Beitrag von Thomas Händel für „The European“

 

In über 60.000 E-Mails und Briefen von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden, Stadtverwaltungen, Gemeinderäten, Land- und Bundestagsabgeordneten und Ministerien wird die Privatisierung der Wasserversorgung abgelehnt. Die BürgerInnen Europas wollen, dass Wasser ein Allgemeingut bleibt.

Anlass der Sorge ist eine Richtlinie zur Konzessionsvergabe, die aktuell im Europaparlament diskutiert wird. Die EU-Kommission will erstmals die Vergabe von Konzessionen durch die Öffentliche Hand regeln. Ein einheitlicher Rechtsrahmen sei nötig, Korruption solle bekämpft werden, so die Kommission. Betroffen davon ist auch die Organisation kommunaler Wasserversorgung.

Keine automatische Privatisierung

Zwei Einschränkungen sind dabei zu beachten. Erstens erzwingt der vorliegende Richtlinien-Entwurf nicht automatisch die Privatisierung der Wasserversorgung. Jede Ebene der Öffentlichen Hand entscheidet zunächst selbst, ob sie Konzessionen vergibt oder öffentliche Güter und Dienstleistungen selbst bereitstellt. So weit die Theorie. Zweitens vergaben Länder oder Kommunen auch bisher schon Konzessionen. Vor dem Hintergrund knapper Kassen hat die Vergabe von Konzessionen an Wasser- und Stadtwerke, für die Abfallbeseitigung, Fernheizung, den Betrieb von städtischen Krankenhäusern und Hallenbädern u. v. m. allerdings erheblich zugenommen – kein Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge blieb bisher davon verschont. Vor allem von den Staaten Südeuropas wird ganz unverhohlen die Privatisierung der Wasserversorgung zur Haushaltssanierung verlangt.

Das Problem: Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Strategien privater Unternehmen sind der Gewinn oder die Dividenden für Eigentümer und Aktionäre, und nicht das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger. Beispiele für die negativen Konsequenzen privatisierter Wasserversorgung lassen sich in vielen Städten finden. In Berlin zum Beispiel lassen sich die privaten Minderheitsaktionäre seit 1998 acht Prozent Garantierendite auszahlen – auf Kosten vor allem der privaten Haushalte, deren Wasserpreis seitdem förmlich explodiert ist. In Braunschweig kassiert der französische Veolia-Konzern zwar Gewinne ab, hat die unternehmerischen Risiken der Wasserversorgung aber mittels dubioser Verträge mit der Stadt auf die Verbraucher abgewälzt. Die Liste lässt sich fortsetzen: in Deutschland, in Europa und international.

Außer Frage steht in dieser Debatte der grundlegende rechtliche Rahmen: Die UN-Resolution 64 aus dem Jahr 2010 stellt unmissverständlich das Menschenrecht auf Zugang zu Wasser fest. Alle 192 Mitgliedstaaten der UNO müssen dieses Menschenrecht anerkennen. Daraus leitet sich eine Verpflichtung des Staates ab, diesen Zugang für alle zu erschwinglichen Preisen zu gewährleisten. Was aber, wenn der Markt keinen fairen und erschwinglichen Zugang garantieren kann?

Die Wasserversorgung ist immer ein Monopolgeschäft. Wettbewerb ist aufgrund der strukturellen und infrastrukturellen Anforderungen kaum möglich. Dies öffnet der Preistreiberei Tür und Tor. Gleichzeitig sind die meist per Konzession beauftragten privaten Unternehmen vor allem daran interessiert, Gewinne zu erwirtschaften (und nicht etwa an der Einhaltung von UN-Resolution 64). Notwendige Investitionen in die Infrastruktur des Wasserversorgungsnetzes amortisieren sich in diesem Bereich erst nach sehr langer Zeit, meistens enden die Konzessionsverträge schon vorher. Die Unternehmen haben also nur wenig Interesse, diese Investitionen auch vorzunehmen – denn dies würde die Gewinne schmälern.

Druck auf die Kommunen

Die Folgen kann man sich beispielsweise in vielen französischen Gemeinden ansehen. Dort verrottet die Infrastruktur und das Trinkwasser muss massiv chemisch gereinigt und gechlort werden. Die Preise sind trotzdem bis zu 150 Prozent höher als noch vor 10 Jahren. Mittlerweile fordern auch dort Politiker über alle Parteilinien hinweg die Rekommunalisierung des Gemeingutes Wasser. Die Erfahrung zeigt: Wettbewerb ist das falsche Instrument für Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Ware. Es muss für alle Menschen zugänglich und bezahlbar sein. Noch immer haben circa 2 Millionen Menschen in Europa keine angemessene Trink- und Abwasserversorgung.

Sollte die neue europäische Richtlinie – wie derzeit vorliegend – in Kraft treten, würde die Entscheidungsfreiheit der Kommunen noch weiter eingeschränkt. Sie müssten zukünftig bei der Vergabe von Konzessionen ab einer Umsatzhöhe von 8 Millionen Euro für eine europaweite Ausschreibung sorgen. Nur wenn die Dienstleistung zu mehr als 80 Prozent für die Kommune erbracht wird und der Versorgungsbetrieb im kommunalen Haushalt konsolidiert wird, würde die Ausschreibungspflicht entfallen. Die vorgesehenen Ausnahmen sind juristisch sehr kompliziert und nur schwer zu erfüllen.

Diese Richtlinie erhöht damit den Druck zur europaweiten Ausschreibung von Konzessionen erheblich. Zwar könnten sich auch städtische Unternehmen um eine Konzession bewerben, allerdings nicht mit den Möglichkeiten, die großen, europa- und weltweit tätigen privaten Konzernen zur Verfügung stehen. Soziale Kriterien oder gar eine Tariftreue-Klausel soll die Richtlinie dagegen nicht vorschreiben. Den Preis zahlen also am Ende Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau und Druck auf die Löhne, die Bürger dagegen durch explodierende Wasserpreise und die Kommunen durch den Verlust der Kontrolle über wichtige Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Im Frühjahr wird das Plenum des Europäischen Parlamentes über diese Richtlinie abstimmen. Ausreichend öffentlicher Druck kann also noch etwas bewegen. Dies ist das Ziel der Europäischen Bürgerinitiative Recht auf Wasser, bei der schon mehr als 1,3 Millionen Bürger aus der EU dieses Menschenrecht einfordern und gegen Privatisierungen in diesem Bereich ihre BürgerInnen- Stimme erheben.

Den Beitrag sowie weitere Artikel zum Thema finden Sie unter folgendem Link: The European – Wasser ist keine Ware