Auch der Ausschuss für Regionale Entwicklung traf sich in dieser Woche zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause. Gleichwohl wurde noch längst nicht auf Urlaubsprogramm geschaltet. Auf der Tagesordnung stand unter anderem eine erste Aussprache zum Initiativbericht „Der richtige Förder-Mix für Europas Regionen: Finanzinstrumente und Zuschüsse der EU-Kohäsionspolitik ins Verhältnis setzen“. Dahinter steckt, dass es immer mehr so genannte Finanzinstrumente der EU gibt, die auch im Rahmen der Förderschwerpunkte zum Einsatz kommen. Bislang sind das etwa 10% der EU-Mittel, die der Kohäsionspolitik zur Verfügung stehen. Es handelt sich dabei etwa um öffentlich geförderte Kredite oder Kreditgarantien, die über Instrumente wie COSME, CEF oder Horizon2020 vergeben werden. In jüngster Zeit ist dann noch der EFSI (der Juncker-Investitionsplan) hinzugekommen. Während letzterer inzwischen nicht nur von uns Linken, sondern selbst vom Bundesrat als kaum den eigenen Zielen angemessen kritisiert wird, sind erstere in manchen Bereichen sicherlich hilfreich, um KMU, Forschung und Entwicklung oder auch Infrastrukturprojekte anzustoßen. Unsere Europaabgeordnete Martina Michels machte jedoch deutlich: „Ausgaben für Finanzinstrumente dürfen nicht zulasten der Mittel für Zuschüsse aus den Strukturfonds gehen. Regionale Entwicklungsstrategien können nicht vor allem auf gewinnerzielende Projekte ausgelegt sein, damit nicht auf Rückzahlbarkeit der Hilfen basieren.“ Was banal klingen mag, wäre angesichts immer häufigerer Kürzungen im EU-Haushalt ein wichtiges Statement des Parlaments, das hoffentlich Eingang in den Bericht des Regionalausschusses finden wird, der für das letzte Quartal 2016 erwartet wird. Denn da immer mehr Aufgaben mit weniger Geld bearbeitet werden müssen, scheint die EU-Kommission zunehmend auf Finanzinstrumente setzten zu wollen.

 

Ein weiterer strategisch wichtiger Bericht beschäftigt sich mit dem Thema „Investitionen in Wachstum um Jobs – den Beitrag der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds maximieren“. Artikel 16 (3) der Strukturfondsverordnung verlangt von der Kommission, bis Ende 2015 über die Ergebnisse der Verhandlungen über die Partnerschaftsabkommen und die operationellen Programme, die sie mit den Mitgliedstaaten, ihren Partnern, einschließlich der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften geführt hat, zu berichten. Die Kommission hat einen entsprechenden Bericht am 14. Dezember 2015 vorgelegt. Europaparlament erarbeitet nun seine Stellungnahme dazu. Der Entwurf soll am 8. September 2016 vorliegen. Dieser Evaluationsbericht kann auch als eine der Vorarbeiten für die Vorschläge und Verhandlungen über Halbzeitüberprüfung und mögliche Revision des MFR sowie der Vorstellungen über die künftige Ausrichtung der Kohäsionspolitik nach 2020 angesehen werden. Inhaltlich werden unter anderem auch alle auch in dieser Sitzung diskutierten Themen darin eine Rolle spielen. Nach mehreren Anhörungen nun eine Studie vor, die der Ausschuss in Autrag gegeben hatte. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (die europäische Vetretung der Arbeinehmer, Arbeitgeber und zivilgesellschaftlichen Organisationen), hatte seine Positionierung bereits Ende Mai 2016 beschlossen.

 

Auch über den Entwurf des EU-Haushalts 2017 beriet der Regionalausschuss. Für die Regionalpolitik wichtig sind besonders folgende Zahlen: Die Kommission sieht in ihrem am 30. Juni 2016 veröffentlichten Entwurf des Haushalts-plans für das Jahr 2017 Verpflichtungen in Höhe von 157,7 Mrd. Euro, d. h. eine Steigerung von 4,7 %, und Zahlungen in Höhe von 134,9 Mrd. Euro vor, was einer Minderung von 6,2 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Das heißt real: mehr Ausgaben in der Zukunft versprechen, aber bei den echten Bezahlvorgängen kürzen. Betroffen ist vor allem das Kapitel 1b) „Wirtschaftliche, soziale und territoriale Kohäsion“, bei dem im Vergleich zu 2016 um 37,3 Mrd. € gekürzt wird, d. h. 23,5% weniger Geld für reale Zahlungen. Zugleich werden 53,6Mrd. € zusätzlich für Verpflichtungen eingestellt, also 5,4 mehr als 2016, also die Erlaubnis für finanzielle Zusagen, die noch nicht mit realem Geld unterlegt sind (Kurzübersicht zu den Haushaltszahlen hier). Die Lücke zwischen Zusagen und Zahlungen war bereits in der Vergangenheit so groß geworden, dass einen Zahlungsrückstand entstand, der erst  nach Jahren einigermaßen wieder aufgefangen werden konnte, wofür das Europaparlament nun erneut Anlass zur Sorge sehen. Der Entwurf der REGI-Stellungnahme und auch die übergroße Mehrheit der im REGI anwesenden Abgeordneten äußern sich dazu entsprechend deutlich.

Bereits in der vergangenen Woche hatten sich  Mitglieder des Haushaltsausschusses besorgt darüber geäußert, dass die in letzter Zeit häufig vorgenommene bloße Umwidmung von nicht verbrauchten Mitteln, statt realer Aufstockung des EU-Haushalts, nicht ausreichen würde, um die vorhandenen und künftigen Herausforderungen zu meistern, gerade auch mit Blick auf Migrations- und Integrationspolitik.

 

Dem REGI lag weiterhin ein Entwurf für eine Stellungnahme zum diesjährigen Europäischen Semester und den daran geknüpften länderspezifischen Empfehlungen vor.

Martina Michels merkte dazu an, dass die Abgeordneten der GUE/NGL-Mitglieder bereits häufig mit großer Sorge auf die zunehmende  Verknüpfung und sogar Unterordnung der Kohäsionspolitik unter die „Economic Governance“ kritisiert hätten. „Die Kohäsionspolitik ist nicht dafür gedacht Strukturreformen im Rahmen von Sparauflagen der Mitgliedstaaten umzusetzen, denen diese oft nur aufgrund ihrer Abhängigkeit von Hilfszahlungen zugestimmt haben. Kohäsionspolitik soll dem Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Regionen dienen. Die Regionen haben jedoch oft nicht mal ein Mitspracherecht bei den so genannten Strukturreformen.“ Es gibt sicherlich natürlich ein paar sinnvolle länderspezifische Empfehlungen, die der Entwicklung der Städte und Regionen auch grenzübergreifend dienen können und daher von der Kohäsionspolitik mitunterstützt werden sollten. Bei den Empfehlungen für Deutschland könnte man zum Beispiel die Forderung der Kommission nach mehr Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und Forschung nennen. Andererseits ist kaum nachzuvollziehen, wie dass Rentenkürzungen unter der Überschrift „Anreize für spätere Verrentung schaffen“ zu zum Ausgleich und Verbesserung der Lebensverhältnisse beitragen sollen und daher der von der Kohäsionspolitik gefördert werden sollten. Im Übrigen ist gerade sichtbar, was die Unterordnung unter die Zwänge der Wirtschaftsgovernance in der Realität bedeutet: Wenn man nämlich die soeben angedrohten Sanktionen gegenüber Portugal und Spanien betrachtet“, so Michels. Am Dienstag dieser Woche hatte der Rat der Finanzminister beschlossen, im Rahmen des Haushaltsdefizitverfahrens gegen Portugal und Spanien zu verhängen. Diese Sanktionen, für deren Details die EU-Kommission innerhalb von 20 Tagen einen Vorschlag vorlegen muss, bestehen im Prinzip aus finanziellen Auflagen von bis zu 0,2% des BIP des betroffenen Staates sowie dem Einfrieren von EU-Strukturfondsmitteln (Programme, die davon betroffen sein könnten s. a. im Brief des Kommissions-Vizepräsidenten an das Europaparlament).  Die MdEP der Linksfraktion im Europaparlament hatten diese Sanktionen als undemokratisch und unsozial und letztlich schlichtweg auch dumm verurteilt. Mehr zum Thema auch in unserer Presseschau.

 

Auch im Regionalausschuss stellte die Slowakische Ratspräsidentschaft ihre Schwerpunkte für das kommende Halbjahr vor. Der Vize-Premierminister und Minister für Investitionen und die Informationsgesellschaft, Peter Pellegrini, betonte die Notwendigkeit, die jüngste Reform der EU-Kohäsionspolitik hinsichtlich ihrer realen Verbesserungen und Vereinfachungen zu evaluieren, um daraus Schlüsse für die künftige Gestaltung dieses Politikfeldes ziehen zu können. Als weitere Schwerpunkte des slowakischen Ratsvorsitzes im Bereich der Regionalpolitik benannte er die Arbeit im Rahmen der kürzlich verabschiedeten städtischen Agenda sowie das  im Entwurf vorliegende Strukturreformunterstützungsprogramm. Letzteres hatte bereits der Ausschuss der Regionen eher kritisch bewertet hinsichtlich der mangelnden Einbeziehung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei sie betreffende Reformentscheidungen.  Auch Martina Michels hatte sich in mehreren Beratungen des REGI entsprechend zurückhaltend geäußert und ergänzt, dass die Finanzierung über Kohäsionspolitikmittel für technische Hilfe nicht nachvollziehbar sei. Außerdem  würde die Kohäsionspolitik mit diesem Programm wieder ein Stück mehr an makroökonomische Reformen angebunden, die allzu oft Sparzwängen entspringen.

Die gesamte Ausschusssitzung gibt es hier auch als Video.

Die Sitzungsdokumente vom 13. und 14. Juli 2016 gibt es hier.