Bergkarabach: Wie lange hält der Waffenstillstand?
Gastbeitrag von Martina Michels für die-zukunft.eu
Am Dienstagnacht um 1:00 Uhr war endlich Schluss. Nach mehr als sechs Wochen bewaffnetem Kampf endete der Krieg um Bergkarabach per Diktat aus Russland und Aserbaidschan. Offenbar kamen mehr als 1300 Menschen gewaltsam ums Leben. Leider gehen Kenner*innen des bis zum 1. Weltkrieg zurückreichenden Konflikts in der Region davon aus, dass dieses Ende nur vorläufig sein könnte. Denn ein echter Friedensplan liegt nicht vor.
Seit den 90er Jahren konnten internationale Vermittler wie die Minsk-Gruppe der OSZE keine politische Lösung finden, die diesen Krieg hätte verhindern können. Auch die EU zieht sich seit Jahren in ihre Komfortzone zurück. Sie verfolgt in ihren Partnerschaftsabkommen nur energie- und wirtschaftspolitische Interessen. Indirekt rüstete die EU somit Aserbaidschan auf, denn das Geld für die Gaslieferungen steckte der dortige Herrscher-Clan auch in die jetzt kampfentscheidenden Drohnen. Eine vermittelnde Rolle, um den Konflikt zu lösen, nahm die EU jetzt genauso wenig ein wie OSZE oder die Vereinten Nationen. Blamiert und ohnmächtig waren sie nur noch Zaungäste. Doch ohne schnelle, internationale Vermittlung könnte die junge armenische Demokratie zum nächsten Opfer des weiter schwelenden Konflikts werden.
Um eine robusten und fairen Friedensplan zu erarbeiten, müssen internationale Vermittler*innen ihre Anstrengungen verstärken. Nach dem Georgienkrieg 2008 hat das internationale Brückenbauen beinahe gänzlich versagt, so dass es weder ein Eingreifen der UN in Abchasien, noch der OSZE in der südossetischen Region gab. 2015 wurde das OSZE-Büros in Baku und 2017 das in Jerewan geschlossen. Jetzt zeigt sich, wie fatal es war, die Region zu vernachlässigen. Gerade die EU-Nachbarschaftspolitik muss ihren Dialog mit den Parlamenten und der Zivilgesellschaft vor Ort wieder intensivieren, auch damit Armeniens Demokratisierungsprozess nicht erneut unter die Räder kommt. Die EU muss jetzt die demokratischen und Frieden fordernden Kräfte auf allen Seiten stärken, die Nationalismus ablehnen. Denn diese wissen, dass der Feind nicht die Armenierin oder die Aserbeidschaner ist, sondern die Mächtigen, die die Konflikte für ihre Machtspiele ausnutzen.