Erklärung zur Entschließung des EP zu Russlands Aggression gegen die Ukraine
Das Europäische Parlament debattierte heute über eine Resolution zur russischen Invasion in die Ukraine. Die Abgeordneten von DIE LINKE. im Europaparlament erklären hierzu:
Wir, die Mitglieder der deutschen Delegation DIE LINKE im Europaparlament, verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als eklatanten Bruch des Völkerrechts ohne Wenn und Aber. Für diese Aggression gibt es keine Rechtfertigung. Wir fordern den sofortigen Stopp der russischen Militäroperationen, den bedingungslosen Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine und die Aufnahme von ernsthaften Friedensgesprächen. Wir stehen fest an der Seite der vielen Ukrainerinnen und Ukrainer, die in diesen Tagen um ihr Leben bangen oder Tote und Verletzte zu beklagen haben. Die Bilder von Vätern, die von ihren Kindern und Familien getrennt sind um ihr Land zu verteidigen, die Verunsicherung der vielen unschuldigen Kinder haben sich tief in unsere Herzen eingegraben. Das ukrainische Volk braucht jetzt dringend finanzielle und humanitäre Hilfe.
Wir betonen ausdrücklich, dass es sich dabei nicht um einen Krieg von Russen gegen Ukrainer handelt, sondern um einen Krieg der Putin-Administration, die mit dem Feuer spielt, um ihren Status als Großmacht buchstäblich über Leichen zurückzugewinnen. Ihre Vertreter tragen allein die Verantwortung für diesen Krieg.
Für uns Linke ist eine europäische und internationale Friedensordnung, die die territoriale Integrität und Unverletzbarkeit der Grenzen garantiert, die entscheidende Grundlage unseres politischen Handelns. Wir akzeptieren keine Besatzungsmacht Russland in der Ukraine. Wir stehen fest an der Seite der weltweiten Antikriegsbewegung einschließlich der mutigen russischen Bürgerinnen und Bürger, die sich unter schwierigen Bedingungen dem Putin-Regime entgegenstellen. Es braucht jetzt eine eindeutige und geschlossene Antwort des Europaparlaments auf diese russische Aggression. Aus diesem Grund haben wir uns als linke Fraktion aktiv in die Verhandlungen um eine Entschließung des Europaparlaments eingebracht, konnten wichtige Änderungen durchsetzen und stellten auch eine Reihe konkreter Änderungsanträge.
Diese russische Aggression stellt für uns eine historische Zäsur in der EU und der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf deren künftige Entwicklung dar. Deshalb sehen wir mit großer Sorge, wie sich jetzt eine enthemmte lange Periode der Militarisierung und Aufrüstung entwickeln wird, die eine neue Spirale des Wettrüstens einleiten wird, statt grundsätzlich einen Kurs der Abrüstung einzuschlagen. Die beabsichtigte Lieferung tödlicher Ausrüstung an die ukrainische Armee im Wert von 450 Millionen Euro bedeutet letztendlich die endgültige Abkehr vom gemeinsamen Standpunkt der EU-Rüstungsexportrichtlinien, die Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete verbieten. Diese Waffenexporte sind ein Tabubruch in der europäischen Außenpolitik. Sie untergraben die zentrale diplomatische Forderung nach Verhandlungen und Wiederinkrafttreten des Minsk II-Abkommens. Mit der Begründung, Aufrüstung sei das beste Mittel der Abschreckung, werden die EU-Kommission und die Staatschefinnen und -chefs der Mitgliedsländer nun ihr Vorhaben weiter vorantreiben, die EU in eine Militärunion umzuwandeln.
Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits Unsummen für die Bundeswehr angekündigt und erklärt, die deutsche Bundeswehr zur „schlagkräftigsten“ und „handlungsfähigsten“ Armee in ganz Europa umzuwandeln. Bezahlen werden es am Ende die Bürgerinnen und Bürger. In unserem Verständnis ist es keine Lösung, Kriege mit Aufrüstung zu beantworten und diese abenteuerliche Politik Normalität werden zu lassen. Das widerspricht dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung in Europa. Die Diplomatie muss oberstes Gebot in der Außenpolitik sein. Inzwischen verhandeln die Ukraine und Russland miteinander und haben erklärt, die Gespräche fortsetzen zu wollen. Wir müssen den Druck auf Russland erhöhen, dass diese Verhandlungen unter den Bedingungen eines sofortigen Waffenstillstandes fortgesetzt werden, um Menschenleben zu retten.
Mit den bisherigen Ankündigungen der EU-Kommission zur Lösung des Konfliktes wird nunmehr vordergründig eine NATO-Politik verfolgt, anstatt eine eigenständige EU-Politik zu entwickeln.
Die EU braucht schnelles und entschlossenes Handeln, um Lösungen für die flüchtenden Menschen zu schaffen. Wir begrüßen den Vorschlag der Kommission, die Richtlinie über vorübergehenden Schutz für Ukrainerinnen und Ukrainer zu aktivieren. Dennoch darf es keine Schutzsuchenden erster und zweiter Klasse geben. Wir dürfen die vielen Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze nicht vergessen, die auch aus Kriegsgebieten kommen und dort allein gelassen werden. Wir brauchen einen menschenwürdigen Umgang mit Asylsuchenden, die unter schlimmsten Bedingungen an den EU-Außengrenzen ausharren müssen und denen faire Asylverfahren verwehrt werden. Kriegsdienstverweigerung muss EU-weit als Asylgrund anerkannt werden. Wir fordern die EU-Kommission auf, rasch großzügige und unbürokratische Aufnahme- und Umsiedlungspläne innerhalb der EU vorzulegen und umzusetzen.
Wir halten Sanktionen, die auf die Interessen und Vermögenswerte der russischen Eliten ausgerichtet sind, für gerechtfertigt. Gleichzeitig steht der derzeitige Mangel an Steuertransparenz in der EU der Wirksamkeit dieser Maßnahmen im Wege. Deshalb bedarf es wirksamer Maßnahmen der EU gegen Steueroasen.
Die Rolle der UNO und der OSZE bei der Entwicklung einer neuen internationalen Sicherheitsarchitektur muss mit der Beendigung des Krieges wieder gestärkt werden. Wir fordern ein Ende eines europäischen Sicherheitssystems, das ausschließlich auf der Logik der Militärblöcke beruht. Wir leben nicht in einer unilateralen Welt. Statt einer Ausweitung der NATO brauchen wir Strukturen, Regeln und Vereinbarungen, wie wir eine multilaterale und demilitarisierte Welt gemeinsam gestalten. Wir schlagen deshalb eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit 2.0 vor, die mehr ist als die OSZE, um Krieg und Zerstörung unverzüglich beenden zu können und eine weitere Eskalation zu verhindern.
Diese durch nichts zu rechtfertigende Aggression Russlands verändert das Zusammenleben auf dem europäischen Kontinent grundlegend. Mit großer persönlicher Betroffenheit sagen wir: Nachdem die Schützengräben des Kalten Krieges nie wirklich zugeschüttet wurden und sicherheits- sowie abrüstungspolitische Vereinbarungen immer wieder gebrochen wurden, ist es bis heute nicht gelungen, die Vereinbarungen der Pariser Charta zum Aufbau einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur für ein gemeinsames Haus Europa umfassend auszuarbeiten und umzusetzen. In dieser Situation eines Versagens vieler europäischer Verantwortungsträger*innen in politischen Parteien zieht Russland einseitig und absolut verantwortungslos Konsequenzen, die die Sehnsucht aller Menschen in Europa und weltweit nach einer friedlichen Zukunft, nach sozialer Sicherheit und ökologischem Wirtschaften mit Füßen tritt.
Deshalb werden wir als Linke insbesondere unsere Zusammenarbeit mit NGOs, mit demokratischen und fortschrittlichen russischen Oppositionellen und Friedens- und Anti-Kriegsbewegungen intensivieren. Wir werden solidarisch unterstützen, was einen sofortigen Stopp des Krieges in der Ukraine befördert. Das Europaparlament und die EU müssen der demokratischen Opposition in Russland entgegenkommen.
In diesem Sinne werden wir uns weiterhin als Friedenspartei in den Kampf um einen sofortigen Stopp der Kriegshandlungen und die Entwicklung der EU als Friedensbündnis gegen Wettrüsten einbringen.
Martina Michels, MdEP, im Namen der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament