Martinas Woche 15_2019
Berlin – Jerusalem – Frankfurt: Europas Zukunft – Uploadfilter – Wahlen in Israel – Regional- und Kulturpolitik
Europas Zukunft wird ganz sicher nicht in London entschieden, auch wenn uns das Brexit-Drama wieder ein neues Kapitel beschert hat, das den Wert von demokratischen Verfahren ziemlich ordentlich mit Füßen tritt. Trotzdem lassen wir uns nicht beirren und tun alles, damit die EU ein anderes Gesicht und vor allem ein soziales und demokratisches Rückgrat bekommt. Und dies tun wir nicht nur allein. Seit Wochen sind vor allem junge Leute auf der Straße, mahnen einen Kurswechsel beim Klimawandel an, streiten für Grundrechte oder eine humane Asylpolitik. Martina war diese Woche in vielen Veranstaltungen, verknüpfte Regionen mit Europapolitik, bereitete sich auf die letzte Plenarwoche in Straßburg vor, kommentierte die Wahlen in Israel und wird in der kommenden Woche gleich zweimal dem verantwortungslosen Umgang der herrschenden Politik mit den gefährlichen Uploadfiltern begegnen, einem in Brüssel (Urheberrechtsreform) und einmal in Straßburg (Anti-Terror-Kampf).
Schule trifft Europaabgeordnete
Am Montag traf sich Martina gemeinsam mit der Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Dr. Manuela Schmidt, mit einer Gruppe von Fachabiturient*innen aus den Bildungsgängen der Sozialassistenz und der Heilerziehungspflege. Nachdem sich die Schüler*innen das Abgeordnetenhaus hatten erklären lassen, waren sie neugierig auf alles, was mit der kommenden Europawahl zusammenhängt. Besonders interessieren sie sich für Themen, für die junge Leute seit Wochen auf den Straßen sind, Umwelt und Digitalisierung. Martina beschrieb jede Menge Konflikte in der aktuellen EU-Politik, das Erstarken rechter Kräfte, Herausforderungen, die mit dem Brexit verbunden sind, das soziale und das Demokratiedefizit der europäischen Institutionen. Den Schülerinnen und Schülern, die selbst an den FridaysforFuture-Demontrationen beteilig sind, sagte Martina, dass sie es sehr begrüße, dass sich junge Menschen jetzt zu Wort melden, auch, dass sie von Lehrer*innen, Eltern und Wissenschaft unterstützt werden.
Zu einem weiteren Thema, zu dem die Schülerinnen und Schüler bereits im Vorfeld Fragen übermittelt hatten, gab es umfassende Informationen: Das war die Reform der Urheberrechts-Richtlinie und hier besonders Artikel 13 und die Uploadfilter. In diesem Teil der Diskussion wurde auch einmal beleuchtet, was auch in der Urheberrechtsreform steht, aber völlig aus der medialen Debatte verschwand: Denn es sollte auch bei der europäischen Harmonisierung um großzügige Ausnahmen für Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen gehen und auch da hätte sich Martina mehr Reformwillen gewünscht. Stattdessen haben die ewigen Debatten um die Marktanteile bei den Werbeeinnahmen zwischen Plattformen, Verlagen, Verwertungsgesellschaften und Kulturindustrie, entscheidende Reformvorhaben in den Schatten gestellt.
Martina Michels und Katja Kipping in Friedrichshain-Kreuzberg
Am 9. April fand eine Veranstaltung in Friedrichshain-Kreuzberg statt, bei der Martina Michels und Katja Kipping, die Co-Parteivorsitzende der LINKEN, auf einem Podium zusammentrafen. Der Blick auf Europas Zukunft kam aus unterschiedlichen Perspektiven. Martina wartete zu Beginn mit einem ganzen Bündel an Erfahrungen der linken Fraktion, der GUE/NGL, auf, zeigte an Beispielen, was sie parlamentarisch und außerparlamentarisch angepackt haben und wo Veränderungen möglich sind, ohne den erbitterten Widerstand konservativer und neoliberaler Sparpolitik und die Attacken der Europaverweigerer*iunnen von Rechtsaußen zu verschweigen.
Die lebhafte Diskussion streifte dann die Perspektiven der linken GUE/NGL-Fraktion, ihre Handlungsspielräume bei der Ernennung von Kommissionsmitgliedern, die Auseinandersetzungen um die Urheberrechtsreform, sowie Fragen, wie man Kürzungen von Strukturmitteln verhindern kann, wie es mit dem Breitbandausbau weitergeht und wann endlich eine gelingende Integration von Geflüchteten als Bestandteil der sozialen Kämpfe in Europa angepackt wird und mitten in der europäischen Politik ankommt. Die Verbindung von Ökologie und Sozialpolitik, sowie der Umgang mit Lobbyist*innen waren ebenfalls für die Debatte interessant. Der Abend zeigte klar und detailreich, dass Europas Zukunft alle angeht und die politische Einmischung unser aller Alltag längst erreicht hat.
Israel hat gewählt: Knapper Wahlsieger – Viele Verlierer
Die rechte Hegemonie ist gesichert, fasste der Leiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Israel, Tsafrir Cohen, seine erste Wahlauswertung zusammen: „Das rechtsnationalistische Lager gewinnt, Netanjahu bleibt. Ein klares Ja zu Ethnonationalismus und illiberaler Demokratie, ein klares Nein zur Zweistaatenlösung. Die israelische Opposition benötigt mehr Solidarität seitens des progressiven Lagers weltweit – auch in der Bundesrepublik.“ Letzteres verfolgt Martina konsequent als politische Linie im Europaparlament und äußerte sich ebenso enttäuscht zum Ausgang der Wahlen. Die lange gehegte Hoffnung, mit der Joint List, die immerhin bei der letzten Wahl die drittstärkste Kraft geworden war, eine versöhnende Opposition aufbauen zu können, hatte sich schon lange vor den Wahlen zerschlagen. Die Frustration ist entsprechend hoch, was sich auch in der Wahlbeteiligung benachteiligter Gruppen, insbesondere der arabischen Israelis niederschlug. Martina kommentierte entsprechend das Ergebnis.
Parlament kommentiert Entwicklungen vor den Europawahlen und bietet Dialog an
Die Online-Redaktion des Europaparlaments hat einen neuen Service eingerichtet, eine Website zu kommenden Wahlergebnissen zu Europawahl. Doch auch inhaltlich gibt es ein neues Angebot. „Die interaktive, mehrsprachige Online-Website „Was tut die EU für mich?„, die vom wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments zusammengestellt wurde, enthält Hunderte von leicht lesbaren Kurzdarstellungen mit positiven Beispielen von EU-Initiativen, die für das Leben der Menschen in der EU einen Unterschied machen. Die Nutzer können sich leicht darüber informieren, was Europa für ihre Region, ihren Beruf oder ihre Freizeitaktivität tut.“ Den kritischen Blick muss man also selbst hinzufügen!
Aber immerhin, kann man ja schon mal einige Fragen loswerden oder Neues kennen lernen, was die EU so mit unserem Alltag zu tun hat.
Zu Besuch bei der Volkssolidarität
Mitglieder der Volkssolidarität im Bezirk Treptow-Köpenick hatten Martina am vergangenen Dienstag eingeladen, um von ihr zu erfahren, wie es um die EU bestellt ist und mit welchen Zielstellungen sie als linke Politikerin für die Wahl ins Europarlament antritt. Für manche war Martina keine Unbekannte und auch für die anderen gab es keine Probleme, Martina eine Vielzahl von Fragen zu stellen. Martina antwortete dann – so ausführlich es die begrenzte Zeit zuließ – auf Fragen, die das Spektrum europäischer Politik ausloteten, von A wie Armutsbekämpfung über B wie Brexit, E wie Europäische Armee, F – wie Fluchtursachen und die Schaffung eines Flüchtlingsfonds, I – wie die Haltung zu Israel, M wie Mindestlohn bis zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
Kulturpolitische Sprecherinnen und -sprecher trafen sich in Berlin
Der ganze Freitag stand tagsüber im Zeichen der Kulturpolitik. Und ob Bibliothekskonzepte in Sachsen-Anhalt oder ein Hamburger-Beirat für die kritische Aufarbeitung des kolonialen Erbes in den Kunstsammlungen, die Kulturpolitiken der Länder und des Bundes sind immer zugleich mit Regelungen oder europäischen Debatten verbunden. Dies zeigen auch die Nachfragen des Deutschen Kulturrates an die Parteien vor der Europawahl, die u. a. neben dem Urheberrecht nach konkreten kulturpolitischen Initiativen fragen. Eine Vorabveröffentlichung als kurzes, zusammenfassendes Statement unseres Spitzenkandidaten, Martin Schirdewan, welches demnächst in „Politik und Kultur“ veröffentlicht wird, findet ihr hier in einem der ersten Wahlprüfsteine zur EU-Kulturpolitik. In der kommenden Woche wird dies durch einen umfangreichen Antwortenkatalog ergänzt wird und in der nächsten Martinas Woche – die zugleich die letzte vor den Wahlen sein wird – veröffentlicht.
Regionalpolitik: Europa im Salon – auf Tour
Die Diskussionsreihe der Tageszeitung Neues Deutschland ist seit drei Veranstaltungen unterwegs und war diesmal in Frankfurt/Main, im Club Voltaire mit dem Thema: „Macht und Ohnmacht der Regionen“. Uwe Sattler moderierte das Gespräch zwischen Martina Michels und Dr. Ulrich Wilken, dem rechtspolitischen Sprecher der Linksfraktion im hessischen Landtag. Das Gespräch verließ schnell die klassischen parlamentarischen Sichtweisen auf die Mitsprache der Kommunen und Länder, die mit einer Europapolitikerin und einem Landtagspolitiker normalerweise aufgerufen werden. Entscheidend, so befand man in der Debatte, ist die politische Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger. Im Ergebnis der Demonstrationen von Fridays for Future und gegen die Upload-Filter hat sich ein neues Selbstbewusstsein herausgebildet und außerparlamentarische Bewegungen organisieren sich neu. Offen bleibt, ob Politikerinnen und Politiker diese Demonstrationen aufgreifen, wie sie den Dialog organisieren. Bei den Demonstrationen gegen Artikel 13 hat die herrschende Politik eher mit Ignoranz und seltsamen Versprechen reagiert, jedoch nichts an ihren Entscheidungen verändert.
Einen breiten Raum in der Diskussion des Abends nahm das Verhältnis der Linken zur Europapolitik ein, die letztlich thematisch längst auf den Straßen angekommen ist. Defizit und die Erfahrung, dass Europapolitik eher ein Stiefkind in den programmatischen und politischen Auseinandersetzungen ist, bestimmte sowohl die Erfahrungen von Martina, als auch von den Diskutant*innen. „Europäisch denken und lokal handeln“, steckt noch immer in den Kinderschuhen und wird auch kaum durch eine Vernetzung in der europäischen Linken getragen. Politische Strategiebildung in den Vorständen endet noch immer auf der Ebene der Bundespolitik. In der Diskussion wurde auch nach gemeinsamen Ansätzen der linken Fraktion im Europäischen Parlament, der GUE/NGL-Fraktion, gefragt und nach ihren Perspektiven nach der Europawahl. Der Abend zeigte, dass sehr kritische Debatten um linke Politik sie zugleich richtig ernst nehmen und es viele aufregende Baustellen gibt und es sich lohnt, sich politisch für ein soziales Europa, eine Politik, die Grundrechte achtet, einzusetzen.
Uploadfilter I: Die ersten Bilder vor der vorerst letzten Entscheidung
Am Montag entscheidet der Rat über das Parlamentsvotum zur Urheberrechtsreform. Und obwohl in Deutschland ein regelrechtes Wettrennen zwischen den Partnerinnen in der Großen Koalition eingesetzt hat, dass man mit den Uploadfiltern in Artikel 17 (vorher 13) nichts zu tun haben will, wird wohl am Montag Deutschland die Zustimmung, mitten im Treffen der Agrarminister, durch Julia Klöckner geben. Dabei wäre es nach der angekündigten Ablehnung der umstrittenen Reform, die mit der größten europäischen Petition, unterschrieben von 5 Millionen Menschen und wochenlangen Protesten begleitet wurde, durch Schweden, Italien, Polen, Luxemburg, Niederlande und Finnland jetzt an Deutschland, den nötigen Dialog über ein modernes Urheberrecht wieder zu eröffnen. Sowohl der Koalitionsvertrag lehnt Uploadfilter ab, als auch angeblich die CDU, die den Artikel 17 (zuvor 13) nicht in deutsches Recht umsetzen will. Die Justizministerin und europäische Spitzenkandidatin laviert mit einer Protokollerklärung, die zwar nicht verbindlich ist und in der die Vorschläge der CDU stehen, herum. Doch genau jene will die CDU wiederum nicht akzeptieren, wenn am Montag abgestimmt wird. Martina hat zurecht auf twitter festgehalten: „Langsam geht mir dieses „#uploadfilter hat den Hut verloren“-Spielchen auf die Nerven. @CDU @spdde, ihr habt Grundrechte zu garantieren! Es zählt nur Enthaltung oder Ablehnung im Rat, sonst habt nicht nur ihr verloren, sondern wir alle: unsere Meinung-, Kunst- & Medienfreiheit.“ und zitierte dabei die jüngsten Absurditäten, die netzpolitik.org noch einmal unter der Überschrift: „Uploadfilter: Die SPD will reinschreiben, was die Union fordert, aber die Union ist dagegen“, zusammenfasste.
Noch krasser und schnörkelloser brachte es unser Spitzenkandidat, Martin Schirdewan auf den Punkt, indem er einen FAZ-Bericht aufgriff, indem er gestern schrieb: „Mit Blick auf den Deutsch-Französischen Kuhhandel um Nordstream 2 könnte man sagen: Die Bundesregierung verkauft das freie Internet für russisches Gas.“
Uploadfilter II: Die letzte Plenumswoche steht vor der Tür und diesmal wird über die „Terrorfilter“ entschieden
In der kommenden Woche soll gleich zum zweiten Mal über den Einsatz von Uploadfiltern entschieden werden. Diesmal geht es nicht um die Inhaltserkennung bei urheberrechtlich geschützte Material, sondern um die Anti-Terrorbekämpfung. Mit rasender Geschwindigkeit und nächste Woche auch noch – geplant – ohne Debatte, soll erneut über Grundrechte entschieden werden und wie sie geschützt werden können bei einem gleichzeitigen Kampf gegen online-Terrorismus. Oder wird dort eher entschieden, wieviel Grundrechte man schleifen kann, um mit einem schwammigen Terrorbegriff in weitere Überwachungsstrukturen gegen Bürgerinnen und Bürger einzusteigen. Zwar sind in der jetzigen Fassung die Uploadfilter (hier ist es Artikel 6) nicht mehr verpflichtend, aber eine Löschfrist nach Aufforderung von Justizsstellen, einschließlich Europol, innerhalb einer Stunde, lassen erneut keine andere Möglichkeit, denn auch für kleine Provider gibt es keinerlei Ausnahmen und niemand kann sich 24 Stunden in sein Büro legen oder seinen Mailaccount überwachen, um Löschmeldungen in einer 1-Stunden-Frist prüfend zu begegnen. Den Stand der Dinge hat Netzpolitik.org, wie so oft, vorbildlich zusammengefasst. Und wir berichten dann in der kommenden Plenumswoche vom Gang der Dinge.