Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs)
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben zu ihren ehemaligen Kolonien in Afrika, in der Karibik und im Pazifik (AKP-Staaten, zurzeit 79 Länder) seit deren Unabhängigkeit besondere Kooperationsbeziehungen. In mehreren Verträgen wurden diesen Entwicklungsländern besondere Entwicklungspartnerschaften und Handelspräferenzen zugesichert. Zuletzt leitete im Jahr 2000 das so genannte Abkommen von Cotonou eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit ein. Entwicklungskooperation wurde an politische Kriterien (Einhaltung von Menschenrechten, Demokratie, Rücknahme abgeschobener Flüchtlinge) und die Ausweitung des politischen Dialogs geknüpft. Der Armutsbekämpfung sowie der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren sollte ein zentraler Stellenwert eingeräumt werden.
Zugleich wurde vereinbart, die Handelsbeziehungen neu zu regeln, damit sie den Vorgaben des 1995 in Kraft getretenen WTO-Abkommens entsprechen. Bis Ende 2007 sollten dazu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Deutsch WPA, englisch EPA abgekürzt) abgeschlossen werden.
Die EU-Kommission verhandelt im Auftrag der 28 EU-Mitgliedstaaten mit sechs AKP-Regionen nicht nur über den gegenseitigen Abbau von Zollschranken für Handelsgüter, sondern strebt eine umfassende Liberalisierung in allen Wirtschaftsbereichen an, einschließlich des Handels mit Dienstleistungen, des Investitionsschutzes, der Patent- und Wettbewerbsregeln sowie dem öffentlichem Beschaffungswesen. Anfangs sahen sich nur die Staaten der karibischen Regionalorganisation CARIFORUM in der Lage, ein derartiges Handelsabkommen zu unterzeichnen. In den anderen Regionen existieren weder die politischen und administrativen Strukturen, um solche Abkommen erfolgreich verhandeln und nutzen zu können, noch sind deren Wirtschaften in der Lage, mit der europäischen Güter-, Dienstleistungs-, Finanzdienstleitungs- und Landwirtschaftsindustrie, die teilweise hochsubventioniert wird, im offenen Wettbewerb zu konkurrieren. Zudem sind bei der Zuordnung der einzelnen Länder zu den sechs Regionen, mit denen die EU verhandelt, gewachsene regionale Strukturen zu wenig beachtet worden. Einzelne Regionen und Staaten haben dennoch so genannte Interim-Abkommen abgeschlossen, die ihnen ermöglichen sollen, ihren bisherigen Güterexport in die EU aufrecht zu erhalten. Doch auch sie werden verpflichtet, ihre Gütermärkte nach Ablauf von Übergangsfristen fast vollständig zu öffnen. Die EU-Kommission fordert zudem, dass mittelfristig mit allen AKP-Regionen vollständige WPA ausgehandelt werden.
Im Februar 2014 meldeten die Unterhändler Vollzug für das WPA zwischen der EU und den Staaten der Westafrikanischen Gemeinschaft ECOWAS. Der Deal ist zwar besser als für CARIFORUM, dennoch nun über 20 Jahre 75 % der aller westafrikanischen Wirtschaftssektoren für EU Unternehmen vollständig geöffnet werden. Erkauft würde der Abschluss mit der Zusage von 6,5 Milliarden Euro Entwicklungshilfe. Dafür verzichtete Westafrika auf die Möglichkeit, mit China, Indien, Russland oder den USA ein vorteilhafteres Abkommen auszuhandeln, ohne der EU dann die gleichen Konditionen einzuräumen (Meistbegünstigtenklausel =MFN).
Auch die Ostafrikanische Gemeinschaft steht kurz vor einem Verhandlungsabschluss, kämpft jedoch noch gegen diese Klausel und für das Recht, auf Rohstoffausfuhren bei Bedarf eine Exportsteuer zu verhängen. Ungebremster Rohstoffzugang gehört jedoch zu den Kernzielen der EU Kommission und der europäischen Industrielobby. Als letzter Stein im Puzzle der Bindung des afrikanischen Kontinents an seine alten Kolonialmächte in Europa fehlt dann noch das Abkommen mit dem südlichen Afrika inklusive Südafrika (die Region SADC). Dort demonstriert vor allem Namibia Verhandlungsstärke und will nicht auf sein Instrument der Exportsteuern verzichten. Auch Südafrika als größte Wirtschaftsnation des Kontinents will sich keine ungünstigeren Bedingungen im Handel mit seinen Nachbarn aufzwingen lassen.
Die Europaabgeordneten der LINKEN fordern faire, partnerschaftliche Handelsbeziehungen. Deshalb stehen sie an der Seite der Regierungen und der Zivilbevölkerung der Entwicklungsländer, die den Abschluss der geplanten WPA abgelehnt haben. Wir haben im Europäischen Parlament stets gegen die Ratifizierung dieser Abkommen gestimmt. In den Legislaturen 2004 – 2009 und 2009 – 2014 waren jeweils Abgeordnete der Linken die federführenden Berichterstatter für das WPA mit Ostafrika und haben mit mehreren Konferenzen und Seminaren in der Region zu Transparenz und öffentlicher Meinungsbildung und Beteiligung beigetragen. Die Zielstellung der gegenseitigen (reziproken) Marktöffnung in allen Wirtschaftsbereichen halten wir für falsch. Freihandelsbeziehungen können nur zwischen Partnern mit vergleichbarem wirtschaftlicher Entwicklungsniveau, ähnlichen sozialen Schutzstandards und entsprechenden technischen und administrativen Kapazitäten funktionieren. Davon sind die AKP-Staaten jedoch weit entfernt, ihre Wirtschaftskraft beispielsweise ist um das 31fache geringer als das der EU. Werden sie gezwungen, Zölle und andere Schutzmechanismen abzuschaffen, fehlen ihnen die Zolleinnahmen zur Finanzierung öffentlicher Daseinsvorsorge, Bildungssysteme, Infrastruktur und Wirtschaftsförderungsmaßnahmen. Billige Importe europäischer Massenprodukte und subventionierter Agrargüter zerstören die regionale Wirtschaft beziehungsweise verhindern deren Aufbau von Anfang an. Die Versprechungen von höheren Exporten in die EU haben sich für die Karibikregion nach den nun vorhandenen Daten nicht erfüllt. Wir wollen eine kooperative Weltwirtschaft, in der die Entwicklungsländer die Möglichkeit erhalten, ihre eigene Wirtschaft aufzubauen, ohne ständig Forderungen nach Marktöffnung ausgesetzt zu sein. Jedem Land muss das Recht zugestanden werden, selbst zu entscheiden, wann und in welchem Maße es welche Wirtschaftsbereiche für den Weltmarkt öffnen kann. Wir setzen uns dafür ein, dass die Märkte der Industrieländer für Entwicklungsländer besser zugänglich werden. Statt die weitere Liberalisierung zu fördern, sollten auch in Entwicklungs- und Schwellenländern vor allem Maßnahmen und Projekte zur Stärkung der Binnenmarktorientierung unterstützt werden. Vorrang für lokalen Handel, Vorrang für Handel in der Region. Vorrang für Süd-Süd Handel. Gerade weil Handel, wenn er unter fairen Bedingungen stattfindet, zu wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung beitragen kann, fordern wir echte Partnerschaftsabkommen, deren Inhalte im intensiven Dialog der Parlamente, Zivilgesellschaften und Wirtschaftsakteure diskutiert werden.