Zum gestrigen (ersten) EU-Türkei-Gipfel erklären Cornelia Ernst, Leiterin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament und Martina Michels, stellvertretendes Mitglied der EU-Türkei-Delegation:

 

„Gestern gab sich die EU beim Ratstreffen in Brüssel einmal mehr einer Show für die Stammtische hin. Die Türkei soll mit drei Milliarden Euro dafür gemietet werden, ihre Grenzen nach EU-Europa vollends zu versiegeln. Doch wollen sich lediglich neun EU-Staaten an dieser Subventionierung der Abschottungspolitik beteiligen. Das einzig positive Ergebnis ist, dass man sich nun vermehrt zu Gesprächen treffen will. Es ist wichtig, eine Basis des Dialogs zu schaffen, doch müssen die EU-Mitgliedstaaten klarstellen, unter welchen Bedingungen sie bereit sind, zu verhandeln. Mit einem Präsidenten Erdogan, der die Opposition unaufhörlich gängelt, ist kein Deal zu machen, der die Demokratie in der EU und der Türkei nicht nachhaltig und erneut beschädigt! Stattdessen sollte man sich intensiver der Unterstützung von Griechenland und den Balkanstaaten zuwenden, bis die Türkei gewisse Mindeststandards erfüllt, die neue Wege der Diplomatie eröffnen würden“, so Cornelia Ernst, innenpolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament.

 

Martina Michels ergänzt: „Nicht ohne Grund gibt es die Devise, mit Terroristen nicht zu verhandeln. Das gebietet allerdings bei Verhandlungen mit repressiven Regierungen, wie der türkischen, die Journalismus für ein Verbrechen halten und Menschenrechte missachten, sowie die Opposition kriminalisieren, ebenso einen deutlichen Verhandlungsstil und eine Zielsetzung, die Fluchtursachen wirklich bekämpft statt langfristig neue zu schaffen.“

Michels weiter: „Mit den drei Milliarden Euro ist weder den Menschen auf der Flucht geholfen, noch kann damit der Aufwand, den die Türkei leisten müsste, gedeckt werden. Bald muss die Frage gestellt werden, wer hier letztlich wen über den Tisch gezogen hat, da nun auch noch weitere EU-Beitritts-Kapitel aufgeschnürt werden sollen. Diese Aussicht ist unter dem derzeitigen Zustand der EU-28 äußerst unrealistisch.

Dasselbe gilt andersherum für die kundgetane Hoffnung, die Türkei würde die Einreise der Menschen, die die EU-Grenze erreichen wollen, ernsthaft senken können. Es kann schließlich nicht der Weg sein, dass die Türkei, so wie bereits in den letzten Wochen, dutzende Menschen zurück nach Syrien schickt und zugleich im Besonderen die kurdische Opposition und Bevölkerung weiterhin unterdrückt und einschüchtert. Wir können uns leider einer nächsten Eskalationsstufe mit Ansage ziemlich gewiss sein, dann auch mit freundlicher Finanzierung aus neun EU-Hauptstädten. Das ist eine völlig verfehlte Politik“, so Martina Michels abschließend.