Juncker Gate: Wenn es ernst wird, müssen wir lügen?
Erklärung des Europaabgeordneten Fabio De Masi (DIE LINKE.) zur Berichterstattung von SPIEGEL Online zu mutmaßlichen Falschaussagen des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker gegenüber De Masi bzw. dem Sonderausschuss zu Steuervorbescheiden sowie Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE) des Europäischen Parlaments, der nach den Luxemburg Leaks eingerichtet wurde.
Demnach wurde eine Seite aus dem Bericht des damaligen Abgeordneten und späteren Wirtschaftsministers Luxemburgs, Jeannot Krecké, zur Luxemburger Steuerpraxis entfernt, da die dortigen Ausführungen zu Tax Rulings als zu heikel empfunden wurden und Juncker wurde diese Seite neben dem Luxemburger Sozialdemokraten Lucien Lux 1997 sowie kürzlich ein weiteres Mal durch Krecké übergeben. Fabio De Masi, Schattenberichterstatter der Linksfraktion GUE/NGL in TAXE, führt hierzu aus:
„Juncker kann sich nicht mehr wegducken. Wenn Herr Krecké die Wahrheit sagt, hat Herr Juncker meine Frage zu der geheimen Seite des Krecké-Berichts im Parlament wahrheitswidrig beantwortet. Er hat behauptet, von der Seite erst 2014 durch ein Interview Kreckés erfahren zu haben und nicht über die Seite zu verfügen. Das ist schon deshalb unglaubwürdig, weil Herr Krecké bereits in diesem Interview mit der Journalistin Véronique Poujol bzw. dem Luxemburger Radiosender 100,7 erklärte, Herrn Juncker die Seite übermittelt zu haben und Herr Juncker im Ausschuss ausführte, er habe sich am Vortag mit Herrn Krecké über den Vorgang verständigt.
Herr Krecké hat in einer Antwort auf ein Schreiben von mir am vergangenen Donnerstag seine Aussagen bestätigt, wonach er Juncker die Seite 1997 sowie erneut ‚kürzlich‘ übergeben und auch mit ihm besprochen habe. Er hat hiernach mir gegenüber erklärt, es handele sich um eine nicht-redigierte Antwort. Am Freitag schob er eine Erklärung nach, in der er den Zeitpunkt der zweiten Übergabe auf den 17. September 2015 datierte – nach der TAXE-Anhörung.
Die Journalistin Véronique Poujol, die beide Vorgänge enthüllte und am Tag der Anhörung ein Gespräch mit Krecké führte, geht auf Grundlage seiner mündlichen Schilderungen jedoch fest davon aus, dass auch die zweite Aushändigung nach dem ersten Interview Kreckés mit ihr zu der Angelegenheit im November 2014 und somit lange vor der Anhörung in TAXE erfolgte.
Es geht also um die Frage, ob Juncker die doppelte oder einfache Unwahrheit erklärt hat. Dass er die erste Übergabe der Seite vergessen haben sollte, ist angesichts der Geheimniskrämerei um die Seite sowie seiner Kenntnis der Aussagen Kreckés in den genannten Interviews völlig unglaubwürdig. Dass die zweite Aushändigung unmittelbar nach der Anhörung erfolgt sein soll, ist angesichts unterschiedlicher Ausführungen von Herrn Krecké und den zeitlichen Abläufen des Tages zumindest fragwürdig. Ein Schreiben von mir, mit der Bitte um Aufklärung, hat Herr Juncker bis dato nicht beantwortet.
Fest steht, wenn Herr Kreckés Ausführungen stimmen, verfügt Herr Juncker spätestens seit der Anhörung erneut über die Seite und muss diese dem Ausschuss in seiner Eigenschaft als EU-Kommissionspräsident aushändigen. Herr Krecké lehnt eine Aushändigung der Seite ab. Mein Angebot, Herrn Juncker bei der Suche in seinem Keller oder sonst wo behilflich zu sein, steht weiterhin.
Wenn die Luxemburger Steuerpraxis legal war – wie Herr Juncker behauptet – sollte eine Veröffentlichung unproblematisch sein. Die EU-Wettbewerbskommissarin Vestager hat auf eine entsprechende schriftliche Anfrage von mir kürzlich erklärt, die Seite sei für die beihilferechtlichen Ermittlungen irrelevant, obwohl sie den Inhalt gar nicht kennt. Dies bestätigt die Auffassung der Linken, wonach nichts dabei heraus kommt, wenn Juncker gegen Juncker ermittelt.
Ich fordere angesichts der neuen Widersprüche eine Anhörung von Krecké, Poujol und Juncker durch TAXE. Sollte Herr Juncker die Unwahrheit gesagt haben, sind die politischen Konsequenzen zu ziehen. Zunächst muss aber TAXE handeln und ein echter Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, wie es Linksfraktion und Grüne seit jeher fordern. Die große Koalition im Europäischen Parlament muss ihren Widerstand dagegen aufgeben und endlich die ehrlichen Steuerzahler schützen, nicht Juncker und das Steuerdumping internationaler Konzerne in der Europäischen Union.
Wir verweisen auf das Video der Befragung Jean Claude Junckers durch Fabio De Masi aus dem Sonderausschuss TAXE.
Die Korrespondenz von De Masi mit Jeannot Krecke und Jean Claude Juncker wird nach Übermittlung an den Sonderausschuss in Kürze auf der Homepage www.fabiodemasi.de veröffentlicht.