ISDS – Investor-gegen-Staat-Klagemechanismus

Helmut Scholz, Bernd Schneider, Jonathan Schwestka

Europäische und nordamerikanische Staaten haben in mehr als 2.000 Fällen Druck auf die Regierungen hauptsächlich von Entwicklungsländern ausgeübt, um sie zur Unterzeichnung von Abkommen zum Schutz von Investoreninteressen zu zwingen. Diese Verträge verpflichten zur Anerkennung von Sondergerichten für Investorenklagen, kurz ISDS (Investor-to-State-Dispute-Settlement). Mit dem Beitritt zur Energiecharta verpflichtete sich auch die Europäische Union zur Anerkennung des darin enthaltenen ISDS-Klagemechanismus.

Diese Praxis hat es Anwaltskanzleien ermöglicht, Schadenersatz einzuklagen, wenn die erwarteten Profite von Investoren durch neue Regulierungen, etwa strengere Umweltgesetze, geschmälert wurden. Dies hat zu einer milliardenschweren Klageindustrie im Zeitalter der Globalisierung geführt, die oft fortschrittliche Gesetze allein durch die Androhung von Klagen behindert.

Die Europäische Union hat separate Investorenschutzabkommen mit Kanada (im Rahmen von CETA) und mit Singapur abgeschlossen, und auch das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA, dessen Verhandlungen vorläufig ausgesetzt wurden, sollte ursprünglich ISDS beinhalten. Die beiden erstgenannten Abkommen wurden bereits im Rat und dem Europaparlament ratifiziert, die Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten läuft noch. Aufgrund des erheblichen öffentlichen Widerstands gegen ISDS in Europa wurde in den beiden neueren Abkommen eine überarbeitete Form von Sondergerichten vereinbart, das sogenannte ICS (Investment Court System/Investitionsgerichtshof). Während dieses neue System unabhängige Richter und eine höhere Transparenz in Schiedsverfahren bieten soll, wurde die Logik beibehalten, dass ausländische Investoren bei enttäuschter Profiterwartung vor einem Sondertribunal auf Schadensersatz klagen können.

Nun arbeitet die EU-Kommission an der Schaffung des Multilateralen Investitionsgerichtshofs (MIC), einer neuen Institution, die durch einheitliche Regeln die Unparteilichkeit der Schiedsrichter und die Qualität der Schiedsverfahren verbessern soll.

Die Abgeordneten der Linken im Europaparlament lehnen ISDS geschlossen ab. Sie haben bei allen damit verbundenen Abkommen und Begleitgesetzen gegen ISDS gestimmt. Sie setzen sich dafür ein, dass ausländische Investoren kein Sonderklagerecht erhalten und dass Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet bleibt, und argumentieren, dass der normale Rechtsweg durch ordentliche Gerichte auch Investoren zu genügen hat. Alle nationalen Gesetzessysteme regeln Entschädigungsansprüche. Im Konfliktfall zwischen Konzern und öffentlichem Interesse ist immer eine Abwägung der Rechtsgüter notwendig. Für diese Aufgabe sind unsere Richter*innen ausgebildet. Die Investment-Anwälte in den Sondertribunalen können das nicht.

Darüber hinaus lehnen die Europaabgeordneten der Linken auch ICS ab, da es sich um das alte ISDS-Prinzip unter einem neuen Namen handelt. Auch der Multilaterale Investitionsgerichtshof (MIC) würde in der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Form nur dasselbe Prinzip fortführen.