Der Industrieausschuss im Zeichen der Energiepolitik
Abstimmungen des Industrieausschusses im Europaparlament zu Energieunion und Stromverbundziel
Das Stromverbundziel beinhaltet den Ausbau von Stromleitungen zwischen den Mitgliedstaaten, den Ausbau der Gasinfrastruktur und die Diskussion um die Rolle der Energieverbraucher und Verbraucherinnen.
Die für uns wesentliche Frage ist, wie man einen steigenden Anteil an erneuerbaren Energien in den Strommarkt integrieren kann. Dabei ist natürlich problematisch, dass in einigen Mitgliedstaaten der Trend wieder in Richtung fossiler Energieträger und Atomkraft geht. Darüber hinaus wird dieses Thema in Zukunft auch verstärkt bürger- und bürgerinnenrechtliche Bereiche betreffen, da unter den Stichwörtern intelligente Netze (Smart Grids) und Smart Homes der Datenschutz und die Privatsphäre auch eine wichtige Rolle spielen müssen. Auf europäischer Ebene findet sich diese thematische Verschmelzung allmählich Einzug in die Debatten.
1. Ausbau des Stromverbunds zwischen Mitgliedstaaten
Am 10. November stimmte der Industrieausschuss des Europaparlaments (ITRE) mit 56 Stimmen Mehrheit, drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen für den Bericht zur Erreichung des Stromverbundziels von zehn Prozent.
Im Rahmen der Europäischen Energieunion soll auch der Stromverbund zwischen den Mitgliedstaaten ausgebaut werden – mindestens auf zehn Prozent europaweit. Momentan schwanken die Kapazitäten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Manche liegen bereits heute um die zehn Prozent, bei vielen jedoch bewegt sich dieser Wert erst zwischen einem und vier Prozent.
Deshalb begrüße ich den abgestimmten Bericht, denn er fordert, dass der Strom-Binnenmarkt allen EU-Verbrauchern in Form von sinkenden Preisen zugutekommt und sich nicht allein auf Großhandelspreise beschränkt.
Bei der Bewertung des Bedarfs für den grenzüberschreitenden Leitungsausbau, müssen die nationalen Netz-Kapazitäten bestmöglich genutzt werden. Vor allem aber sind intelligente Übertragungs- und Verteilnetze entscheidend, um einen wachsenden Anteil von dezentralisierten Energieprosumenten bzw. -Prosumentinnen in den Markt zu integrieren. „Prosumation“ bezeichnet die Produktion und den Konsum von Energie in einer Person. Beispielsweise weite Teile der Industrie in Rheinland-Pfalz und viele Energiegenossenschaften wirtschaften auf die Weise, indem sie die Energie, die sie produzieren, auch gleich konsumieren.
Ob jedoch der weitere Ausbau erneuerbarer Energien in der EU gelingen kann, hängt nicht nur von der Frage des Leitungsbaus ab, sondern vor allem auch vom nationalen Energiemix, für den sich die einzelnen Mitgliedstaaten entscheiden. Das gemeinschaftliche Ausbauziel für erneuerbare Energien liegt bei 27 Prozent – doch dafür gibt es nach 2020 keine nationalen Zielfestlegungen mehr. Wir brauchen hier mehr Verbindlichkeit in Form von nationalen Zielen – einmal, um den Ausbau unter den Mitgliedstaaten vergleichen zu können, und zum anderen, um bei Zielverfehlungen Konsequenzen folgen zu lassen.
Mein Antrag, der mehr Anreize für den Ausbau von energieautarken Bürger-Projekten forderte, wurde leider mit einer knappen Mehrheit von vier Stimmen abgelehnt:
„betont, dass die Mitgliedstaaten Anreize für auf Energieautarkie basierende
Bürgerprojekte zur Stromerzeugung schaffen sollten, beispielsweise durch
Investitionen und Steuererleichterungen oder geringere Gebühren auf
Stromverbrauch;“
2. Europäische Energieunion – Weg frei für Fracking & Revival der Atomenergie?
Weniger erfreulich verlief die zweite Energie-relevante Abstimmung im Industrieausschuss des Europaparlaments (ITRE). Der Bericht zur europäischen Energieunion wurde mit 47 Stimmen angenommen, bei 13 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Ich bedaure sehr, dass dieser Bericht in der Abstimmung eine Mehrheit fand. Denn die berechtigte Forderung, die Energieeffizienzziele der Union nach 2020 verbindlich zu gestalten, auf 40 Prozent anzuheben, und auf einzelstaatliche Ziele runter zu brechen, fiel leider durch und ist nicht Bestandteil des Berichts.
Außerdem wird für TTIP ein gesondertes Energiekapitel gefordert, um den Export von amerikanischem Flüssiggas und Rohöl zu ermöglichen – das ist eine kurzsichtige Argumentation, die dem Ziel der Senkung von Treibhausgasemissionen zuwiderläuft und ein fatales Signal für den kommenden Klimagipfel in Paris ist.
Die Aussagen zum Fracking sind leider windelweich – die Mitgliedstaaten sollen, wenn sie Fracking zulassen möchten, die Empfehlungen der Kommission zu den Mindestgrundsätzen einhalten. Diese Empfehlungen sind weder bindend, noch klären sie, was mit verschmutztem Abwasser passiert oder wie der Einsatz von Chemikalien überwacht werden soll und wie seismische Risiken zu umgehen sind. Dazu wird sich einfach nicht festgelegt!
Unter dem Vorwand, eine „emissionsarme“ Technologie zu sein, wird die Atomenergie mit dem Kampf gegen den Klimawandel in einem Atemzug genannt. Die Kommission wird aufgefordert, einen günstigen Rahmen für den Neubau von Atomkraftwerken zu schaffen. Dabei wäre ein europaweiter Ausstieg aus der Atomkraft bis 2030 möglich – Voraussetzungen dafür sind jedoch die baldige Steigerung der Energieeffizienz und ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien.