ACTA oder der Tod der Informationsfreiheit
von Cornelia Ernst und Lorenz Krämer
Haben sie schon einmal etwas von »ACTA« gehört? Wenn nicht, ist die Taktik der verhandelnden Industrieländer aufgegangen. ACTA steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement oder auf deutsch »Abkommen gegen den Handel mit gefälschten Produkten«. seit 2007 verhandelt die europäische Kommission darüber mit ihren wichtigsten Handelspartnern – hinter verschlossenen Türen. bevor sich die Unterhändler im Dezember 2010 auf einen unterschriftsreifen Text geeinigt hatten, wurde selbst Parlamentariern der Einblick verwehrt.
Für Bürgerrechtler und Netzaktivisten war diese völlige Intransparenz ein Grund mehr, hellhörig zu werden. NGOs wiesen zu recht auf die Gefahr hin, dass im Namen des Kampfs gegen Produktfälschung das Recht auf Informationsfreiheit im Internet merklich beschnitten werden könnte und dass Strafverschärfungen
drohen, die in kaum einem Parlament in Europa mehrheitsfähig sind. Nun stellt sich heraus, dass die Pessimisten richtig gelegen haben. Aus bürgerrechtlicher sicht besonders problematisch ist die Verpflichtung der ACTA-unterzeichner, mit einstweiligen Verfügungen präventiv gegen Verletzungen des Urheberrechts vorzugehen. Mögliche Folgen: Netzsperren, die Filterung des Datenverkehrs sowie die Haftung von Internetprovidern für den Datenverkehr.
Letzteres würde nichts anderes bedeuten, als den Boten für die Nachricht verantwortlich zu machen. Aus unserer sicht eine Todsünde für die Meinungs- und Informationsfreiheit. ein weiteres Problem ist die Verschärfung des digitalen Kopierschutzes. Zwar ist es schon heute in vielen Ländern illegal, digitale Produkte
zu kopieren. Doch das Antipiraterie- Abkommen geht noch einen deutlichen schritt weiter: eine Straftat begeht künftig bereits, wer Computer-software herstellt oder verbreitet, die das Knacken digitaler Kopierschutz-Mechanismen ermöglicht.
Außer der Unterhaltungsindustrie wird davon sicher niemand profitieren. um die Bedeutung des Abkommens zu beurteilen, muss man sich vergegenwärtigen, dass Filme und Musikstücke heute fast nur noch in digitaler Form auf den Markt kommen. Wer sich den Kauf teurer DVDs nicht leisten kann, droht von aktuellen kulturellen Entwicklungen abgeschnitten zu werden, wird gesellschaftlich an den Rand gedrängt.
Dabei kann Kopierschutz in der Praxis auch schlicht bedeuten, dass DVDs nicht am PC abgespielt werden können, sondern dass ein technisch überflüssiger DVD-spieler
angeschafft werden muss. Doch das Abkommen ist nicht nur unsozial, es ist auch fortschrittsfeindlich. Denn: Freie Programmierer, die für die Weiterentwicklung moderner Software eine wichtige Rolle spielen, werden unter Generalverdacht
gestellt – Wissensgesellschaft sieht anders aus.
Noch ist es jedoch nicht so weit. internationale Abkommen benötigen inzwischen das Okay des Europäischen Parlaments, um bei uns in Kraft zu treten.
Die Linksfraktion im Europäischen Parlament wird sich querstellen.
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http://www.dielinke-europa.eu/article/7707.europarot-solidaritaet-in-europa-und-in-der-welt.html?sstr=ACTA