Strukturwandel – kommt er vor Ort voran?

Die Woche startete für Martina mit einer Diskussionsrunde der „Just Transition Platform“.

Über einen gemeinsamen Ausgangspunkt war man sich einig: Die Europäische Union muß den Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund/JTF) optimal nutzen, und die Beteiligung von Städten und Regionen ist der Schlüssel zu seinem Erfolg. Und so sollten in der Online-Veranstaltung auch die lokalen Akteure, die in kohle- und energieintensiven Regionen am gerechten Übergang beteiligt sind, ihre Ansichten und Prioritäten und Transformationsideen aus den Städten und Regionen der EU austauschen.

Martina Michels saß einige Jahre selbst für das Land Berlin im Ausschuß der Regionen (AdR), ist seit 2013 Europaabgeordnete im REGI-Ausschuß und dort Schattenberichterstatterin zum Gesetz über den Fonds für einen gerechten Übergang im Namen der Fraktion THE LEFT. Der AdR hatte sie daher eingeladen, gemeinsam mit Vertreter*innen der Europäischen Kommission und der Verwaltungsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten und Regionen über den aktuellen Stand der JTF-Programmierung, mögliche Synergien mit anderen EU-Programmen und die Herausforderungen für das europäische, nationale, regionale und lokale Zusammenwirken zu sprechen.

Martina betonte in ihrem Beitrag „der JTF ist ein wichtiges Symbol nicht nur dafür ist, daß der Europäische Green Deal ernst genommen wird, sondern dass auch die soziale Komponente erkannt wurde. Strukturwandel, das wissen wir gerade auch im Osten Deutschlands und im Osten Europas besonders gut, geht aber schief, wenn die Menschen sich abgehängt oder vergessen fühlen“. Der JTF ist, gemessen an den Herausforderungen winzig. Er ist angesichts einer geringen Mittelausstattung und seiner zeitlichen Begrenztheit auf ganz bestimmte Regionen mit konkreten Merkmalen begrenzt worden. „Es war aber von Anfang an klar, daß Strukturwandel überall stattfindet und ein längerfristiger Prozeß ist. Und so stellt sich natürlich die Frage, nach Ausweitung dieses Fonds, nach zusätzlichen Sonderfonds und insgesamt nach dauerhaft robuster Ausstattung der EU-Strukturfonds“, ergänzte Martina.

Die Kombination der Kohäsionspolitik (einschließlich dem JTF) mit anderen EU-Programmen, namentlich der REACT-EU-Initiative und der Wiederaufbau- und Resilienzfazilität Next Generation Europe, weckt bei den regionalen und lokalen Behörden und den Abgeordneten starke Bedenken. Denn die Mitgliedstaaten neigen dazu, sich auf Kosten der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds auf die Umsetzung des Europäischen Konjunkturprogramms zu konzentrieren. Aktuell ist zwar mit dem EU-Haushalt plus der Wiederaufbaufazilität viel Geld da. Doch fällt es vielen Ländern und Regionen schwer, es schnell und effektiv zu planen und einzusetzen. Das liegt an unterschiedlichen Förderkriterien, Antragsverfahren, Zuständigkeiten und auch Mangel an Kapazitäten in öffentlichen Verwaltungen. Auch wenn die neue Förderperiode gerade erst im Anlaufen ist, geht die Diskussion um die Zukunft der EU-Regionalförderpolitik auch dank dieser Problemstellungen unmittelbar weiter.

Die Debatte ist hier Online zu sehen.

REGI-Ausschuß beklagt langsame Umsetzung der Kohäsionspolitik 2021-2027

Die Kohäsionspolitik 2021-2027 kommt nur langsam in die Gänge. Waren bereits der Mehrjährige Finanzrahmen der EU und daran anschließend die Gesetze über die Strukturfonds mit arger Zeitverzögerung verabschiedet worden, so sind nun die Mitgliedstaaten spät dran mit der Einreichung der Partnerschaftsabkommen: nur das griechische wurde bereits genehmigt, das deutsche und das österreichische immerhin auf dem Wege.

In einer Aussprache des REGI-Ausschusses äußerten sich viele Abgeordnete entsprechend zufrieden der langsamen Umsetzung der Kohäsionspolitik 2020.   Der zu dieser Debatte eingeladene Generaldirektor für Regional- und Stadtpolitik der Europäischen Kommission, Marc Lemaître, relativierte: Die wichtigsten Erklärungen für die Verzögerungen seien – die späte Annahme des mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027; – die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Arbeit der nationalen und regionalen Behörden, aber auch der Europäischen Kommission; und – die Annahme und Umsetzung der REACT-EU-Initiative und des EU-Wiederaufbauplans der nächsten Generation. Solche Erklärungen machen die Situation natürlich nicht besser. Der Generaldirektor sah das „Glas jedoch als halbvoll“ an. Im Laufe dieses Jahres hat die Kohäsionspolitik [2014-2020] immerhin mehr Unterstützung geboten als je zuvor in ihrer Geschichte, sagte er.

In den kommenden 2 Jahren müssen noch 150 Milliarden Euro dieses Programmplanungszeitraums ausgezahlt werden. Darüber hinaus werden Projekte im neuen Programmplanungszyklus rückwirkend ab dem 1. Januar 2021 förderfähig sein. Wenn die Projekte somit im Rest des Zeitraums 2014-2020 nicht finanziert werden können, können die Mitgliedstaaten Ausgaben unmittelbar nach den genehmigten Projekten zur Erstattung einreichen. Die nicht gebundenen Beträge für 2021 werden auf den Zeitraum 2022 bis 2025 verteilt. Für die Mitgliedstaaten sei dies ein starker Anreiz, nicht zu schnell zu sein, kommentierte Herr Lemaître. Außerdem könne diese Verzögerung potentiell von Vorteil für die Qualität der Programmplanung sein, da sie allen Akteuren Zeit läßt, die neuen Klimaziele sorgfältig einzuarbeiten. Die Abgeordneten ihrerseits bestanden auf ihre starken Bedenken hinsichtlich der besonders langen Verzögerung. Der Vorsitzende des REGI-Ausschusses, Younous Omarjee (THE LEFT/FR), äußerte außerdem seine Besorgnis darüber, dass die Kohäsionsfonds mit dem Europäischen Konjunkturprogramm „Next Generation Europe“ konkurrieren und letztendlich zu einer zweistufigen, uneinheitlichen europäischen Politik führen könnte.

Noch größere Besorgnis besteht jedoch über die Situation des Just Transition Fund. Dabei tickt die Uhr viel schneller“ als bei den anderen Kohäsionsfonds, stellte auch Generaldirektor Lemaitre fest. Die Hälfte der Mittel für diesen Fonds kommt nämlich aus „Next Generation „Europe“. Und hier ist die Auszahlungsfrist 2026, statt wie bei den anderen Fonds der Kohäsionspolitik bis Ende des Jahrzehnts. Zugleich hinken die Aufstellung der territorialen Just Transition Pläne wie auch die Programmierung offenbar flächendeckend hinterher.

Videoaufzeichung der REGI-Ausschußsitzung hier.

Neue REGI-Studie: Grenzüberschreitende Kooperation im Gesundheitswesen

Während der Sitzung des REGI-Ausschusses wurden darüber hinaus die wichtigsten Ergebnisse und Schlußfolgerungen einer Studie zur „grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen“ präsentiert.

Das Hauptziel dieser vom REGI-Ausschuß im Dezember 2020 in Auftrag gegebenen Studie war die Analyse der Rolle der Kohäsionspolitik in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt auf den Interreg-VA-Programmen 2014-2020. Die Studie befaßt sich auch mit der Frage der Governance im Zusammenhang mit solchen Projekten und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Schließlich werden politische Empfehlungen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen im Programmplanungszeitraum 2021-2027 vorgelegt.

Die Studie bestätigt den wichtigen Beitrag der Kohäsionspolitik bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit: Die Zahl der gesundheitsbezogenen Projekte hat in allen Interreg-Programmen (A, B und C) im Zeitraum 2014-2020 deutlich zugenommen. Hauptnutznießer der Interreg VA-Projekte waren Fachkräfte, Patienten und Gesundheitseinrichtungen; Hauptprioritäten waren Ausbildung, Behandlung und Diagnose, Ausrüstung, Information, Kampagne und Werbung. Der Autor der Studie hob auch hervor, dass grenzüberschreitende gesundheitsbezogene Kooperationen die Unterstützung und Einbeziehung eines breiten Spektrums von Partnern, medizinisch-sozialen Einrichtungen, Krankenkassen und Behörden erfordern. Darüber hinaus hatte die Covid-19-Pandemie gravierende Auswirkungen, beispielsweise auf die Mobilität von Patienten und Gesundheitspersonal; zu den Beispielen grenzüberschreitender Solidarität gehörten die Bereitstellung von medizinischer Ausrüstung, der Austausch von medizinischem Personal, die Verlegung von Covid-19-Patienten, Tests oder Impfungen. Die Studie enthält auch eine Reihe von Empfehlungen, darunter die Verbesserung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung durch die Förderung der E-Medizin und gemeinsamer öffentlicher Gesundheits- und Sozialdienste, die Einführung von Standardprotokollen und regelmäßigen Treffen für grenzüberschreitende Notfalldienste sowie die Förderung der unterstützender Vermittlungsdienste.

Mehr Informationen zur Studie hier.

Ministerratstagung diskutiert EU-Kohäsionspolitik

Die für die Kohäsionspolitik zuständigen Minister waren in dieser Woche von der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft eingeladen, in geschlossener Runde ihre Ansichten zum Beitrag der Kohäsionspolitik zur Erholung von der Corona-Pandemie und die langfristigen Ziele des grünen und digitalen Übergangs auszutauschen. Zwei Kernfragen standen dabei auf der Tagesordnung:

– Wie kann die Kohäsionspolitik mit anderen EU-Instrumenten kombiniert werden, um die Entwicklungsunterschiede mittel- und langfristig weiter zu verringern und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

– Wie können die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Regionen und Gebiete angemessen berücksichtigt und die Verwendung von EU-Mitteln das Begünstigen und den Bürgerinnen und Bürgern nähergebracht werden?

Die Bereits im REGI und in der Veranstaltung des Just Transition Platform diskutierten Herausforderungen waren also auch bei den Ministern das große Thema. Darüber hinaus diskutieren sie über die Verbindung zwischen dem „Europäischen Semester“ und der Kohäsionspolitik, wobei laut Agenturmeldungen einmal mehr hauptsächlich Nettozahler-Länder (insbesondere Finnland, Schweden und Dänemark), eine stärkere Verbindung zwischen dem Haushaltsverfahren des „Europäischen Semesters“ und der Kohäsionspolitik, forderten, also das möglichst rasche Wiedereinsetzen der Schuldenbremse. Als ob nichts gewesen wäre und die Sparpolitik der vergangenen Jahre nichts mit irgendwelchen Krisen zu tun hätte. Den neu vorgeschlagenen Klimasozialfonds stellten mehrere Mitgliedstaaten offenbar gänzlich in Frage. Die bestehenden Instrumente, so das Argument, könnten dessen Ziele doch einfach mitmachen. Im Blick sind da insbesondere den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Es bleibt jedoch mindestens die Haushaltsfrage, denn dann müßte die Mittelzuweisung für die Kohäsionspolitik natürlich erhöht werden.