Mit Sicherheit Menschen verunsichern
Den Juni-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschef*innen kommentiert Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im EP:
Zum Thema Innere Sicherheit und Bekämpfung von Terrorismus:
„Das Agenda-Setting ist in vollem Gange: Sicherheit, Terrorismus und Flucht sind für die Staats- und Regierungschef*innen die Themen der Stunde, die die Menschen in den Mitgliedstaaten wie kein anderes umtreiben. Deshalb erklären sie das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz für überholt, indem moderne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als absolut hinderlich im Kampf gegen Terrorismus stilisiert wird. Big Data als Anti-Terrorismus-Instrument Nummer 1 wird jedoch wesentlich mehr Schaden anrichten als Schutz vor etwaigen Angriffen bieten: Die überwältigende Mehrheit derjenigen, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum persönlichen Schutz oder zur Wahrung ihrer Privatsphäre nutzen, soll geopfert werden für eine theoretische Chance, eine verschwindend geringe Anzahl potentieller Täter*innen aufzuspüren. Und dies, obwohl die meisten der bisherigen Täter auch ohne solche Grundrechtseingriffe bei Behörden und Strafverfolgung bekannt waren. Thomas De Maizière und die Landeskriminalämter jedenfalls wird es freuen.“
Zum Thema Äußere Sicherheit und Verteidigung: „Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie soll durch Investitionen der Europäischen Investitionsbank erhöht werden. Viele sicherheitsrelevante Bereiche benötigen verstärkte Investitionen, wie nicht zuletzt der schreckliche Brand in London belegt. Die europäische Rüstungsindustrie hingegen braucht wahrlich keine Subventionen und Starthilfen durch öffentliche Gelder. Sicherheit in erster Linie als militärische Sicherheit zu verstehen, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die tatsächlich unter mangelnder (sozialer) Sicherheit leiden.“
Zum Thema Migration: „In der Abschottung vereint, scheint das neue, wenn nicht sogar einzige Credo der Staats- und Regierungschef*innen zu sein. Wie die Bedingungen der Menschen in den Camps auf den griechischen Inseln, dem Balkan, am Brüsseler Nordbahnhof oder an der nordafrikanischen Küste verbessert werden könnten; wie die versprochene Umverteilung endlich umgesetzt werden kann, oder wie die Antragsverfahren zügiger gestaltet werden können, ist den Staats- und Regierungschef*innen nicht einmal mehr eine Stellungnahme wert. Das ständig beschworene, unbedingte Sicherheitsbedürfnis überwiegt alles und dabei verlieren sie jedwedes Maß. Dafür werden auch die Migrationsabwehr-Deals sowie die Aufrüstung und Militärausbildung von Militärregimen in Kauf genommen. Sichere Herkunftswege, Menschenrechte, Friedensnobelpreis und die Würde des/der Einzelnen klingen wie Begriffe aus einer fernen Zeit. Europa bleibt sich selbst am nächsten und der Rest gefälligst draußen.“