Grundrechte garantieren statt instrumentalisieren: Wir trauern um die Opfer des Anschlags in Istanbul

Zu dem gestrigen Anschlag in Istanbul erklärt Martina Michels, stellvertretendes Mitglied der EU-Türkei-Delegation des Europäischen Parlaments:

Wir fühlen mit den Angehörigen der Opfer und verurteilen den feigen Selbstmordanschlag in Istanbul auf das Schärfste. Ziel solcher entsetzlichen Taten ist es, Unsicherheit und Schrecken zu verbreiten und politisch zu destabilisieren. In den vergangenen Monaten konnten wir erleben, dass die türkische Regierung derartige Anschläge für die Kriminalisierung der Opposition und die Aushebelung demokratischer Institutionen nutzte. Die angemessene Antwort auf Terror kann nirgendwo die Einschränkung von Freiheiten sein. Die türkische Regierung hat – ebenso wie die EU – die Verantwortung, den Drahtziehern solcher Verbrechen den Nährboden zu entziehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es fraglich, ob der sogenannte Islamische Staat (Daesh) erneut hinter den Anschlägen steckt. Genau wie die Erdoğan-Regierung ihr Verhältnis zum „IS“ klären muss, haben die Mitgliedstaaten der EU die Verantwortung, ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Regimen in unserer Nachbarschaft grundlegend zu überdenken und sie in Zukunft nach den menschenrechtlichen Grundwerten der EU zu gestalten. Für Beitrittsverhandlungen, Assoziierungs- und Nachbarschaftspolitik ist dieser Standard unverzichtbar, um Konflikte in Zukunft zu minimieren und zu deren Lösung beizutragen.

Wenn die Mitgliedsstaaten der EU zu Recht nicht mit Terrororganisationen verhandeln, so sollten sie, um glaubwürdig zu bleiben, ihre Lösungsansätze zur Flüchtlingspolitik nicht durch schmutzige Deals mit der Türkei weiter aufschieben. Unsere Verantwortung lässt sich nicht outsourcen. Mit Blick auf die Eskalation der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Südosten der Türkei gilt dies ganz besonders. Seit Wochen wird die außerparlamentarische und kurdische Opposition unter Druck gesetzt, werden Medienleute, Politikerinnen und Politiker verfolgt oder ihrer Ämter enthoben. Diese Türkei ist unter diesen Umständen kein verlässlicher Partner für eine humane Flüchtlingspolitik. Auch wenn sie in der Vergangenheit hier viel geleistet hat, widerspricht die Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland inzwischen der Realität.

Den Opfern des Terrors sind wir einen besonnenen und aufgeklärten Umgang schuldig und wir sollten uns davor hüten, sie weiter zu instrumentalisieren, um Freiheit und Menschenwürde mit Füßen zu treten. Eine enge Kooperation mit der Türkei sollte sie umgekehrt in einen Prozess einbinden, der eine Rückkehr zum Friedensprozess mit der kurdischen Bevölkerung ermöglicht. Nur auf diese Weise wäre die Türkei ein stabilisierender Faktor in der Region.