Martinas Woche 26_2020: Am Vorabend der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Energiepolitik – Israel – Zukunftskonferenz – EU-Ratspräsidentschaft – Investoren & Corona
Am 1. Juli beginnt die deutschte Ratspräsidentschaft und dies war natürlich Thema vieler Treffen in der vergangenen Woche, auch in unserer Delegation, und am Freitag bei den Europapolitischen Sprecher*innen in Berlin, Pardon, im Netz natürlich.
Eine EU-Kommission, die mitten in der Corona-Pandemie einen neuen Mehrjährigen Finanzplan vorlegt, muss sowohl langfristig planen, als auch die akuten Folgen der Pandemie mit politischen Hilfen abfedern. Und nun soll und wird Deutschland eine sehr verantwortliche Rolle spielen, dass dieser Prozess einerseits nicht weiter auf die lange Bank geschoben und andererseits nicht auf ausgefahrenen Gleisen weiter gewurschtelt wird. Die Gefahr, dass mit der Corona-Pandemie soziale Ungleichheit und die Vertrauenskrise in die EU weiter wachsen, ist nicht gering. Deshalb berichten wir dieses Mal etwas ausführlicher von einer Delegationssitzung unserer deutschen Abgeordneten und aller Mitarbeiter*innen und dabei erfahrt ihr zugleich, warum unsere Fraktion einmal im Halbjahr Studientage jenseits des parlamentarischen Alltags organisiert.
Der Europäische Rat hat sich endlich bei der Zukunftskonferenz der EU bewegt, doch wohin die Reise geht, steht noch immer in den Sternen.
Und wer es im Blätterwald nicht rauschen gehört hat: In der letzten Woche hat die größte EU-Konferenz zur Energiepolitik stattgefunden.
Last but not least: Über tausend Abgeordnete haben sich an die europäischen Außenminister*innen und an Josep Borell, den Hohen Vertreter für die Außenpolitik der EU gewandt und ein politisches Handeln gegen die Annexionspläne Netanyahus gefordert. Wir berichten vom medialen Widerhall dieser Initiative.
Corona und die deutsche Ratspräsidentschaft
Vergangene Woche traf sich Die Linke im EP wieder virtuell. Besuch war angekündigt. Stelios Christodoulou aus Zypern, stellvertretender Generalsekretär der Linksfraktion GUE/NGL, informierte uns über die nächsten Studientage der Fraktion. Diese sollten im September in Berlin stattfinden, die Planungen laufen seit Monaten. Für Studientage reist die Fraktion für einige Tage in den EU-Staat, der aktuell die Ratspräsidentschaft der EU innehat. Von Juli bis Dezember ist das Deutschland. Leider hatte Stelios keine guten Nachrichten. Erstes Problem: Wir wissen noch nicht, welche Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie im September in Deutschland auf uns warten. Und zweitens: Das EP selbst macht derzeit strikte Auflagen, wenn es um solche Veranstaltungen geht. So dürfen keine Gäste von anderen Organisationen teilnehmen, Mitarbeiter*innen nur in kleiner Zahl mitreisen. Der Sinn von Studientagen besteht jedoch darin, dass möglichst viele Genoss*innen aus der Fraktion mit Fachleuten und Politiker*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen aus Bürgerbündnissen über die Lage vor Ort diskutieren. Abgeordnete der Fraktion sollen die Akteure und Situation vor Ort kennenlernen. Das ist mit diesen Beschränkungen nicht möglich. Deshalb haben wir die Studientage jetzt erst einmal auf Dezember verschoben. Hoffentlich klappt es dann.
Die deutsche Ratspräsidentschaft beginnt trotzdem am Mittwoch. Auch darum ging es erneut beim digitalen Arbeitstreffen. Schon im Januar hatte die Delegation DIE LINKE im EP ihre Schwerpunkte für die deutsche Ratspräsidentschaft beschlossen. Dann kam die Corona-Pandemie. Die Bundesregierung warf ihre Planungen über den Haufen. Erst letzte Woche entschied sie, was sie mit ihrer Präsidentschaft erreichen will. Auch Die Linke im EP musste auf die Krise reagieren. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt die richtigen Weichen für eine bessere EU stellt. Dazu gehören u. a. ein viel höherer Finanzrahmen und europäische Corona-Anleihen, um die Krise fair und gerecht zu überwinden. Die „Geizigen Vier“ dürfen nicht den Weg bestimmen. Außerdem ist die Krise die Chance, das Klima besser zu schützen und die Wirtschaft dafür umzubauen. Auch eine faire und moderne Asyl- und Migrationspolitik muss jetzt her. Wer es genauer wissen will, kann unser Arbeitspapier für die Fraktion lesen, das wir beim Treffen beschlossen haben. Oder Ihr schaut in unser neues Video zur Ratspräsidentschaft.
Öffentlichkeit gegen die Annexionspläne Israels in den autonomen Gebieten wächst
Über 1.080 Abgeordneten, darunter viele Mitglieder des Europäischen Parlaments, haben einen international beachteten Brief gegen die Annexionspläne Netanyahus an die europäischen Außenminister*innen und den Hohen Vertreter für die Außenpolitik der EU, Josep Borrell, geschrieben. Die Unterzeichner*innen kommen aus 25 europäischen Ländern und aus vielen Parteien. Die MdEP Martina Michels (EU-Israel Delegation des EP), Helmut Scholz (Ausschuss für Internationalen Handel) und Özlem Demirel (Auswärtiger Ausschuss) unterstützen ebenfalls dieses Schreiben, das von Avraham Burg, ehemaliger Sprecher der Knesset und Leiter der Jewish Agency ins Leben gerufen wurde.
Der Brief erschien in der vergangenen Woche in diversen Medien wie Die Zeit, BBC, El Pais, Le Figaro, New York Times sowie im Schwedischen Radio. Die Zeitung Haaretz in Israel hat einen Artikel darüber veröffentlicht, sowohl auf Englisch als auch auf Hebräisch, so dass der Brief auch in Israel große Beachtung fand. „Wir glauben, dass dieser kollektive Ausdruck der Unterstützung für eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts und der auf internationalen Regeln basierenden Ordnung sehr wichtig ist.“, schreibt Martina Michels in diesem Kommentar.
Zukunftskonferenz der EU: Endlich eine Position des Rates
Es hat gedauert und begann die Abgeordneten zu frustrieren, dass der Europäische Rat sich bisher nicht zur EU-Zukunftskonferenz positionierte. Doch, oh Wunder!, am Mittwoch der vergangenen Woche war es soweit. „Nach der monatelangen Hinhaltetaktik der Regierungen war dieser Schritt überfällig“, kommentiert Helmut Scholz. Allerdings ist damit längst nicht alles in Butter und es bleibt weiterhin ein Buch mir sieben Siegeln, wie diese demokratische Debatte mit Bürgerinnen und Bürgern europaweit organisiert wird. Offen ist, ob daraus eine neue Europäische Verfassung werden kann oder wenigstens dringende Vertragsänderungen erreicht werden, die die europäische Integration nicht weiter ausbremsen, soziale Ungleichheit verschärften oder Herausforderungen wie den Klimawandel oder die weltweite Migration einfach aussitzen. Die Parlamentsposition und den Kommentar von Helmut Scholz findet ihr hier.
EU veranstaltete eine Nachhaltige Energiewoche
Die letzte Woche begann unter dem Label: EU Sustainable Energy Week (nachhaltige Energiewoche) mit ihrer größten europäischen Konferenz, die sich erneuerbaren Energieträgern und Nachhaltigkeit widmet. Cornelia Ernst, die im Industrieausschuss (ITRE) sich besonders mit Energiepolitik auseinandersetzt, warnt vor dem ausgesessenen Handlungsdruck in der Europäischen Politik, einmal angesichts der Corona-Krise, andererseits, weil innerhalb des Green Deal der Kommission soziale Frage bisher nur sehr marginal behandelt werden. Überdies hält sie fest: „Klimaforscher*innen halten als Klimaziel die Reduzierung des CO2-Ausstoßes von mindestens 65-70 Prozent bis 2030 gegenüber dem des Jahes 1990 für nötig, darum ist das angepeilte europäische Klimaziel von gerade mal 50 bis 55 Prozent bis 2030 ist viel zu niedrig…“ Ihren ganzen Kommentar findet ihr hier.
Europapolitische Sprecher*innen trafen sich im Netz
Am Freitag stand die kommende EU-Ratspräsidentschaft – die wir in der kommenden Martinas Woche ausführlich unter die Lupe nehmen wollen – ebenfalls im Mittelpunkt der Verständigungen der Sprecher*innen in den Landtagen, im Bundestag, Vertreterinnen der Rosa-Luxemburg Stiftung und des Parteivorstandes der LINKEN. Ja, es gibt die Hoffnung, dass die deutsche Ratspräsidentschaft Klippen und Möglichkeiten der Europapolitik auch in der medialen Öffentlichkeit klarer unter die Lupe nimmt, wie etwa die Förderpolitik in den Regionen, die EU-Außenpolitik, den Fortgang mit den Brexit-Verträgen und vieles andere mehr.
Lesestoff: Corona-Pandemie und Sonderrechte für Investoren?
Spätestens seit TTIP hat jede*r schon einmal von den Investor-Staats-Klagen gehört, die auf Sonderrechten des Internationalen Investorenschutzes beruhen, die u. a. gegen jede Sozialpflichtigkeit von Eigentum verstoßen. So durfte Vattenfall in der Vergangenheit von Deutschland Millionen zurückfordern, weil wir uns gemeinsam für eine nachhaltige Energiepolitik und den Atomausstieg entschieden haben. Nun droht ausgerechnet in der Pandemie eine Klagewelle großer Konzerne. Pia Eberhardt hat für uns die wesentlichen Punkte dieser perfiden Kapitalanlagestrategie, die jedes menschliches Maß vermissen lässt, hier zusammengefasst.