Cornelia Ernst und Manuela Kropp

Kurz vor Weihnachten 2009 fuhr die Europaabgeordnete Cornelia Ernst in den Kosovo, um mehr über die schwierige Lage der abgeschobenen Roma zu erfahren Es gilt als etwas verrückt, kurz vor Weihnachten auf eigene Faust in das tief verschneite Kosovo zu fliegen, wo minus 20 Grad im Winter nichts Aussergewöhnliches sind. Trotzdem war es uns wichtig, noch im Jahr 2009 dorthin zu reisen, um uns ein Bild über die Situation der abgeschobenen Roma zu verschaffen. Anlass ist das Rückübernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Kosovo, das im Juli letzten Jahres geschlossen wurde. 10.000 in Deutschland lebende Roma sind nun von der Abschiebung in den Kosovo bedroht. Im September 2009 erfolgten bereits zwei Charterabschiebungen aus Deutschland, darunter auch zahlreiche Roma, und dies, obwohl der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, alle europäischen Mitgliedstaaten aufgefordert hatte, keine Abschiebungen von Minderheitenangehörigen in den Kosovo vorzunehmen. Dass die Lage für alle im Kosovo lebenden Roma außerordentlich schwierig ist, wurde in den Gesprächen, die wir mit Vertretern der Roma, der OSZE, dem UNHCR und dem Büro der Europäischen Kommission geführt haben, schnell klar. Die Arbeitslosenrate beträgt im Kosovo 40%, doch die Roma haben unter einer Arbeitslosenrate von nahezu 100% zu leiden. Wolff-Michael Mors von der OSZE betonte, dass neben der Arbeitslosigkeit das größte Problem die Unterbringung der Abgeschobenen ist. Viele Roma können nicht nachweisen, dass sie vor dem Krieg ein Haus besessen haben, so dass sie vorübergehend bei Verwandten Unterschlupf suchen müssen, oder in die Roma-Camps, die auf bleiverseuchtem Boden im Norden von Mitrovica errichtet wurden, ausweichen müssen. Bekim Syla vom Roma und Ashkali Documentation Centre kritisierte, dass die Abgeschobenen keinerlei Übergangshilfe von deutscher Seite erhalten – die vorgesehene Übergangshilfe steht nur für „freiwillige Rückkehrer“ zur Verfügung. Viele der abgeschobenen Roma verfügen nicht über die entsprechenden Dokumente, um Zugang zu den wenigen staatlichen Leistungen zu erhalten, hob Andrew Ginsberg vom UNHCR hervor. Sie erhalten keinerlei soziale Unterstützung und leben, nach eigener Auskunft „von der Strasse“. Während unseres Aufenthalts bekamen wir auch die Möglichkeit, mit Roma zu sprechen, die aus Deutschland abgeschoben wurden. Die Familie Hajdari lebte neun Jahre im baden-württembergischen Blaubeuren, der Vater Nexhmedin arbeitete für eine Leihfirma, zuletzt hatte er sogar eine feste Anstellung. Hier im Kosovo leidet die Familie unter bitterer Armut und sozialer Isolation. Da sie lange Zeit in Deutschland gelebt haben, finden sie nur schwer ihren Platz in den alten Familienstrukturen, die im Kosovo aufgrund der schwierigen sozialen Lage so wichtig sind. Hinzu kommt, dass die in Deutschland geborenen Kinder die Abschiebung als schweres Trauma erfahren, und nur sehr schwer ihren Platz im Kosovo finden – angefangen von Sprachproblemen, denn sie sprechen selbstverständlich deutsch und haben große Schwierigkeiten, Anschluss in der Schule zu finden. Deshalb ist es politisch unverantwortlich, wenn Deutschland die Angehörigen der Roma-Minderheit abschiebt. Auch wenn sie als ethnische Gruppe im Kosovo nicht mehr verfolgt werden, gibt es für sie als Rückkehrer keinerlei Existenzgrundlage. Das heißt, Deutschland verschlimmert die ohnehin schwierige Lage im Kosovo. Mit dem Anliegen, diese Abschiebungen von Roma einzustellen, denen gegenüber Deutschland auch aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung eine besondere Verantwortung hat, werden wir uns unverzüglich an die Landesinnenminister wenden.