Frau Kommissarin, ich bin noch immer fest davon überzeugt, dass die Zurückhaltung der Kommission gegenüber diesem neuen Ansatz ein Fehler war. Wir sind in unseren Verhandlungsschemata, unseren Instrumenten und Mechanismen trotz ‚Trade for All‘ noch viel zu festgefahren. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir heute zusagen könnten, den alternativen und stärker entwicklungsorientierten Ansatz Ecuadors zu prüfen. Denn das Abkommen mit den Staaten der Region muss in den kommenden Jahren dringend überarbeitet und verbessert werden. Gerade wenn es um gesellschaftliche Veränderungen geht, wie z.B. den Friedensprozess in Kolumbien mit dem ausgehandelten Abkommen, die nachdrücklich eine nach wie vor sensible und die grazile Situation in diesen Ländern berücksichtigende Ausgestaltung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen seitens der EU, aber auch mit den Nachbarstaaten erfordern.

Gerade viele Kleinbauern in Kolumbien haben bereits ihre Existenz als Folge der doppelten Konkurrenzbelastung aus den Abkommen mit den USA und der EU verloren. Das aber sollte durch eine vorausschauende, partnerschaftlich ausgerichtete, faire Handelspolitik nun für Ecuador vermieden werden. Ähnliches ließe sich hinsichtlich neuer Bergbauaktivitäten sagen, gefährden doch gerade sie den Lebensraum und traditionelle Lebensformen indigener Bevölkerungsgruppen sowie die Umwelt, die alle durch die so moderne Verfassung Ecuadors geschützt sind. Da darf kein egoistischer Druck von Unternehmen aus der EU aufgebaut werden…
Die Kommission kalkulierte erfolgreich, dass Ecuador nach Wegfall seiner GSP+ Präferenzen für den Europäischen Markt an den Verhandlungstisch werde zurückkehren müssen. Käme zum 1. Januar 2017 kein Abkommen zustande, wären die Folgen für die Erwerbstätigen in Ecuador dramatisch, umso mehr, als von dem verheerenden Erdbeben 2016 und seinen Folgen bis heute viele wichtige Exportgüterproduktionen in Ecuador betroffen waren. Seine direkten Konkurrenten konnten zu deutlich niedrigeren Tarifen in die EU exportieren. Gleichzeitig hat ja der künftige Präsident der USA, Herr Trump, bereits angekündigt, den vergünstigten Marktzugang in die USA für Ecuador zu beenden, während zugleich der Ölpreis im Keller bleibt. Der Regierung würden die Einnahmen fehlen, um wichtige Sozialprogramme fortführen zu können. Das vergleichsweise hohe Lohnniveau – auch im Bananensektor – wäre kaum zu halten.
Als Europaparlament haben wir in unserer begleitenden Resolution eine Erklärung der Regierung Ecuadors zu Erhalt und Ausbau der sozialen und ökologischen Fortschritte unter der Regierung Correa zur Bedingung unserer Zustimmung gemacht und auf weitere Fortschritte bei der Stärkung demokratischer Standards und deren praktischer Umsetzung orientiert.

Ecuador hat im Sommer 2016 ein umfassendes Dokument* übermittelt, das zu lesen ich allen Kolleginnen und Kollegen nur ans Herz legen kann.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bevorstehenden Wahlen werden über eine mögliche Fortsetzung moderner und fortschrittlicher Politiken entscheiden. Gestatten sie mir in diesem Kontext festzustellen: Käme das Abkommen zum 1. Januar 2017 nicht zustande, würden gerade jene politischen Kräfte das als Versagen ausschlachten, die das sozial- und umweltpolitische Rad rückwärts drehen wollen.
Bei allem Verständnis für Kollegen, die diesem Abkommen nicht zustimmen weil es die prinzipielle Freihandelslogik nicht aufgibt, weil die Kräfteverhältnisse progressive Entwicklungen auszuhöhlen drohen, weil vieles komplizierter und nicht leichter wird, möchte ich nur betonen, dass ich, selbst im heutigen historischen und aktuellen Kontext in Südamerika, die Regierung Ecuadors unterstütze. Unser Parlament und sein Handelsausschuss stehen in der Verantwortung, in den nächsten Jahren kontinuierlich die wirtschaftlichen und die sozioökologischen Folgen des Abkommens zu evaluieren. Wenn es sich nötig darstellt, werden wir entsprechende Änderungen im Abkommen fordern. Das Europäische Parlament wird in Bezug auf die Handelszusammenarbeit auch mit Ecuador, wie bei allen anderen Abkommen, seine Verantwortung nicht mit der Ratifizierung ablegen, sondern dessen Umsetzung im Alltag aktiv begleiten.
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen aber auch den Mitarbeitern für die Zusammenarbeit.“

*(Panorama of Policies, Achievement and Actions of Ecuador aimed at the Good Living (Buen Vivir)”)