Ausstellung von Breaking the Silence im Europaparlament – Israelische Soldaten sprechen über ihre Dienstzeit in besetzten Gebieten
… und was das mit weiteren Meldungen dieser Woche zu tun hat
Breaking the Silence präsentierte in dieser Woche im Europäischen Parlament eine Fotoausstellung. Die Organisation sammelt und publiziert Zeugenaussagen von Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), die seit der Zweiten Intifada im Jahr 2000 bis heute in den besetzten palästinensischen Gebieten gedient haben. Es geht darum, den Alltag in den Gebieten ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und öffentliche Debatten über den Preis militärischer Kontrolle einer Zivilbevölkerung auszulösen. Zusammen mit den Zeugenaussagen wurden Fotos ausgestellt, welche von IDF-Soldaten während ihres Dienstes aufgenommen wurden und einen erschreckenden Eindruck von Gewalt, Diskriminierung und Abstumpfung vermitteln, die die 52 Jahre währende Besatzung mit sich bringt.
Martina Michels hatte Breaking the Silence im November 2017 am Rande des jährlichen Treffens der Interparlamentarischen Versammlung Europaparlament – Knesset in Israel besucht. Eine kurze Vorstellung der Organisation ist in unserem Heft „Das andere Israel“ enthalten.
Die Ausstellung fällt zeitlich zusammen mit der Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zu den Protesten an der Grenze zu Gaza im Jahr 2018: Nach Angaben der Kommission könnte die gezielte Tötung von Zivilisten durch israelische Scharfschützen als Kriegsverbrechen angesehen werden, zumal in den Fällen, in denen die Opfer weder direkt an Feindseligkeiten beteiligt waren noch eine unmittelbare Bedrohung darstellten. Darunter sind Journalisten, Sanitäter, Kinder und Behinderte, die jeweils „klar als solche erkennbar“ waren. Auch das Europaparlament hatte frühzeitig eine unabhängige internationale Untersuchungskommission gefordert, Martina Michels hatte im Namen der Linksfraktion GUE/NGL im Plenum dafür geworben.
Israels Regierung hatte sich von Anfang gegen die Untersuchung der Vereinten Nationen gesperrt und hält den Menschenrechtsrat insgesamt für befangen. So wurde der dreiköpfigen Untersuchungsgruppe der Besuch von Israel oder Gaza nicht gestattet. Die Kommission führte daher 325 Interviews durch und zog mehr als 8.000 Dokumente zurate, darunter eidesstattliche Erklärungen und medizinische Berichte sowie Fotos und Video- und Drohnenmaterial. Sie fordert Israel auf, die beschriebenen Fälle gerichtlich zu untersuchen.
In dieser Woche jährte sich auch zum 25 Mal der Jahrestag des Baruch Goldstein Massakers. Am 25. Februar 1994 erschoss ein militanter Siedler 29 betende Palästinenser in der Ibrahim Mosque in Hebron, weitere über 100 wurden verletzt. Die Teilung der Stadt geht auf dieses Ereignis zurück, ebenso wie der Einsatz des „Temporary International Presence“ in Hebron auf der Grundlage der UN-Sicherheitsratsresolution 904. Ihr gehörten zuletzt 64 internationale zivile Beobachter aus Italien, Norwegen, Schweden, der Schweiz und der Türkei an. Am 28. Januar 2019 kündigte Israels Premierminister Benjamin Netanyahu an, dass das Mandat für diese Gruppe nicht verlängert wird. Die Außenbauftragte der EU, Federica Mogherini, erinnerte daraufhin in Übereinstimmung mit den beitragenden Ländern, an die „völkerrechtliche Verpflichtung Israels, das palästinensische Volk in Hebron und in anderen Teilen des besetzten palästinensischen Gebiets zu schützen“.
Währenddessen bereitet sich Israel auf vorgezogene Parlamentswahlen am 9. April 2019 vor. Premierminister Netanyahu würde das rechtsradikale Bündnis Otzma Jehudit (Jüdische Macht) in eine Koalition einladen – Nachfolgepartei der 1994 verbotenen und in der EU und den USA als Terrororganisation geführten Kach-Partei. Unter ihrem Vorsitzenden Meir Kahane predigte die Kach in den achtziger Jahren die Vertreibung der Araber*innen aus Israel. Viele der 800 heute in Hebron lebenden Siedler*innen sind bis heute seine Anhänger. Netanyahu selbst muss inzwischen mit einer Anklage des israelischen Generalstaatsanwalts wegen Korruption, Bestechlichkeit sowie Betrugs und Untreue rechnen. „Blau-Weiß“, Israels neue (rechts der) Mitte-Partei, weiß laut Umfragen bereits davon zu profitieren. Ein breites linkes Bündnis, gar geneinsam mit arabischen Parteien, jenseits von zivilgesellschaftlichen Protesten und klugen, aber einsamen Aufrufen, wie denen der jüdisch-arabischen Graswurzelbewegung „Standing Together“ gegen den Rechtstrend der Regierungskoalition und im Land insgesamt, scheint leider nicht in Sicht.
Die Europäische Union und die Arabische Liga trafen sich am 24. und 25. Februar 2019 zu einem allerersten offiziellen Gipfeltreffen im ägyptischen Scharm el Scheich. Medial erreichte wohl vor allem der Eklat zur Frage der Menschenrechte die öffentliche Aufmerksamkeit, bei dem der ägyptische Staatspräsident die unterschiedlichen Vorstellungen Europas und der arabischen Welt zu eben diesen unmissverständlich betonte. Und obgleich die gemeinsame Abschluss-Erklärung gelegentlich als langweilig beschrieben wurde, so ist doch das Stattfinden des Gipfels ebenso zu würdigen, wie die praktische Zusammenarbeit in Teilen, beispielsweise bei der Vereinbarung „illegalen Migration“ einzudämmen, äußerst kritisch zu hinterfragen. Den stockenden Nahost-Friedensprozess wird dieses Treffen nicht wesentlich voranbringen. Doch immerhin bekräftigten beide Seiten „unsere gemeinsamen Positionen zum Nahost-Friedensprozess, einschließlich zum Status Jerusalems, und zur völkerrechtlichen Illegalität israelischer Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten“. Bekräftigt wurde das Ziel, auf der Grundlage aller einschlägigen UN-Resolutionen zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen, die 1967 begonnene Besatzung, einschließlich Ost-Jerusalems, zu beenden und einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen durch direkte Verhandlungen zu erreichen. Hervorgehoben wurde die Bedeutung globalen Nichtverbreitungsarchitektur im Nuklearbereich auf der Grundlage NPT-Vertrags und das Ziel einer Nahost-Region, die frei von Massenvernichtungswaffen und deren Trägermitteln ist.