Gemeinsam mit einer Delegation der Linksfraktion im Europaparlament besuchte die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (DIE LINKE.) vom 4. bis zum 7. Februar 2016 Athen und die griechische Insel Lesbos. Auf dem Programm standen Besuche der Durchgangslager in Athen, des Hotspots in Moria auf Lesbos, des Durchgangslagers Kara Tepe sowie eine Vielzahl von Treffen mit VertreterInnen der griechischen Regierung sowie verschiedener europäischer, internationaler und Nichtregierungsorganisationen wie UNHCR, Ärzte ohne Grenzen, FRONTEX, EASO, Europol, Save the Children und lokalen Gruppen. 

 

„Was wir in Griechenland zur Zeit erleben kann man nicht anders beschreiben als ein komplettes Scheitern des gesamten europäischen Asylsystems, insbesondere des Dublin-Systems. Während der vier Tage habe ich praktisch niemanden getroffen, der diese Ansicht nicht geteilt hätte.

Spätestens seit dem letzten Sommer ist offenbar geworden, dass Griechenland die schiere Anzahl ankommender Flüchtlinge nicht alleine schultern kann, weder die Erstaufnahme, noch den langfristigen Schutz. Ohne Frage war ein Teil der chaotischen Zustände auch der mangelnden Koordinierung und Organisation der griechischen Regierung geschuldet, seitdem sind aber große Fortschritte erzielt worden. Dabei ist auch zu bedenken, dass wir über ein Land reden, in dem in Folge der Eurokrise und der desaströsen Troika- und Memorandums-Politik nicht nur die ohnehin schwachen Systeme der sozialen Sicherung und das Gesundheitssystem zusammengebrochen sind, der öffentliche Dienst unter sein Minimum zusammengeschrumpft worden ist und in dem der Regierung jegliche Einstellungen von Personal verboten sind, und das aus Brüssel. An einer zügigen Hilfe mit Geld und Arbeitskraft in deutlich größerem Umfang als bisher führt kein Weg vorbei.

Weitere Grenzschließungen auf dem Balkan oder in anderen EU-Staaten werden für Griechenland, seine Einwohner und zehntausende Flüchtlinge einer weiteren Katastrophe gleichkommen. Entgegen oft gehörter Behauptungen sind Gerüchte und Ankündigungen von Grenzschließungen der stärkste pull-Faktor überhaupt. Jede einzelne sorgt dafür, dass wieder Tausende Menschen so schnell wie möglich versuchen, über Griechenland nach Nordeuropa zu kommen und noch nicht einmal mehr darauf warten, bis das Wetter eine auch nur halbwegs sichere Überfahrt zulassen würde. Ganz zu schweigen von all jenen, die dann auf dem Weg zwischen Athen und München irgendwo im Schnee stranden, und auch davon, dass die Hälfte der Flüchtlinge im Augenblick Kinder sind.

Wenn wir ernsthaft etwas an der katastrophalen Lage ändern wollen, die tödliche Überfahrt in Schlauchbooten nach Lesbos sicherer machen und nicht zuletzt den menschenverachtenden Geschäftspraktiken der Schmuggler ein Ende machen wollen, dann müssen wir endlich sichere Fluchtwege schaffen, insbesondere von der Türkei nach Griechenland. Das gleiche gilt für die gefährliche Route über Mazedonien und Serbien. Wenn wir nicht sofort handeln und einen humanitären Korridor von Istanbul nach Zagreb einrichten, dann treiben wir im kommenden Jahr mit Sicherheit hunderttausende Menschen in die Arme von Schmugglern und Menschenhändlern. Ein Europa das auf seine Werte auch nur noch einen einzigen Eurocent gibt, kann das ganz sicher nicht vor sich verantworten.