„Georgiens Krieg in russische Invasion umzudeuten, verfälscht Geschichte“

Am heutigen Donnerstag stimmte eine große Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments dem Entschließungsantrag mit dem Titel ‚Besetzte Gebiete in Georgien zehn Jahre nach der Invasion durch Russland‘ zu. Helmut Scholz, Europaabgeordneter der LINKEN, kritisiert den Bericht und war am Montag mit dem Antrag einer Änderung des Titels der Aussprache knapp gescheitert.

„Wer in diesem Haus den Krieg Georgiens vom Sommer 2008 negiert oder in eine ‚russische Invasion‘ umdeuten will, der betreibt bewusst Geschichtsrevisionismus“, erklärte Scholz in der Plenardebatte. „Bleiben wir bei den Fakten: Gleich seinem ultranationalistischen Vorgänger Gamsachurdia hatte Staatschef Saakaschwili 2008 einen Waffengang gegen Abchasen und Südosseten mit dem Ziel angezettelt, sie der Zentralgewalt zu unterwerfen und zugleich ihrer historischen Identität zu berauben. In einer Region, in der die auf engstem Raum lebenden Völker noch heute die Formen eines gemeinsamen Zusammenlebens nicht finden.“

„Es stellt sich die Frage nach dem Warum der aktuellen Diskussion über diese Vorgänge. Es geht offenbar darum, die Arbeit der Hohen Vertreterin für die Außenpolitik der EU zu torpedieren oder aber der russischen Seite, in einer Zeit, wo wir doch täglich sehen, wie rasant sich die Weltkonstellation ändert. Gehen Sie entspannt mit dieser Debatte um, denn die politische Lage vor Ort ist deutlich besser als das Parlament sie darzustellen versucht“, erklärte Helmut Scholz gegenüber der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini.

„Die heute regierenden Eliten in Tiflis, Suchumi, Tchinwali aber auch in Moskau arbeiten daran, den Modus Operandi von vor der Rosenrevolution wiederherzustellen, den Handel zu entwickeln, die schwierigen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die Beziehungen möglichst zu entspannen. Die Grundfrage, in welcher Form die hier lebenden Völker in ihrer nationalen Identität zusammenleben können ist damit aber nicht gelöst. Setzen Sie ihre besten Ressourcen an die Beantwortung dieser Frage, damit die EU hierbei eine friedensstiftende Rolle spielen kann.“

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Plenarrede

„Besetzte Gebiete in Georgien zehn Jahre nach der Invasion durch Russland (Aussprache)“

Helmut Scholz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.

– Herr Präsident, Frau Hohe Vertreterin! Ich will ganz klar sein: Wer in diesem Haus den Krieg Georgiens vom Sommer 2008 negiert oder in eine russische Invasion umdeuten will, der betreibt bewusst Geschichtsrevisionismus – Kollegin Fotyga und Kollege Dan Preda –, denn er bräuchte nur in den Bericht Tagliavini zu schauen.

Bleiben wir bei den Fakten: Gleich seinem ultranationalistischen Vorgänger Gamsachurdia hatte Saakaschwili einen Waffengang gegen die Abchasen und Südosseten mit dem Ziel angezettelt, sie der Zentralgewalt zu unterwerfen und zugleich ihrer historischen Identität zu berauben – in der Tradition des Zaren und auch der russischen Realität unter Stalin. In einer Region, wo die auf engstem Raum lebenden Völker noch heute die Form eines gemeinsamen Zusammenlebens nicht finden, ein abenteuerliches Unterfangen.

Ich lege Ihnen ans Herz: Gehen Sie entspannt mit der heutigen Fragestellung um, denn die politische Lage vor Ort ist positiver als hier dargestellt. Die in Tiflis, Tchinwali, aber auch in Moskau und Suchumi regierenden Eliten arbeiten daran, den Modus operandi von vor der Rosenrevolution wieder herzustellen, Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu entwickeln, die schwierigen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Obwohl die Grundfrage, in welcher Form die hier lebenden Völker in ihrer nationalen Identität zusammen leben können, ungelöst bleibt, geht es in kleinen Schritten – durchaus nicht frei von Widersprüchen – um eine Entspannung in den Beziehungen. Darüber sollten wir debattieren, und die besten Ressourcen von EAD und Europäischem Parlament einsetzen für die Beantwortung dieser Frage, damit die EU hierbei eine friedensstiftende Rolle spielen kann, einschließlich der Forderung an Moskau, endlich dem ICC beizutreten.

Strasburg, 12.6. 2018