Martinas Woche 16_2018
Strasbourg: Regionalpolitik – Macron – Syrien – Facebook – Türkei vor Wahlen – Berlin: Europapolitik
Straßburg lag im Sonnenschein…, doch das Plenum, das pünktlich am Montag um 17 Uhr startete, hatte Martina Michels diese Woche fest im Griff. Am späten Montagabend wurde die Zukunft der Strukturpolitik debattiert und Dienstagmittag abgestimmt. Am Dienstag sprach Macron vorm Plenum. Am gleichen Tag erschien der Kommissionsbericht zur Türkei und Tags drauf verkündete Erdoğan, dass er die Wahlen zur Nationalversammlung vorziehen will. Im Plenum stand u. a. auch der Datenskandal von Facebook und die Lage in Syrien zur Debatte. Überall hapert es ganz offensichtlich an gangbaren politischen Lösungen und verantwortlichen Schritten auf EU-Ebene.
Strukturmittel nach 2020 bedroht
Das Europaparlament hat bei seiner Abstimmung am Dienstag die Auffassung des Regionalausschusses (REGI) bestätigt: EU-Mittel aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds müssen auch nach 2020 allen EU-Regionen zu Gute kommen. Das sei eine „rote Linie“ für das Parlament. Sorgenvoll wird hingegen eher erwartet, dass die EU-Kommission schwerwiegende Kürzungen bei den Mitteln für die Kohäsionspolitik vorschlagen wird. Viele Regionen, vor allem in den alten EU-Mitgliedstaaten, könnten damit aus der Förderung ausgeschlossen werden. Hier wird der Stand der Debatte erläutert.
Macron in Plenum
Etwas enttäuscht wird auch Macron selbst gewesen sein, dass seit seiner Rede an der Sorbonne kaum eine andere Regierung in den Mitgliedstaaten seine Reformpläne aufgreift und zu den größten Bremsern letztlich auch Deutschland gehört. Seine Frage nach einer europäischen Souveränität hat es einerseits in sich, manch Schlenker zu den unübersehbaren Demokratiedefiziten auch. Doch seinem Reformwillen fehlt es offensichtlich an sozialer Tiefe. Zuerst steht er für vergemeinschaftete Aufrüstung, statt für einen vergemeinschaftenen Sozialstaat, der möglicherweise viel mehr globale Ausstrahlung entfalten könnte als Abschreckung und Machtansprüche. Jetzt heißt es wohl Warten auf den EU-Gipfel im Juni, der im Detail Macrons Vorschläge für ein großzügiges Budget für die Euro-Zone durchdiskutieren will.
EU und Syrien: Gabi Zimmer in der Plenardebatte zur Lage in Syrien
„Wie kann es aber sein, dass wir einerseits darüber reden, dass wir diplomatische, politische Lösungen wollen, dass wir über die unhaltbaren Zustände auch innerhalb des UN-Sicherheitsrates durch die Vetopolitik einiger Staaten – insbesondere Russlands – reden, und andererseits aber zittern, dass Russland hoffentlich nicht mit adäquaten Maßnahmen auf das, was die USA, Frankreich und Großbritannien losgetreten haben, reagiert?“ Diese und andere Fragen stellte Gabi Zimmer, die Fraktionsvorsitzende der GUE/NGL, in der Plenardebatte an Federica Mogherini.
Erdoğan verkündet vorgezogene Neuwahlen
Und sie finden dann einmal mehr unter dem erneut verlängerten Ausnahmezustand statt. Damit bleiben entscheidende Grundrechte massiv eingeschränkt, schon wie zu Zeiten des Referendums im April 2017. Von der Versammlungs- bis zur Meinungsfreiheit wird alles was Erdoğan als politische Opposition ausmachen wird, behindert werden und keine faire Vorwahlzeit erleben. Vor dem Hintergrund des gerade erschienenen Türkeiberichts der Kommission kommentiert Martina Michels die Entscheidung Erdoğans.
Datenschutz und Grundrechte: Facebook in der Vertrauenskrise
Die britische Beratungsfirma Cambridge Analytica hat über 50 Millionen Nutzerprofile analysiert und in Zusammenhang mit Wahlen verwendet. Das ist nicht nur Datenklau und zutiefst kriminell. Die Verantwortung, dass dies überhaupt möglich wurde, liegt letztlich bei Facebook. Einmal mehr wird deutlich, dass Internetplattformen mehr Regulation benötigen und mehr Rechte für Nutzerinnen und Nutzer verankert sein müssen, wenn sie sich schon auf Marktingplattformen zum Kommunizieren treffen. Doch die Politik steht hier, obwohl die Realitäten nun schon mehr als ein Jahrzehnt sichtbar sind, vorm berühmt berüchtigten Neuland. Martinas Kollegin, Conny Ernst, sprach dazu aus Datenschutzperspektive in der Penardebatte.
Europapolitische Sprecherinnen und Sprecher trafen sich in Berlin
Die hochgefahrene europäische, ständige strukturierte Zusammenarbeit im militärische Bereich, firmierend unter dem Kürzel PESCO, wurde von Mogherini einmal als die „schlafende Schönheit des Lissabonvertrags“ bezeichnet. Mit dem Brexit ist dieser Handlungsrahmen der Mitgliedstaaten zu neuem Leben erwacht und das ist durchaus beunruhigend, so Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Europarat. Im Dezember 2017 wurde eine Anhebung der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter auf 20% beschlossen und ein künftiger Verteidigungsfonds. Martina Michels verwies in der Debatte darauf, dass auch in Horizon 2020 oder unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung Militärisches auch in anderen Fonds versteckt ist.
Danach erläuterte Gerry Woop, der Berliner Staatssekretär für Europafragen, die Funktionsweise des Ausschusses der Regionen in Brüssel.
Im Mittelpunkt des diesmaligen Austausches der europapolitischen Abgeordneten aus den Landtag, dem Bundestag und dem Europaparlament, sowie Vertreterinnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung stand abschließend eine Grundsatzberatung zur Erneuerung linker Kräfte in Europa. Ausgangspunkt war ein Diskussionspapier des Ältestenrates der LINKEN, dessen Ansatz darin bestand: Europa ist größer als die Europäische Union, aber Mittel- und Osteuropa haben wir auf dem Wege, die Zeitenwende 1989 zu verarbeiten, verloren. Deshalb wurden Perspektiven einer Erneuerung der Partei der Europäischen Linken eingefordert, sonst braucht man auch nicht über einen Neustart reden, wenn er nicht einmal in europäischen linken Bewegungen und Parteien begonnen hat.
Und hier noch die Serviceinformation am Sonntag Abend: Nahles mit 66,4 % gewählt.
Die SPD hat mal wieder einen Vorsitzenden, ach nein, erstmalig eine Vorsitzende. Immerhin. Doch so ganz allgemein und insgesamt: Wir warten weiterhin auf eine Erneuerung der SPD.