TTIP: die Skepsis bleibt
Hearing für Sozialpartner in Brüssel: Thomas Händel stellt Bedingungen
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände aus allen 28 EU-Mitgliedsstaaten waren am Dienstag dieser Woche zur TTIP-Konferenz nach Brüssel eingeladen. Thomas Händel (Die LINKE.), Vorsitzender des Beschäftigungs- und Sozialausschusses (EMPL), bekräftigte in einem Statement seine Skepsis: „Globalisierter Handel darf nicht zum grenzen- und gnadenlosen Freihandel werden.“
Freihandelsabkommen gingen meist zu Lasten von Schwächeren. TTIP dürfe darum nicht mit einer „Ja, aber“-Haltung durchgewunken werden. Zu TTIP müsse „nein“ gesagt werden, falls die Nachteile überwögen. Als EMPL-Vorsitzender könne er dem Abkommen mit den USA nur zustimmen, wenn es belastbare Belege dafür gebe, dass Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen würden, sagte Händel. Ebenso brauche es verbindliche Abmachungen, die die Absenkung von Arbeits- und Sozialstandards ausschließen.
Zur Konferenz hatten der luxemburgische EU-Ratsvorsitz, Europäisches Parlament, EU-Kommission und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eingeladen, mit dabei war auch Handelskommissarin Cecilia Malmström. Deren Prognose, wonach durch den Freihandel mit den USA fünf Millionen neue Arbeitsplätze entstünden, hält Thomas Händel für reine Rhetorik. „Die Erwartungen sind aus der Luft gegriffen.“ Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert bis 2027 ein Wirtschaftswachstum von jährlich 0,036 Prozent, eine OECD-Studie ein Plus von 0,04 Prozent. Das Institut für Wirtschaftsforschung (IFO) kommt zu dem Ergebnis: „Selbst im optimistischsten Szenario sind die ökonomischen Aspekte klein.“
Tatsächlich würden beträchtliche Anpassungskosten als Ergebnis von Arbeitsplatzverlusten in relevanten Untersuchungen zu TTIP nicht berücksichtigt. Das Argument, wonach die Folgekosten von Arbeitslosigkeit in kurzer Zeit kompensiert würden, verfange nicht. Händel: „Das geschieht seit Jahren nicht!“ Kein einziges Argument der EU-Kommission pro TTIP werde durch deren eigene Studien gedeckt.
Auffällig sei, dass gerade jetzt Arbeitgeber die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gesetzten Standards überarbeitet haben wollten. Die Absicht, so Thomas Händel, sei offensichtlich: „Jetzt die Standards über die ILO hintertreiben und das Niveau so absenken, dass sie in der Freihandelspraxis nicht mehr wehtun.“ Die USA hätten sechs von acht Kern-ILO-Arbeitsnormen nicht ratifiziert. Und in der Hälfte der US-Bundesstaaten seien bereits Gesetze beschlossen, die Arbeitnehmerrechte und gewerkschaftliche Interessenvertretung massiv einschränken.
Darüber hinaus sehe TTIP ausdrücklich den Schutz von Investoren vor: Schutzbedürftig, so die Bundesregierung in einer seltsam heimelig anmutenden Argumentation, seien Unternehmen, die mit den Vorschriften eines anderen Staates nicht vertraut seien. „Das lädt zur Narrenfreiheit ein“, sagt Thomas Händel. „Unternehmensinteressen dürfen keinesfalls über geltende Gesetze, staatliches Handeln und die Grundelemente der Demokratie gehen.“
Misstrauen ist bei den zu erwartenden Verhandlungsergebnissen dringend notwendig. Händel: „Sollte aus den öffentlich gewordenen CETA-Verträgen hervorgehen, dass auch die Förderung von öffentlicher Beschäftigung eine Investorenklage vor den so genannten internationalen „Schiedsgerichten“ auf entgangene Gewinne auslösen könnte, ist das ein massiver Eingriff in die Handlungsfähigkeit von Staaten, eine wirksame Beschäftigungspolitik zu betreiben.“
Allen Abwiegelungsversuchen der EU-Kommission zum Trotz dringt Händel auf mehr Transparenz. Die Furcht der Kommission, wonach die eigene Position in den Verhandlungen mit den USA geschwächt werde, wenn zu viele Details öffentlich diskutiert würden, hält Händel für fadenscheinig: „In jeder Tarifverhandlung, das ist meine Erfahrung, werden wohl kalkuliert Zwischenergebnisse öffentlich gemacht. Man kann sehr wohl taktisch vorgehen und zugleich für Transparenz sorgen. Wer Freihandel haben will, muss Vertrauen schaffen, die Lebensinteressen der Menschen respektieren und fairen Welthandel sichern. Anders geht es nicht.“
„Ich bin kein Fan von TTIP und von schrankenlosen Freihandelsabkommen allgemein“, sagt Händel und formuliert die Kernforderungen des Beschäftigungs- und Sozialausschusses im Europäischen Parlament:
– Belege für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
– keine Absenkung von Sozialstandards (Arbeitnehmerrechte etc.)
– Ausgliederung öffentlicher Dienstleistungen und Daseinsvorsorge aus dem Abkommen
– die Re-Kommunalisierung muss jederzeit möglich sein
– keine privaten Schiedsgerichte
– keine Regulierungs-Kooperation zu Lasten von Arbeits- und Sozialsystemen