Martina Michels
Martina Michels

Während der Aussprache zur Außenpolitik am Dienstagnachmittag debattierte das Europaparlament den kürzlich von der US-Regierung vorgestellten ‚Nahost‘-Friedensplan. Martina Michels hatte den Anspruch der Linksfraktion GUE/NGL an den Hohen Vertreter der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, vorab zusammengefasst:

„Wir erwarten einen eindeutigen und unmissverständlichen Standpunkt zum US-Nahostplan! Die EU muss bei ihrer bisherigen Haltung bleiben, aber viel aktiver werden. Das Ziel: eine Friedenlösung, die von den Konfliktpartnern direkt verhandelt wird und bestehende internationale Vereinbarungen einhält. Das heißt, einvernehmliche Entscheidungen über den Status von Jerusalem und über eine Zwei-Staaten-Lösung. Diese geht nur mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat, der friedlich und demokratisch Seite an Seite mit Israel und seinen Nachbarn existiert. Jeder Bruch internationalen Rechts, der Ausstieg aus Dialog oder das Anheizen der Gewaltspirale verschärfen die Spannungen im gesamten Nahen Osten.“

EU-Außenpolitikchef Borrell bekräftigte im Dialog mit dem Parlament die vom Rat 2014 beschlossene Haltung für eine solche Verhandlungslösung. Er kritisierte, wie schon seinem Statement vom 4. Februar, dass die US-Initiative von den international vereinbarten Grundprinzipien abweiche. Besorgniserregend sei die Aussicht auf eine Annexion des Jordantals und anderer Teile des Westjordanlands. Die EU erkenne die Souveränität Israels über die seit 1967 besetzten Gebiete nicht an. Schritte zur Annexion würden gegebenenfalls nicht unangefochten bleiben. Die in einem ersten Kommentar (28.01.) geäußerte positive und von Martina heftig kritisierte Wertung, der Plan gebe „Gelegenheit, die dringend erforderlichen Bemühungen um eine tragfähige Verhandlungslösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt wieder anzukurbeln“ wiederholte er so nicht.

Doch für eine solch klare Positionierung der EU als Ganzes fehlt einmal mehr der Konsens zwischen den Regierungen der 27 Mitgliedstaaten, zumindest Ungarn und Österreich sind damit nicht einverstanden. Friedenspolitisch fehlt es der EU an dieser Stelle an realer Handlungsfähigkeit. In der Plenardebatte wurde – nicht zum ersten Mal und aus verschiedenen Fraktionen – die Organisation einer internationalen Friedenskonferenz gefordert. Denkbar wäre auch ein Rüstungsexportstopp für den gesamten ‚Nahen Osten‘ oder die Wiederaufnahme von Bemühungen um eine atomwaffenfreie Zone ebendort.

Der lange erwartete „Friedensplan“ der Trump-Regierung wurde am 28. Januar 2020, inmitten des israelischen Wahlkampfes, der Öffentlichkeit präsentiert. Während Trump ihn als „Deal of the Century“ (Vertrag des Jahrhunderts) preist, ist es in der Realität ein Wahlkampfgeschenk für Netanjahu. Statt sich Fragen zu seiner Korruptionsanklage, steigender Armut und religiöser Intoleranz stellen zu müssen, kann er mit einem diplomatischen Coup in die Öffentlichkeit treten. Illegale Siedlungen müssten dem Plan nach nicht evakuiert werden. Ost-Jerusalem bliebe unter voller israelischer Kontrolle, ein Vorort könnte Hauptstadt eines möglicherweise zu schaffenden palästinensischen Staatsgebildes werden, das ob seiner territorialen Verstreuung oft als „Schweizer Käse“ bezeichnet wird und bis auf Weiteres unter israelischer Sicherheitskontrolle stünde. 30 Prozent der Westbank könnten annektiert und durch Sandwüste an der ägyptischen Grenze kompensiert werden. Zudem böte er die Möglichkeit, palästinensische Ortschaften an einen künftigen palästinensischen Staat abzugeben, damit Teile der palästinensisch-israelischen Bevölkerung faktisch auszubürgern.

Der vorgeschlagene Plan Trumps zeigt keinen Weg, um in die Verhandlungen zu einer machbaren Zweistaatenlösung einzusteigen oder um die Konfliktparteien auszusöhnen. Es handelt sich um einen Israel-Plan, der bestehendes Unrecht fort- und festschreiben will“, wertet Martina Michels, die die Linksfraktion in der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen mit Israel vertritt. 

Eine Reihe für den ‚Nahost‘-Konflikt zentraler internationaler Akteure hatte den Plan rundheraus abgelehnt, doch im UN-Sicherheitsrat scheiterte zunächst, ebenfalls am Dienstag, ein kritischer Resolutionsentwurf. Auch im Europaparlament fand sich keine Mehrheit für eine Äußerung in Form einer offiziellen Resolution, wie die GUE/NGL es beantragt hatte.