Parlamentsbericht zu Rüstungsexporten: Strenge Richtlinien statt Nebelkerzen!
Zum gestern vom Europäischen Parlament verabschiedeten „Bericht über Waffenexporte und die Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts“ erklärt Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments (SEDE):
Die Bilder sind nach wie vor präsent: Im Jemen hungernde Kinder und eine Seeblockade für humanitäre Hilfe. In Syrien ein völkerrechtswidriger Einmarsch der Türkei unter anderem mit deutschen Leopardpanzern. Im Nord-Irak sind deutsche Sturmgewehre auf dem Markt frei verkäuflich und in den Händen des IS. Diese und noch viel mehr Beispiele haben alle eines gemeinsam: Überall spielen scheinbar legal in Krisengebiete gelieferte Waffen made in EU eine zentrale Rolle!
Die Kassen der Rüstungskonzerne klingeln: Die EU ist erneut Vizeweltmeisterin beim Export von Waffen und Kriegsgerät, so die letzten Zahlen des Friedensforschungsinstituts SIPRI. Die EU-Staaten sind für 26 Prozent der weltweiten Exporte (im Zeitraum von 2015 bis 2019) verantwortlich, nach den USA (36 Prozent) und noch vor Russland (21 Prozent). Die Friedensnobelpreisträgerin EU lässt nicht nur die unmenschlichen Zustände in Moria zu, nein, ihre Waffenexporte sind sogar eine der zentralen Fluchtursachen! Das ist kein Versehen, dass ist die aktuelle Politik der EU. Das unsägliche Leid, das diese Exporte verursachen, wird dabei billigend in Kauf genommen!
Mit Initiativen wie dem Verteidigungsfonds und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) soll diese fatale Politik künftig nicht nur fortgesetzt, sondern sogar noch forciert werden. Denn die hier unter deutsch-französischer Führung geplanten EU-Großprojekte wie das Kampfflugzeug („Future Combat Air System“) und der Kampfpanzer („Main Ground Combat System“) werden nur durch massenweisen Export realisierbar sein. Folglich werden die ohnehin schon löchrigen Rüstungsexportrichtlinien des ‚Gemeinsamen Standpunkts für Waffenausfuhren‘ weiter missachtet und problematische Exporte noch weiter zunehmen.
Im soeben verabschiedeten Rüstungsexportbericht des Europäischen Parlamentes geht es vor allem darum, auf EU-Ebene eine Kontrollinstanz für Exporte aus EU-Rüstungsprogrammen zu installieren, was ich auch unterstütze. Was ich aber kritisiere ist, dass in ihm die anvisierten Rüstungskooperationsprojekte in der Hoffnung begrüßt werden, die für die Exportkontrolle zuständigen Staaten würden einem effektiven Überwachungssystem zustimmen. Das halte ich für naiv und gefährlich – doch genau das wird in diesem Bericht getan! Die Realität zeigt, das Gegenteil ist der Fall: Über europäische Rüstungsprojekte werden nationale Exportrichtlinien wie mit dem deutsch-französischen Aachener-Vertrag faktisch weitgehend ausgehebelt!
Dem Wortlaut nach wäre der Gemeinsame Standpunkt eine gute Grundlage, um Rüstungsexporte zu kontrollieren und zu verhindern, dass Kriegsgeräte in Krisengebiete geschickt werden beziehungsweise für Menschenrechtsverletzungen benutzt werden. Die in ihm aufgelisteten acht Exportkriterien verbieten das eindeutig! Solange aber keine unabhängige Überwachung existiert und die Staaten auch keine Sanktionen fürchten müssen, werden die EU-Rüstungsexportrichtlinien weiter ein zahnloser Tiger bleiben. Darauf hätte sich der Bericht konzentrieren müssen – alles andere sind Nebelkerzen! Deshalb und auch, weil der Bericht nun deutlich rüstungsindustriefreundlichere Töne als seine progressiveren Vorgänger anschlägt, ist er eine Enttäuschung und ein Rückschritt. Und hier liegen auch die Ursachen, weshalb ich dem Bericht nicht zustimmen konnte und wollte.