Martinas Woche 41_2022: Strasbourg lag im Sonnenschein
Krieg in der Ukraine – Europäische Energiepolitik – Proteste im Iran – Filmwirtschaft
Wie schön, kalt oder stürmisch das Wetter im beschaulichen Straßburg ist, das bemerken die Abgeordneten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumeist gar nicht, wenn sie am Montag zu einer Plenarwoche im Parlament eintreffen. Gleich am ersten Abend musste Martina auf zwei Hochzeiten tanzen. Einmal war sie nach der eigenen Fraktionssitzung, dann in einem Sonder-Kulturausschuss, in dem erstmalig über den Implementierungsbericht der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie in den Mitgliedstaaten diskutiert wurde. Zum anderen wurde am späten Abend noch der Bericht zu FastCare im Plenum vorgestellt, ein Programm, das als neues Kriseninstrument gedacht ist, um Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine zu bewältigen, die auch in der EU alle Regionen treffen. Es geht um die Unterstützung derjenigen Regionen und Kommunen, die sich um Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Drittstaaten kümmern. Das Aufstocken der Fördersätze sowie Fristverlängerungen sollen die Umsetzung der Projekte, die aus Strukturmittel bezahlt werden, vereinfachen.
Die anderen großen Themen der Woche waren die Zuspitzung des Ukraine-Krieges durch die russischen Annexionen, die hohen Energiepreise und die Proteste im Iran.
Last but not least, das einheitliche Ladekabel für elektronische Geräte kommt in Gestalt des USB-C-Standards. Und es wurde ein erstes Paket zur Gesundheitsunion verabschiedet und über die Erweiterung des Schengen-Raums debattiert.
EU reagiert auf die Eskalation im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sortiert die energiepolitischen Vorschläge der Kommission
Kommissionspräsidentin von der Leyen und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, leiteten die Debatte am Mittwochvormittag ein und stellten das neue Sanktionspaket vor, das unter der tschechischen Ratspräsidentschaft erarbeitet wurde und darauf zielt, den Ex- und Import mit Russland weiter einzuschränken, um vor allem mehr Energieunabhängigkeit zu erreichen. Der Beitritt der Ukraine sollte weiter als Unterstützungsangebot kommuniziert werden. Immerhin fielen sacht die Worte Diplomatie und Aufklärung, wenn auch reichlich unkonkret. Borrell sah als gemeinsames Ziel der EU ein Ende des Krieges mit dem souveränen Staat Ukraine und einem Russland, das Verantwortung für Kriegsverbrechen übernimmt und sich auch am Wiederaufbau beteiligen muss. Dabei betonte er, bezogen auf die weiterhin steigenden Energiepreise, dass sich die EU-Mitgliedstaaten in diesem Winter nicht von Russlands Lieferpolitik entzweien lassen dürfen. Ursula von der Leyen übte sich in ungewöhnlicher Dramatik hinsichtlich der Eskalation des Krieges, beurteilte diese Politik aus Moskau von der Mobilmachung bis zu den Scheinreferenden als Reaktion auf wirksame Sanktionen ohne deren Kehrseite, die grassierende Inflation und die weltweiten Folgen, kleinzureden. Mindestens an dieser Stelle hätte man nun einen beherzten europäischen Energiepreis-Rettungsschirm erwartet. Doch immerhin wissen wir jetzt: Die Kommission arbeitet ein einem Gesetzgebungsverfahren, das Profite von Stromproduzenten abschöpfen soll, damit die Mitgliedstaaten mehr Mittel für soziale und wirtschaftliche Ausgleichsmechanismen zur Verfügung haben. Stolz verwies sie nochmals auf die Aufstockung von RePowerEU, das Programm für verbesserte Energie-Effiziens, das Martina schon einige Tage zuvor in der Anlage (nicht der Ausrichtung) kritisierte, weil sich wie so oft, alle auf die Schulter klopfen, obwohl nur innerhalb der Strukturfonds umverteilt wurde und die „Feuerwehr“ wieder von der Substanz lebt.
Gemeinsame Einkäufe für Energie gehörten zu den weiteren Dämpfungsmaßnahmen, die speziell im kommenden Winter greifen sollen. Damit soll auch ein Wettlauf der Mitgliedstaaten um günstige Energieeinkäufe verhindert werden. Zudem muss endlich der Strompreis vom Gas entkoppelt werden. Obergrenzen für Gaspreise wollte von der Leyen schon als strukturelle Reform der Strommärkte verstanden wissen. Deren Problem an sich, dass Energie kein öffentliches Gut ist, blieb dabei unangetastet. Martin Schirdewan setzte in der Debatte nochmals bei ausbleibenden konkreten diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Krieges an, deren konkrete Ankündigung viele Menschen, wie die von ihm besuchten Mitarbeiter in Schwedt genauso beruhigen würde, wie die Energiepreise selbst. Er forderte zugleich offene EU-Grenzen für Deserteure und russische Regimekritiker*innen.
Gerade angesichts der Eskalation, wie der erneute Beschuss Kiews und vieler ziviler Ziele durch die russischen Streitkräfte, welcher von der OSZE schon verteilt wurde und derzeit in der UN-Versammlung behandelt wird, sind alle internationalen diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Krieges massiv zu intensivieren.
Eine Resolution zur Verurteilung der Eskalation des russischen Angriffskrieges und eine, die eine angemessene Preisobergrenze für Pipeline-Gasimporte und Maßnahmen zur Bekämpfung der Spekulationen auf dem Energiemarkt fordert, wurden nach der Debatte am Mittwoch vom Parlament angenommen und fordern damit auch die EU-Kommission zum sofortigen Handeln auf.
Unsere Fraktion antwortete auf die ganzen Debatten nicht nur parlamentarisch, sondern protestierte gemeinsam mit französischen Gewerkschaften auf den Straßen Straßburgs dagegen, dass u. a. die Profite der Öl- und Gaskonzerne ihre Löhne auffressen, mit denen sie der Energiekrise begegnen sollen.
Solidarität mit den Protesten im Iran
Die Abgeordnete erklärten sich solidarisch mit den Protestierenden im Iran. Sie verurteilen die Ermordung der Kurdin Mahsa Amini, die die Protestwelle im Iran erst in Gang setzte. Inzwischen sind viele weitere Opfer der staatlichen Gewalt des Mullah-Regimes zu beklagen. Viele Demonstrant*innen wurden inhaftiert. Viele junge Männer unterstützen die sichtbar protestierenden Frauen und Schüler*innen. Unsere Fraktion informierte in einer Pressekonferenz über die Lage im Iran und ging mit einer Foto-Aktion durchs Parlament.
Gespräch mit Vertreterinnen der Filmwirtschaft und der Produzentenallianz
Martina hatte nach der langen Plenumswoche am Freitagvormittag gleich den nächsten Termin in Berlin. In Vorbereitung des Berichts zur Implementierung der Audio-Visuellen Mediendienste-Richtlinie, aber auch angesichts der Folgen von Corona für die Filmbranche oder der jetzt heiß laufenden Energiekrise, war ein Austausch der Perspektiven mit SPIO e. V. und der Produzentenallianz eine erhellende Angelegenheit. Filme sind nach wie vor eine der teuersten Künste in der Produktion, so dass sich, neben der eigentlichen Filmförderung, die gesamte Wertschöpfungskette den neuen Sehgewohnheiten neben dem Kino anpassen muss. Deutsche und Europäische Filmemacher*innen und die großen Internationalen Streamingdienste haben unterschiedlichste Konflikte in einem gemeinsamen Markt auszuhalten. Die Audio-Visuelle Mediendienste-Richtlinie sollte hier mit fairen Vermarkungsbedingungen für die europäischen Filmproduzent*innen eingreifen und hat schon manches erreicht, z. B. die Wahrung des Herkunftsland-Prinzips oder die Orientierung auf die Auffindbarkeit Europäischer Werke. Doch es gibt weiterhin offene Fragen, wie der transparente Zugang zu Daten, die im Zuge der Implementierung in den Mitgliedstaaten wieder auf dem Tisch kommen. Wir werden in den nächsten Wochen über die Entstehung des Berichtes im Kulturausschuss berichten.