„Finanzinteressen vor Einheit“
Die Linke unterstützt Proteste zum G20-Gipfel
Als Antwort auf die Referendumsankündigung des griechischen Premiers Giorgos Papandreous haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy gestern abend die Aussetzung der Hilfszahlungen an den EU-Partner durchgesetzt und den griechischen Bürgern offen mit dem Ausschluss aus der Währungsunion gedroht. Jürgen Klute, Finanzpolitiker der Linksfraktion im Europäischen Parlament und Teilnehmer des alternativen G20-Gipfels in Nizza kritisiert den darin zum Ausdruck kommenden Mangel an Respekt gegenüber demokratischen Verfahren und die Aufkündigung des europäischen Zusammenhalts.
Klute: „ Mit dem Stopp der Hilfszahlungen und unverhohlenen Drohungen setzt die Kanzlerin der Papandreou-Regierung die geladene Pistole auf die Brust. Für Merkel sind die Prioritäten klar: Finanzinteressen gehen vor politischer Einheit und Zusammenhalt. Es zeigt sich erneut: Das europapolitische Agieren der Bundesregierung gleicht einem suizidärem Amoklauf. Im Buhlen um das Wohlwollen der Finanzbranche wird das Vertrauen der Bürger und die politische Stabilität in den Krisenländern aufs Spiel gesetzt. Im Gegenzug blockiert Berlin von Eurobonds bis hin zur Banklizenz für den Europäischen Stabilitätsmechanismus jegliche dauerhafte Lösung der Eurokrise.“
„Dabei zeugt die grenzenlose Selbstzufriedenheit der deutschen Regierung lediglich von einem lückenhaften Gedächtnis. Schließlich waren es nicht zuletzt die selbsternannten Musterschüler Deutschland und Frankreich, die seit 2004 zu einem Aufweichen des Stabilitätspakts beigetragen haben. Und der Wohlstand der Bundesrepublik wäre ohne die Großzügigkeit der internationalen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und das Londoner Schuldenabkommen von 1953 heute so nicht denkbar“, erinnert der Europaabgeordnete der Linken.
Klute appelliert: „Die internationalen Partner müssen dem Amoklauf der Kanzlerin Einhalt gebieten. Vom heute startenden G 20-Gipfel sollte ein Signal der zwischenstaatlichen Solidarität ausgehen, um Griechenland tragfähige Perspektiven zu eröffnen und die demokratische Kontrolle gegenüber der entgrenzten Macht der Finanzmärkte wiederzugewinnen. Die in Nizza beim alternativen G20-Gipfel vertretenen sozialen Bewegungen fordern darüber hinaus eine öffentliche Überprüfung der griechischen Schulden. Zu Recht weisen sie etwa auf beträchtliche Schmiergeldzahlungen hin, durch die sich deutsche Konzerne in Griechenland eingekauft und bereichert haben. Ein faire und transparente Schuldenanhörung wäre ein mutiger und visionärer Weg, um das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in die Politik wiederherzustellen und Europa wieder auf gesunde Beine zu stellen.“
Nizza, 3. November 2011