Mehrjähriger Finanzrahmen: Chance vergeben
Der EU-Haushalt ist Ausdruck politischer Prioritätensetzung und alle sieben Jahre eine kleine Neustart-Chance für die EU. Es wäre an der Zeit für ein Ende des Sozialabbaus, der rigorosen Sparpolitik und Privatisierungen. Die Angleichung sozialer und Umweltstandards nach oben müsste Priorität erhalten, die EU als Garant für Frieden und Solidarität erkennbarer werden.
Martina Michels, regionalpolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament, kommentiert die heutige Vorstellung des ‚Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027‘: „Die EU-Kommission vergibt ihre Chance für einen Neustart und für eine Renaissance des Öffentlichen.“
Martina Michels weiter: „Über die Fraktionsgrenzen hinweg forderte das Europaparlament eine sachlich begründete Untergrenze für den Finanzrahmen von wenigstens 1,3 Prozent des EU-BIP. Wider besseren Wissens also schlägt die Kommission mit Ankündigung einen deutlich unterfinanzierten Haushalt von 1,11 Prozent vor. Die als ausgemacht scheinenden neuen und zusätzlichen Verteidigungs-, Sicherheits- und Grenzabschottungsvorhaben stellt sie dabei ins Rampenlicht. So gibt es erstmals eine Haushaltsrubrik ‚Sicherheit und Verteidigung‘. 27,5 Milliarden Euro stehen dafür gesondert im Plan, zusätzlich zur Außen- und Grenzpolitik, deren Ausgaben sich verdoppeln.“
„Bei der Finanzierung der EU-Förderfonds für die Regionalpolitik und ländliche Entwicklung hingegen wird erneut gekürzt, also bei jenen Politiken, die die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU und damit europäische Integration wirklich voranbringen. Angekündigt ist außerdem, die Strukturfonds künftig noch stärker als Zwangsinstrumente zur Finanzierung von Strukturreformen zu missbrauchen, also zur Durchsetzung beispielsweise von Arbeitsmarktflexibilisierung, Privatisierung sozialer Daseinsvorsorge und anderer öffentlicher Dienste.“
Michels fordert: „Die Linke will stattdessen eine ‚Renaissance des Öffentlichen‘. Das würde eine massive Ausweitung öffentlicher Investitionstätigkeit bedeuten. Beispielsweise Investitionen in den verschiedenen Bereichen der materiellen öffentlichen Infrastruktur im Rahmen des sozial-ökologischen Umbaus, im immateriellen Bereich wie Bildung, Gesundheit, Kultur, Inklusion, in grenzüberschreitenden Austausch sowie in neue Formen partizipativer und demokratischer Wirtschaft.“
„Die Kommission kündigt außerdem an, EU-Fördermittel zunehmend als Sanktionen bei Nichteinhaltung rechtsstaatlicher Standards nutzen zu wollen und schlägt einen sogenannten Rechtsstaatsvorbehalt bei der Zahlung von Fördermitteln vor. Rechtsstaatlichkeit stellt sich jedoch nicht her, indem man Regionen doppelt bestraft: Mittelkürzungen bei notwendigen regionalen Investitionen oder gar Projekten zur Förderung des demokratischen Zusammenlebens wären wirklich das unsinnigste Instrument und würden Regionen, Kommunen und Bürgerinitiativen für Versagen ihrer nationalen Regierungen bestrafen. Zugleich muss natürlich gelten, dass EU-geförderte Projekte selbst demokratischen und inklusiven Kriterien folgen.“
„Auch bei der Frage nach Fördermittelvergaben zur Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen muss gelten, dass Projekte zur Integration unter anderem über Strukturfonds förderfähig werden sollen und zusätzliche Hilfen für besondere Situationen ermöglicht und ausfinanziert werden müssen. Aber die Weigerung einer nationalen Regierung, Migrant*innen aufzunehmen, darf nicht zum Ausschluss der Regionen dieses Mitgliedstaates aus der EU-Förderung für die regionale und grenzüberschreitende Entwicklung führen.“
Die Erklärung der Kommission zum ‚Beschluss der Kommission über den MFR nach 2020‘ und dazugehörige Plenardebatte finden heute ab 13:00 Uhr statt.
Hintergrund:
Der Kommissionsvorschlag für einen Mehrjährigen Finanzrahmen: MFF 2021-2027 (EU-Kommission)
Zum Vergleich der letzte Mehrjährige Finanzrahmen: MFF 2014-2020
Meinungsartikel „Es gibt zu wenig Solidarität – Der Einsatz der Finanzmittel der Europäischen Union entscheidet wesentlich über derer Charakter“ (Neues Deutschland, 3. April 2018)