Martinas Woche 5_2020: Auld Lang Syne – Hymne des Brexit
Brüssel – Berlin: Holocaust-Gedenken – Brexit – Israel-Palästina – Just Transition Fonds – Kroatische Ratspräsidentschaft und Asyl – Europaausschuss im Bundestag
„United in diversity“ stand auf einem Transparent, das ein Abgeordneter in die Höhe hielt, als der Brexit zum 31.01.2020 auch im Europaparlament besiegelt war und spontan die Mitglieder aller Fraktionen die uralte Hymne des Abschieds in Freundschaft, das schottische Volkslied „Auld Lang Syne“ sangen.
Die Tagung des „Miniplenums“ in dieser Woche begann jedoch mit dem Holocaust-Gedenken und einer Rede der italienischen Überlebenden Liliana Segre. Damit wurde das Gedenken in seinem 75. Jahr erstmalig Teil der offiziellen Plenartagung.
Unsere Fraktion traf sich u. a. zu einer Anhörung zum Just Transition Fonds am Mittwoch am späten Nachmittag und Martina reiste gleich nach allen Terminen in Brüssel nach Berlin, um am Freitag im Europaausschuss des Bundestages an den Aussprachen teilzunehmen.
Holocaust Gedenken: 27.1.1945 – Heute vor 75 Jahren…
„Das Wissen um den Holocaust nimmt dramatisch ab. Selfies an der Rampe in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau sind inzwischen keine Seltenheit. Das allein könnte genügen, um dem Unfassbaren, der industriellen Vernichtung von Menschen, einen verbindlichen Raum in der Geschichtsschreibung, in Schulen und an öffentlichen Orten überall in Europa zu geben. Stattdessen beobachten wir derzeit zwar ein Anwachsen der Auseinandersetzung um die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, doch diese Debatten sind durchsetzt von Relativierungen des Holocausts und eines beinahe phobischen Verschweigens der Befreiung von den Nazis durch die Rote Armee – von Auschwitz bis Berlin“, schreibt Martina Michels in einem Kommentar zum Holocaust-Gedenktag. Im 75. Jahr war das Gedenken im Europaparlament Teil und Auftakt der Tagesordnung des Miniplenums vom 29./30.1.2020. „‚In Anwesenheit von Anita Lasker-Wallfisch, der Cellistin und Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz, führten Mischa und Maxim Maisky den Satz „Prayer (Gebet)“ aus der Suite für Cello und Klavier „From Jewish Life“ von Ernest Bloch auf Cello und Klavier auf. Liliana Segre, die 89-jährige italienische Senatorin auf Lebenszeit und Überlebende von Auschwitz erinnerte in ihrer Rede an die absolute Unmenschlichkeit der von den Nazis 1945 organisierten Lager und Todesmärsche, die sie im Gegensatz zu vielen anderen als junges Mädchen überlebte: ‚Ihre einzige Schuld bestand darin, auf die Welt gekommen zu sein’. Sie erklärte, dass sie die Pflicht hat, Zeugnis abzulegen, solange sie lebt“, fasst die Pressemitteilung von der Plenartagung das Gedenken zusammen.
Brexit: Bewegender Abschied im Europaparlament
Es war ein sehr emotionaler Moment, als quer durch alle Fraktionen die Abgeordneten im Miniplenum „For auld lang syne, my dear…“, die Hymne des Abschieds für und mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Vereinigten Königreich anstimmten. Schon 1794 dichtete Robert Burns den allbekannten und weltweit in vielen Sprachen gesungen Text ”Should auld acquaintance be forgot?” – ”Soll alte Bekanntschaft vergessen sein?” auf eine Melodie aus dem Schottischen Hochland. Auch unsere linke Fraktion, die GUE/NGL-Fraktion, hatte sich einen Tag zuvor vom Sinn Féin-Mitglied Martina Anderson verabschiedet. Ebenso werden wir im Kulturausschuss schmerzlich die engagierte Sozialdemokratin Julie Ward und den jungen Abgeordneten Magid Magid von den Grünen, den einstigen Oberbürgermeister von Sheffield, vermissen.
Alle politischen Implikationen dieses Schritts, indem der Machtkampf innerhalb der Tories ein ganzes Land, den Parlamentarismus und die demokratische Debatte im Griff hatte, werden wohl noch längere Zeit brauchen, bis nicht nur die Anschlussverträge für bürgerrechtliche Angelegenheiten, Handel oder für die Grenzen zwischen Irland und Nordirland geregelt sind. Auch die eigentlichen ökonomischen und kulturellen Auswirkungen werden weiterhin die europapolitischen Debatten mitbestimmen, genau wie vor dem Austrittsdatum am 31.01.2020. Helmut Scholz fasst im Pressekommentar die offenen Fragen vom Austritt bis zur neuen Partnerschaft zusammen.
Borrell hat sich im Nah-Ost-Konflikt zwischen Israel und der Autonomiebehörde festgelegt
Warum sich der neue Hohe Vertreter, der Außenbeauftragte der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, zum absurden Friedensplan Trumps für die Region stark macht, bleibt uns ein Rätsel. Es gibt keinen Grund diesen Plan zu heiligen, bei dessen Zustandekommen weder die palästinensische Seite beteiligt war, noch akzeptable Lösungen zur Debatte stehen. Jede und jeder halbwegs politisch Informierte kann nachvollziehen, worum es Trump ging: um Innenpolitik, Wahlkampf und Ablenkung vom Amtsenthebungsverfahren. Dass nun Abbas wiederum mit einem völligen Beziehungsabbruch reagieren will, obwohl er letztlich nicht mit Trump, sondern mit Netanyahus Regierung, die ebenso vor einer eventuellen Abwahl steht, in Verhandlungen stünde, steht auf einem anderen Blatt der mangelnden Bereitschaft zur Konfliktlösung. Die Leidtragenden sind Palästinenser*innen genauso wie die demokratischen Kräfte Israels, die eine Friedenslösung in zwei Staaten noch nicht aufgegeben haben. Einen Kommentar zu Borrells Positionierung von Martina Michels findet ihr hier.
Die Kroatische Ratspräsidentschaft und ihre Asylpolitik
Am Montag wurde im Innenausschuss des Europaparlaments (LIBE) der kroatische Innenminister angehört. Cornelia Ernst reagierte in der Sitzung mit Fotos von gequälten Asylsuchenden und scharfen Nachfragen: „Wir hatten gerade den Innenminister der kroatischen Ratspräsidentschaft zu Gast, der auf EU-Ebene die Geschicke für ein halbes Jahr in die Hand nehmen soll. Wir haben ihn gefragt, was an der kroatisch-bosnischen-Grenze Sache ist, wo Flüchtlinge tatsächlich geschlagen und getreten werden, wo man ihnen Geld und Handys wegnimmt. Ja sogar Kleidung und Essen werden den Menschen weggenommen.“ Der ganze Kommentar, sowie ein Reisebericht an die kroatisch-bosnische Grenze, sind hier zu finden.
Bericht: Was kann uns der Just Transition Fonds bringen?
Am 14. Januar 2020 stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Investitionsplan für den sogenannten Europäischen Grünen Deal vor. Darin enthalten ist auch der Gesetzesvorschlag zur Einrichtung des „Fonds für einen gerechten Übergang“. Als Linksfraktion GUE/NGL diskutierten am Mittwochnachmittag Vertreter*innen der Kommission, aus vom Strukturwandel betroffenen Regionen und Kommunen, sowie Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen diese Vorschläge. Der sozial-ökologische Strukturwandel zum Wohle von Menschen und Umwelt, so einhellige Auffassung vieler Rednerinnen und Redner verlangt öffentliche Investitionen in ungeheurem Umfang und damit auch eine Besserstellung von Kommunen, wenn sie Fördermittel abrufen, damit am Ende Projekte nicht an mangelnder Ko-Finanzierung scheitern. Wer u. a. gesprochen und den Transition-Fonds bewertet hat, kann in dieser kleinen Übersicht zur Anhörung, nachgelesen und gehört werden.
Vertrauensmissbrauch: Das Mitglied der deutschen Tierschutzpartei Martin Buschmann ist nicht länger Mitglied der linken Fraktion im Europaparlament
Nach Aussprachen und Medienberichten über die verschwiegene NPD-Mitgliedschaft von Martin Buschmann, kommentierte Martina Michels das Ergebnis nach Gesprächen in der GUE/NGL-Fraktion: „Martin Buschmann war zu keiner Zeit Mitglied der Partei DIE LINKE. oder Teil der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament. Mit seinem Rücktritt ist er einem Ausschluss durch die GUE/NGL-Fraktion zuvorgekommen. Die Fortsetzung seines Mandats im Europäischen Parlament muss er nun gegenüber seinen Wählerinnen und Wählern und der Tierschutzpartei verantworten.“ Die ganze Erklärung ist hier zu finden. Inzwischen wurde bekannt, dass sich auch die Tierschutzpartei in Deutschland von Martin Buschmann trennt wird.
Berlin: Europaausschuss des Bundestages verständigte sich zur Konferenz zur Zukunft der EU und zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR)
Martina ist nicht nur Mitglied des Europaparlaments, sondern vertritt unsere Delegation auch im Europaausschuss des Deutschen Bundestages, der in seinem sogenannten „Freitagsformat“ seine Aussprachen auch gemeinsam mit den Europaabgeordneten durchführt. Letztlich hieß dies in dieser Woche für Martina nach dem eigenen Plenum noch einen Ausschusstag im Deutschen Bundestag zu bestreiten. Sie legte dort unsere Positionen zur Konferenz zur Zukunft der EU und zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) dar, der letztlich derzeit in allen Details in der EU verhandelt wird, soll er doch für 2021 – 2027 gelten.