Nach uns die Sintflut?!
Situation in der Türkei wird fahrlässig in Wahlkämpfen der EU-Mitgliedstaaten instrumentalisiert
Unabhängig von den Debatten und Entscheidungen in den EU-Mitgliedstaaten zum Umgang mit den Wahlkampfbegehren türkischer RegierungsvertreterInnen, die stark von den aktuellen Wahlkämpfen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland geprägt waren und sind, beschloss die Vollversammlung des Europarates am 13. März zwei Entschließungen auf der Basis von Gutachten ihrer Verfassungs- und GrundrechteexpertInnen, der Venedig-Kommission. Martina Michels (DIE LINKE.), stellvertretendes Mitglied in der parlamentarischen Delegation EU-Türkei kommentiert dazu:
„Wer derzeit die zerrissene Lage in der türkischen Gesellschaft vor dem Verfassungsreferendum ohne jeden Lösungsansatz in den eigenen Wahlkämpfen instrumentalisiert, handelt verantwortungslos, fahrlässig und beteiligt sich an der Konfliktzuspitzung! Dabei lässt sich die politische Kommentierung konsequent versachlichen und dies ist auch dringend geboten, denn die weitere Zuspitzung hilft letztlich nur Erdoğans Kommunikationsstrategen und schadet der demokratischen Debatte in der Türkei und den EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen.“
„Die Verfassungsexperten des Europarates (Venedig-Kommission) warnten in ihrem Gutachten, vor einem Ein-Personen-Regime‘ in der Türkei. Wenn eine aufgewertete präsidiale Macht zugleich mit dem Abbau von Kontrollmöglichkeiten einhergeht, dann ist nicht mehr von einem demokratisch legitimierten Präsidialsystem auszugehen, wenn es nicht durch eine funktionierende Gewaltenteilung getragen wird.“
Gleichfalls verweist Martina Michels abschließend auf weitere Gutachten, die unter anderem den Zusammenhang des Ausnahmezustandes mit der Einschränkung der Medienfreiheit untersuchten und kommentiert abschließend: „Der Umgang mit der Türkei, die Mitglied im Europarat ist, insbesondere durch RegierungsvertreterInnen der EU-Mitgliedstaaten, sollte von grundlegenden demokratischen Grundprinzipien geprägt sein. Niemand kann es sich hier einfach machen, denn eine weitere Isolierung der Türkei nutzt vor allem Erdoğans autokratischen Führungsansprüchen und schadet dem dringenden Dialog mit der verfolgten Zivilgesellschaft in der Türkei.“
„Es ist letztlich niemandem geholfen, wenn wir in die Selbstdarstellungsfalle Erdoğans tappen und sein ‘Türkentum gegen den Rest Welt‘ unterstützen. Trotzdem sind klare Worte von der EU und der Bundesregierung angebracht, ob es um die inhaftierte politische Opposition oder MedienvertreterInnen geht. Gerade ist der UN-Bericht zu den Zerstörungen und Vertreibungen im Südosten der Türkei erschienen, der schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte der Türkei erhebt. Schweigen ist keine Lösung und letztlich geht es uns alle an, was in der Türkei passiert.“
Zum Hintergrund:
- Annahme der Kommentare der Venedig Kommission in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zum Verfassungsreferendum vom 13. März 2017
- Entschließung zur Medienfreiheit in der Türkei im Ausnahmezustand vom 13. März 2017
- UN-Bericht zu den Zerstörungen und Vertreibungen im Südosten der Türkei