Ein anständigeres Asylsystem ist möglich – Ball im Feld der Mitgliedstaaten

Nachdem der Innenausschuss des Europaparlaments (LIBE) im Oktober mehrheitlich für die Reform der Dublin-Übereinkunft votierte, stimmte heute das Plenum des Europaparlaments ab. Auch hier erteilte eine große Mehrheit der Abgeordneten ihre Zustimmung, mit dem Text des Innenausschusses in Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission einzutreten (Trilog-Verfahren). Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament und bei diesem Prozess Unterhändlerin der EP-Linkfraktion GUE/NGL, erläutert die wesentlichen Verbesserungen des Textes:

„Ich bin sehr froh darüber, dass wir gemeinsam mit den Fraktionen der Sozialdemokratie und der Grünen die anderen Gruppen von unseren Vorschlägen überzeugen konnten. Der nun vorliegende Text ist die ambitionierteste Parlamentsposition in der Asylpolitik, die je beschlossen wurde. Zwar wollten Abgeordnete vor allem der osteuropäischen Christdemokratie und Konservativen den Text noch in der letzten Minute zu Fall bringen, doch haben wir nun ein umso stärkeres Mandat für unsere Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission.“

„Besonders freue ich mich, dass es uns gelungen ist, das Prinzip der Zuständigkeit durch den EU-Mitgliedstaat des Ersteintritts aufzuheben. Damit konnten wir den bisherigen Dublin-Regelungen einen besonders faulen Zahn ziehen. Außerdem konnten wir eine Mehrheit bilden, um die von der Kommission gewünschte vorgelagerte Zulässigkeitsprüfung wieder aus dem Text zu nehmen. Damit bereiten wir die Grundlage, um eine Bewältigung der Herausforderungen durch Migration auf Basis europäischer Solidarität zu erreichen.“

„Außerdem erhielten wir eine Mehrheit für die Einführung bestimmter Kriterien, nach denen die Antragssteller*innen direkt nach der Erstaufnahme in einen betreffenden Mitgliedstaat übermittelt werden, der sodann die Verantwortung für den eigentlichen Asylprozess hat. Eines dieser Kriterien ist die familiäre Anbindung und dadurch auch eine erleichterte Familienzusammenführung, die erst die Verteilung und dann die finale Überprüfung durch den betreffenden Mitgliedstaat vorsieht. Dieser Punkt war für uns ebenso zentral wie die Gewährleistung eines Rechtsbeistandes mit den Sprachkenntnissen der Antragsstellenden.“

„Auch wenn wir als Linke grundsätzlich negativ gegenüber der Dublin-Regelungen eingestellt sind, so begrüßen wir die Fortschritte, die mit diesem Text erreicht wurden. Nur ist eine solch progressive Position leider erst die halbe Miete. Nun geht es um die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat. Bisher konnten sie sich nicht auf eine Position einigen, im Gegenteil, verschleppen sie den Prozess immer weiter, das ist nicht zu tolerieren! Die Menschen haben ein würdiges Aufnahmesystem verdient und mit der heutigen Abstimmung hat das Parlament mehrheitlich klargemacht, dass es das Versteckspiel der Regierungen nicht weiter akzeptiert. Jetzt liegt es am Rat, darüber zu entscheiden, ob wir weiterhin in vermeintlicher Schockstarre verweilen und die Festung Europa suchen oder ob wir endlich substantielle Verbesserungen des inakzeptablen Status Quos angehen.“

 

Die Verbesserungen auf einen Blick:

  • Die einem Asylprozess vorgelagerte Zulässigkeitsprüfung, die auf der Durchquerung ‚Sicherer Drittstaaten‘ und dem Asylstatus in einem Drittstaat beruht, konnte gestrichen werden.
  • Erleichterte Familienzusammenführungen: Wenn der Antragssteller/ die Antragstellerin behauptet, Familienangehörige in einem bestimmten Mitgliedstaat zu haben, die einen legitimen Aufenthaltsstatus oder anerkannten Schutz genießen, so wird dieser betreffende Mitgliedstaat automatisch zuständig für den neuen Asylantrag.
  • Sanktionierungen, die zu beschleunigten Asylverfahren führen sollen, wurden gestrichen.
  • Neben familiären Verbindungen wurden weitere Kriterien aufgenommen, die bestimmen sollen, welchem Mitgliedstaat die betreffende Zuständigkeit obliegt.
  • Antragsstellende sollen das Recht haben, kostenlosen Rechtsbeistand während des vollständigen Asylprozesses zu erhalten, wenn die Person die Kosten nicht selbst aufbringen kann.

In einem Gastbeitrag für EurActiv Deutschland kommentierte Cornelia Ernst, weshalb eine solche Reform unbedingt nötig ist, sowie dass es für die betreffenden Menschen sehr wohl darauf ankommt, ob es Verbesserungen zum Status Quo gibt oder eben nicht: http://www.euractiv.de/section/europakompakt/opinion/blockierte-menschlichkeit/