Wieder weniger Geld für Kohäsion, Bildung und Kultur

Das Plenum des EU-Parlaments wird am Mittwoch dieser Woche darüber abstimmen, ob es den Kompromiss zum EU-Haushalt 2015 billigt. De facto würde dann 2015 weniger Geld als 2014 für die Kohäsionspolitik (Strukturfonds) sowie auch Bildungs- und Kulturpolitik (Erasmus+, Kreatives Europa) zur Verfügung stehen. Diese Kürzungen wollen die linken Europaabgeordneten nicht mittragen. Befürchtet werden außerdem weiter Kürzungen zugunsten des „Juncker-Pakets“. Auch die in einem Nachtragshaushalt vereinbarte Summe für die noch nicht bezahlten Rechnungen aus 2014 ist unzureichend.

Am 8. Dezember haben sich die Unterhändler der EU-Mitliedstaaten und das Europaparlaments auf einen Kompromiss zum Haushalt 2015 und Nachtragshaushalten 2014 geeinigt, nachdem die Verhandlungen im Vermittlungsverfahren Mitte November zunächst gescheitert waren.

Hintergrund des Scheiterns und anhaltender Kritik ist, dass die Mitgliedstaaten nicht bereit sind, auch nur das Mindestmaß an Mitteln zur Verfügung zu stellen, das für die Bewältigung der Zahlungserfordernisse der EU benötigt würde. Die EU-Kommission hatte diese im Frühjahr dieses Jahres mit 142 Mrd. beziffert, das Europaparlament hat sie in seinem Beschluss vom Oktober 2014 auf 146 Mrd. € nach oben korrigiert. Der Rat, also die Mitgliedstaaten, wollte jedoch ursprünglich nicht mehr als knapp 140 Mrd. € bereitstellen. Der „Kompromiss“ liegt nun bei 141 Mrd. €. Verhandlungen fanden zuletzt fast nur noch zwischen den Vertretern der Mitgliedstaaten statt. Angesichts dieses Ergebnisses wollen die LINKEN. im EP dem Haushalt 2015 nicht zustimmen.

In fast jedem politischen Dokument zum Thema Krisenbewältigung wird die Notwendigkeit betont, in Wissenschaft, Bildung, Innovation, Infrastruktur zu investieren und „das Vertrauen der Wirtschaft“ zurückzugewinnen. Zugleich wird genau in diesen Bereichen gekürzt und nicht ausreichend Geld für genehmigte und von Unternehmen, Kommunen und Organisationen bereits durchgeführte Projekte zur Verfügung gestellt:

  • Konkret handelt es sich um Kürzungen in allen Bereichen der Regional- und Kohäsionspolitik, zusammen 477,2 Mio. € im Vergleich zum Entwurf der Kommission bzw. 2 Mrd. € im Vergleich zum Haushaltsjahr 2014!
  • Auch für das Bildungsaustauschprogramm Erasmus+ wird es weniger Geld geben (-3.241 Mio. € im Vergleich zum Kommissionsvorschlag), ebenso wird beim Kulturprogramm Kreatives Europa gespart (-0.984 Mio. €).
  • Bei Landwirtschaft, Fischerei und Umweltschutz sollen ebenfalls Abstriche gemacht werden (-908 Mio. € im Vergleich zum Haushaltsentwurf oder -300 Mio. € verglichen mit 2014).
  • Während bei Integration unterstützenden Maßnahmen im Bereich Asyl und Migration 14,378 Mio. € gekürzt werden, bekommen Frontex und Europol noch einen Extra-Zuschuss.

Neben den Strukturfonds soll kurzfristig ein Milliarden-schweres Investitionspaket („315 Mrd. €-Juncker-Paket“) aufgelegt werden, welches mittels EU-Kreditgarantien den größten Anteil des Geldes aus der privaten Wirtschaft „hebeln“ soll. Private Investitionen, so der Gedanke dahinter, seien angeblich effizienter und höher als staatliche.

Darüber hinaus besteht die Sorge, dass durch die Juncker-Initiative bestehende Mittel aus den Strukturfonds nicht mehr zur Verfügung stehen könnten. Bislang gibt es keinerlei Zusicherung, dass es sich um „frisches Geld“ und um einen zusätzlichen und eigenständigen Investitionsplan handelt.

In den vergangenen Jahren ist die Summe der nicht bezahlten Rechnungen, die die EU zu begleichen hat, sprunghaft angestiegen: Waren es 2010 noch 5 Mrd. €, mit denen sie bei den Regionen, Kommunen, NRO und Unternehmen im Minus stand, wuchs der Schuldenstand bis Ende des vergangenen Jahres auf 23,4 Mrd. € und könnte bis Ende Dezember 2014 bis zu 25 Mrd. € erreicht haben (genaue Zahlen werden im Februar 2015 bekannt). Das EU-Parlament hatte in seinem Beschluss von Oktober 2014 einen Nachtragshaushalt von 7 Mrd. € für 2014 und 2015 gefordert, um den Schuldenberg wenigstens nicht größer werden zu lassen – der „Kompromiss“ sieht nun lediglich 4,8 Mrd. € vor.

Der Anstieg der Schulden hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass der EU-Haushalt zwischen Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen unterscheidet und diese beiden in den vergangenen Jahren nicht miteinander in Einklang gebracht wurden. Verpflichtungsermächtigungen erlauben EU und Mitgliedstaaten, finanzielle Zusagen in einem bestimmten Jahr zu machen. Die tatsächlichen Rechnungen treffen oft erst in einem späteren Jahr ein, weil Projekte und Programme in der Regel über mehrere Jahre laufen und Abrechnungen zu deren Ende erfolgen. Wenn sie dann aber eintreffen, werden sie zu Forderungen, die bei der Planung der Zahlungsermächtigungen berücksichtigt werden müssen.

Das ist das eine sinnvolle Vorgehensweise, die gut funktionierte, solange dieses Prinzip eingehalten wurde. Dies ist nun jedoch jahrelang eben nicht geschehen, sondern die Mitgliedstaaten weigern sich, die erforderlichen Mittel für erfolgte Projekte zur Verfügung zu stellen, von denen sie selbst bereits profitiert haben.

Eine Folge davon ist, dass Projektträger – öffentliche wie private – auf ihren Ausgaben längere Zeit sitzen bleiben. In neue Projekte zu investieren wird durch solche Erfahrungen natürlich keineswegs attraktiver für sie. Zugleich versucht die EU natürlich, Stück für Stück Rechnungen zu begleichen, schon um Zinsforderungen einzudämmen. Auch hier ist ein Negativeffekt, dass neue Projekte aufgrund des Geldmangels nicht wie geplant begonnen werden.

Eine zentrale Forderung zum kurzfristigen Umgang mit dem Haushaltsdilemma bleibt die Übertragung von nicht verbrauchten Mitteln und Einnahmenüberschüssen (z. B. aus Kartellverfahren) aus der Finanzperiode 2007-2013. Bislang fließen diese einfach wieder an die Mitgliedstaaten – also vor allem die Nettozahlerländer – zurück.

Zugleich Ist angesichts der wachsenden Aufgaben der EU und vor allem angesichts der positiven Erfahrungen mit dem solidarischen Umverteilungseffekt der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik zu fragen, ob die Deckelung der Budgethöhe bei etwa 1% der EU-BIP überhaupt noch angemessen ist.

Darüber hinaus erweist sich das bisher angewandte System der EU-Einnahmengewinnung offenbar als nicht zeitgemäß: Solange der Löwenanteil der Einnahmenseite des EU-Haushalts Verhandlungssache zwischen den Mitgliedstaaten ist, wird dessen Finanzierung immer mehr zum Spielball unterschiedlichster politischer Interessen. Damit ist weder Kontinuität gesichert, noch kann, wie sich gezeigt hat, das Verbot von EU-Schulden eingehalten werden.

Infographik zum EU-Haushalt: Einnahmen und Ausgaben jedes Mitgliedstaats

Entwurf der politischen Stellungnahme des Europaparlaments zum Haushalt 2015 und Änderungsanträge

Rede von Martina Michels in der Aussprache am 16/12/2014

Für Nachfragen steht das Büro der Europaabgeordneten Martina Michels gern zur Verfügung. Kontakt:

Frau Nora Schüttpelz

nora.schuettpelz@ep.europa.eu

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