Heute hat das Europaparlament den umstrittenen Vorschlag über den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation angenommen.

Dazu die Europaabgeordnete Cornelia Ernst, Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE): „Heute wurde die große Chance verpasst, die Netzneutralität ordentlich gesetzlich zu verankern. Noch nicht einmal eine Definition der Netzneutralität wird in der Verordnung enthalten sein. Da die Vorgaben in der Verordnung insgesamt viel zu vage sind, wird die Zukunft des Internets nun nicht mehr von der Politik bestimmt, sondern von Netzbetreibern und Internetmonopolisten wie facebook.

Damit hat die Mehrheit des Parlaments dem Internet geschadet und den Bürgern einen Bärendienst erwiesen. Sie werden von der Abschaffung der Roaming-Gebühren weniger profitieren als erwartet, denn die Netzbetreiber können noch immer Zusatzgebühren verlangen. Und das Internet wird in Zukunft noch mehr einem Einkaufszentrum gleichen, in dem nur die großen Ketten ihre Läden haben. Alle anderen werden mit langsameren Verbindungen an den Rand gedrängt.“

Europaabgeordnete Martina Michels, Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT): „Netzneutralität ist mehr als eine industriepolitische Fachfrage, ihre Einschränkung wird Folgen für alle Lebensbereiche unseres Alltags haben. Neben der wirtschaftlichen, beunruhigt mich besonders die kulturpolitische Perspektive. Der nun verabschiedete Text lässt eine strikte Definition von sog. Spezialdiensten vermissen. Die flexible Formulierung öffnet späteren Ausnahmen nach Gutdünken Tür und Tor, wenn beispielsweise kommerzielle HD-Streamingdienste als Spezialdienst durchgehen während die Übermittlung verschlüsselter Kommunikation gedrosselt wird.

Das Parlament positionierte sich im letzten Jahr aus gutem Grund für die Festschreibung der Netzneutralität. Bedauerlicher Weise haben die Verhandlungen mit Rat und Kommission Erfolg gehabt, diesen Text wieder mit Schlupflöchern zu versehen. Eben jene Parteien, die die Regierungen in den meisten Mitgliedstaaten stellen, rühmen sich nun mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren und erwarten Applaus von Konsumentin und Konsument. Dieser Kuhhandel ist Augenwäscherei und geht einher mit einem Angriff auf unsere Meinungsfreiheit. Eine privatisierte Datenautobahn mit Mautstellen, wie sie mit Zero-Rating-Modellen angefacht und tendenziell schon längst erprobt werden, begrenzen unternehmerische und kulturelle Freiheit und Kreativität gleichermaßen. Ein rein kommerziell gesteuertes Netz, dass Nutzungshierarchien aufschichtet, schadet nicht nur Verbraucherinnen und Verbrauchern, KMUs, Bibliotheken, Hochschulen, dem Kulturaustausch und der freier Forschung.“